Urlaub mit Anlauf



Irgendwann fiel mir zwischen zwei Atemzügen unter der Tagesdecke auf, daß mein letzter richtiger Erholungsurlaub™ in der Sonne auch schon wieder zehn Jahre her war. Danach fing das Elend an. Erst klappte dies nicht, dann was anderes. Da gab es zwar die regelmäßige Woche in Wien, Kaffee und Schokoladeherzen tanken. Oder mal auf Hiddensee bei stabiler Laune, aber wechselhaftem Wetter. Und dann war ich auf einmal krank.

Als ich nicht mehr ganz so krank war, hätte ich den oben erwähnten Erholungsurlaub erst recht gebrauchen können. Und sei es nur zwei Wochen Mallorca, wie ich ziellos verkündete. So weit wäre ich schon. Die Demut! Einfach wie tot in der Sonne am Wasser liegen. Aber der Zustand, der Zustand! Zum Gotterbarmen.

Natürlich, und das hat der Mensch ganz hilfreich und beglückend eingerichtet, mangelt es nicht an klugen Ratschlägen. Man muß nur tief genug unten sein. Allein reisen, was ich beklagte, weil man Eindrücke und Momente nicht teilen, diese also folglich verloren wären wie Tränen im Regen usw. usf., sei gar nicht schlimm. Murmelten die, die ihr Lebtag noch keinen Tag allein gereist sind. Mallorca, so offenbar ganz Kenntnisreiche, ginge auch nicht, denn: Kunst und Kultur müsse schon sein. Wurde ich vom gepackten Koffer für die Südsee herab belehrt, eine Gegend, die ja zuvorderst für ihre zahlreichen Ausgrabungsstätten und Guggenheim-Museen bekannt ist.

Ein paar mal, ich bin ja hartnäckig, ging es kurz vor knapp einer geplanten Auszeit noch schief, wie so ein höhnischer Kuckuk aus der Uhr schoß gackernd irgendeine Katastrophe hervor, am Ende hörte ich schon nicht mehr recht hin, „Sonne! Sonne!“ wie im Drogen-, also Vitamin-D-Entzug delirierend und in der Meinung, vielleicht schaffe ich es ja wenigstens auf den Waldfriedhof. Und leckt mich alle. Zum Ausrasten, was aber wiederum das österreichische Wort für Entspannung ist, also auch nicht paßt.

Nun muß man, mir gelang das nach Jahren schon, erkennen, wann genug auch wirklich genug ist und man selbst mit Latein und Kraft am Ende. Urlaubsangststörung nennt man das denn wohl, wenn man sich erst weit genug zurückgezogen hat und schon der Anblick einer Flasche Sonnencreme eine Drohung ist. Dann muß man mit Profis arbeiten.

Zum Glück bietet die Stadt Hamburg auch hier ein Hilfsprogramm an. Auf einem kleinen Ferienparksimulationsgelände kann man ein lüttes Häuschen beziehen, Wasseranschluss und ausreichend Platz für eine Schlafstätte sind vorhanden, und sich wie in einem Ferienhaus fühlen. Wir leben in einer Schären-Kultur, und so teilen sich immer zwei einen kleinen See, wo man morgens, nur mit einem Knäckebrot bekleidet, nach seinem Frühstück tauchen muß. Abends dann Treffen vor dem großen Indianerzelt zum Kumbaya mit Lagerfeuer und Gitarre und Supervision. Nach drei Tagen darf man evaluiert und mit einer Empfehlung versehen nach Hause. Schritt eins ist getan. Es fehlt nur noch die Abschlußprüfung, in der man mit schwitzenden Händen einen Koffer packen und sich zum Zug begeben muß. Mindestens eine Woche raus, da sind die Betreuer streng!

Ausfallschritt | 19:41h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
samojede - Montag, 9. Juli 2018, 21:54
Ich glaube, man fühlt sich selten so einsam | alleine wie nach klugen Ratschlägen von Menschen, wo es *gut meinen*. Ich selbst habe schon wahre Horrorurlaube alleine gehabt. Nicht alleine allerdings auch. ... & auch das Gegenteil. Könnte einige aufmunternde sowie runterziehende Schwanks erzählen. Ich glaube aber auch, man fühlt sich selten so einsam | alleine wie wenn Menschen Schwanks von sich erzählen, erzählen und erzählen und man hat selbst die Kapuze voll. Tjaja, schliesse ich mal vage ab.

+ Gute Besserung
& drücken sie Belgien - auch 1 schönes Land - morgen die Daumen. Nur so.
& sind das auf den mittigen Bild STEINBLUMEN? Falls ja, das in Kombi mit dem Beitrag: Mehr Schwere geht nicht. Hut app!

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kid37 - Montag, 9. Juli 2018, 22:04
Wie dieser Hamburger Künstler, auf dessen Namen ich gerade nicht komme, mal getextet hat: "Niemand in der Welt bekommt soviel Dummes zu hören, wie Bilder in einer Ausstellung". Oder wenn man Ratschlagopfer ist! sage ich. Dann die, denen man erzählt, man hätte zehn Jahre keinen Urlaub usw. und die dann sagen, kann ich toppen, in meinem letzten Ganzweitweg-Urlaub war das Meer gar nicht grün wie Smaragd, sondern blau. Stimmung im Arsch! (Ich sage dann aber brav: "wie betrüblich, wie betrüblich!" und denke mir was, aber hinter der Stirn, unsichtbar für andere!)

Ja, Steinblumen. Ist ein Simulationspark. Die Urlaubsangstkranken sollen ja nicht mit Stimmung und Lebensfreude verschreckt werden.

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samojede - Montag, 9. Juli 2018, 22:18
Toll mit den Steinblumen - was es alles gibt... Wussten Sie, dass die meisten Suizide im Frühling stattfinden und nicht im Herbst. Würde man den Frühling für Suizidale mit einer Triangel aus Steinblumen, Benn-Gedichten und Nieselregen auslegen, viellicht wäre das nicht so verschreckend vs. schmerzhaft, aber das ist würde hätte könnte ist ja letztlich auch nur ein... unsmaragdes Meer?! (Habs offen gesagt auch dicke, wenn die Menschen sich auf ihren Blautönen einen runterholen! )

WAS IST JETZT MIT BELGIEN MORGEN?

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kid37 - Montag, 9. Juli 2018, 22:27
Ich weiß schon, warum ich den Herbst lieber mag. Belgien schon deshalb, weil es in dem Land super Pommes gibt. Und selbst ich (!) kenne Länder, da bekommen sie alles, vor allem alles mit irgendwas ÜBERBACKEN, aber keine vernünftige Pommes. Ich hoffe, irgendwer bringt bald mal einen Reiseatlas mit Pommesländern raus, damit ich meine neu erworbenen Reisefertigkeiten einsetzen kann.

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samojede - Montag, 9. Juli 2018, 23:28
Finde ÜBERBACKENES genauso widerlich ungut wie RATSCHLÄGE | SMARAGD | AALGLATT E FRANZÖSISCHE NATIONALMANNSCHAFT | Diversa !!! Es gibt Dinge, wo alles versauen (Muss aber jeder selbst wissen)

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fidibus - Dienstag, 10. Juli 2018, 00:33
Hm, schöner Mist. (Verstehe Sie in dieser Reisesache besser, als mir lieb ist.)

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kid37 - Dienstag, 10. Juli 2018, 01:42
Wohl dem, der es schafft, diese Mechanismen zu durchbrechen.

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fidibus - Dienstag, 10. Juli 2018, 02:12
Hab mir vor einigen Jahren professionelle Hilfe gesucht (naja, meine Hausärztin hat mich dazu gezwungen). Bin froh drum. Nicht, dass nun eitel Sonnenschein wäre, aber ich kann besser damit umgehen.

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kid37 - Dienstag, 10. Juli 2018, 12:25
Eine sehr gute Entscheidung. Wenn man die Kreise erst enger schnürt und dann noch banale Dinge verlernt, wie Karte kaufen, Koffer packen, und sich gar nichts mehr traut, muß man da raus. Egal wie. "My station is full of trains" heßt es bei Iris Electrum sinngemäß. Dahin muß man kommen. viele verstehen das nicht. Aber wer's leicht hat, hat leicht reden.

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novesia - Donnerstag, 12. Juli 2018, 08:51
Jede Überwindung verdient eine fette Belohnung.
Meine besten Wünsche, ist ja klar.

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kid37 - Donnerstag, 12. Juli 2018, 12:47
Finde ich auch. Mehr als einen Candy-bar. Danke schön.

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