Freitag, 27. Juli 2018


NYC #3 - This Mess We're In

Can you hear them?
The helicopters
I'm in New York
No need for words now
We sit in silence

(P.J. Harvey,
"This Mess We're In")





Während einen die Hitze draußen von der Straße brennt, dazu zwingt, wie ein Hase schattenhakenschlagend immerfort die Seiten zu wechseln, läßt es sich in meiner Wohnung in Brkln gut aushalten. Die liegt in so einem typischen kleinen Brownstone und hat große Deckenventilatoren. Wie ein Ostküsten-Philip-Marlowe in Unterhose liege ich auf dem Bett, während der Schatten des Ventilators über mich hinwegrotiert, halte den ausufernden Baum vor dem Haus unter aufmerksamer Beobachtung und versuche zugleich, mich mit meinem nagelneuen Telefonapparat vertraut zu machen. Ihr Schlingel, ich weiß jetzt, was ihr meint, wenn ihr sagt, ihr würdet mich nach links wischen!



Im nahen Park gibt es einen Brunnen mit großer Wasserfontäne, darin bilden sich kleine Regenbogen, die dort aufgezogen werden. Und ja, tatsächlich wartet an ihren Enden der goldene Topf, denn Menschen haben zum Anfüttern Münzen in den Brunnen geworfen. Es ist alles wahr, ihr müßt nur die Augen offen halten. Abends heißt es, würde mir aus einem anderen Topf Pasta geboten, ein Angebot, das ich nicht ablehnen kann. Auf dem Weg dorthin kippt das Wetter: die Schwüle entlädt sich, plötzlich ein Gewitter über der Stadt, ich haste durchs Viertel, durch den Regen, man hält schon Aussschau, lacht mich aus, und ich schlüpfe wie eine nasse Katze zur Türe rein.



Nach dem Essen geht es ans Eingemachte, ich bin ja nicht zum Spaß hier. Erst später merke ich, daß das jetzt tatsächlich das Vorsprechen ist und die Hauptrolle mir gerade entgleitet. Hier geht es um mehr als Sprachbarrieren und ritualisierte Unverbindlichkeit. Rude German!, mein Sitznachbar im Flugzeug hatte mich gewarnt. Sehr verwirrend alles. Dafür bekomme ich einen Schirm geschenkt, just in case. Nachts ist die Fahrt mit dem Q-Train über die Brücke nach Hause besonders schön. Auch ohne Mermaids an Bord. Die Skyline leuchtet, im Dunkel verborgen steht irgendwo die Freiheitsstatue mit ihren von Rost und Zeit angefressenen Versprechen. Und wahrscheinlich geht gerade irgendwo die Sonne auf, auch wenn ich sie vor Müdigkeit nicht sehen kann. Überall Feuerwehrgeheul, die Straßen sind regennass, aber immerhin: Auch wenn ich nicht recht wußte, wie man das Fenster operiert, ist daheim alles in trockenen Tüchern geblieben.

Meine Vermieterin schreibt mir dazu später: "Just pull down hard." Und ich überlege, ob der Satz auch für mein Leben gilt. New York, so weit bin ich nach drei Tagen schon, hat eine wirklich steile Lernkurve für ein schmales europäisches Gesicht wie meines. Aber in meinem Koffer ist für Erkenntnisse viel Platz.

>>> Geräusch des Tages: P. J. Harvey, This Mess We're In