Sonic Nurse


Im Süden meines Hauses, jenseits des Kanals liegt das Tierheim. Nachts höre ich dort die Kampfhunde bellen, die gerne ein wenig Spielen möchten. Zur anderen Seite hin, wiederum meinem Haus gegenüber, befindet sich die Berufsschule für Krankenschwester. Die bellen lungern immer in der Mittagspause vor der Tür, weil sie gern ein wenig Rauchen möchten. Wenn ich mir die freundlichen jungen Damen so betrachte, die sich dort mit Teer einölen, stelle ich mir vor, wie es wäre, ein paar von ihnen abhängig zu machen. Von mir natürlich, denn vom Nikotin sind sie es ja bereits.

Dann kämen mittags zwei oder drei von ihnen durchs Stiegenhaus geschlichen, die vier Etagen hoch bis zu meinem Dachgeschoß, um mir ein Süppchen zu kochen. Ich klagte dann ein wenig über ein Zwicken hier oder ein Zwacken dort. Vielleicht gäbe ich auch vor, etwas am Kopf zu haben, mich dünkt, daß wär wohl das Überzeugendste. Ich legte dann ein wenig berufsbegleitende Musik auf, während wir Brot und Suppe schmausten. Sonic Youth vielleicht oder Leonard Cohens "Sisters of Mercy".

Abends, nach Schulschluß, schleppte ich die herzensguten Dinger zu
Feinkunst Krüger und zeigte ihnen Poster und Grafiken von anderen jungen Krachmachern. Aber nur bis zum 21.5.

(Feinkunst Krüger, "ART OF MODERN ROCK - THE POSTER EXPLOSION".
Poster und Grafiken von Derek Hess, Jay Ryan, Lindsey Kuhn, Chuck Sperry und Ron Donovan. Vom 30.4. bis 21.5.2005)

Flanieren | 11:59h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
fabe - Dienstag, 3. Mai 2005, 15:16
wenn sie mich fragen (das tun sie nicht, aber ich sags trotzdem), lassen sie's bleiben. die haben alle einen anner waffel. ich spreche aus erfahrung...

aber das wollt ich garnicht sagen, öh... musiktipp - johnny cash: "hurt". der mann weiß wovon er redet.

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brittbee - Dienstag, 3. Mai 2005, 16:22
Hüte Dich vor allem Bösen,
vor Rothaarigen, Krankenschwestern und Friseusen ;-)
..hab ich mal irgendwo gelesen..

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kid37 - Dienstag, 3. Mai 2005, 16:26
Rothaarige Krankenschwestern, hm. Ich dachte, ein wenig Pflege täte mir gut. Nun denn.

Herr Fabe, "Hurt" steht doch seit über einem Jahr unverrückt auf der Injektionsliste. Ich denke nämlich auch, daß JC wußte, wovon er da sang (womöglich mehr noch als der Autor des Liedes...).

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nase - Dienstag, 3. Mai 2005, 16:24
gleich ein paar, tsts.

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kid37 - Dienstag, 3. Mai 2005, 16:27
Nur zwei oder drei. Eine allein will sich doch mein endloses Geschwafel nicht anhören ;-)

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monotonie - Dienstag, 3. Mai 2005, 16:59
Dabei sind Krankenschwesterschülerinnen der Inbegriff der Reinheit mit ihrem adretten Pferdeschwanz und der weißen Kleidung...

Aber Sonic Youth ist großartig. Ich habe mich gestern durch acht Alben am Stück durchgehört. Hurt allerdings würde ich mir im Orginal von Nine Inch Nails anhören.

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kid37 - Dienstag, 3. Mai 2005, 18:24
Krankenschwestern ist zumindestens nichts menschliches fremd, das betrachte ich als großen Vorteil.

Zu "Hurt" gab es hier im Haus bereits eine Diskussion, die ich (wie immer) in meinem Sinne entschieden habe. Der Text paßt doch nicht zu einem 30jährigen. Ein Beweis mehr, daß in Wahrheit JC dieses Lied geschrieben und aus reiner Ironie "Reznor" druntergeschrieben hat.

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blue sky - Dienstag, 3. Mai 2005, 17:14
Wenn ich Sie nicht ganz falsch einschätze, dürften Sie durchschlagenden Erfolg bei Schwesternschülerinnen haben. Aber obacht mit längerfristigem Engagement; ich meine, bei vielen Schwestern (ebenso wie Pflegern) einen gewissen Leidenswillen beobachtet zu haben.

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wasweissich - Dienstag, 3. Mai 2005, 17:53
Einer der Berufe, die anfällig sind fürs Helfersyndrom. Manchmal braucht man das ja aber vielleicht, oder manchmal kommt vielleicht nur das in Frage ;-)

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kid37 - Dienstag, 3. Mai 2005, 18:19
Man sagt, an meiner Seite sei eine gewisse Leidensbereitschaft von Vorteil. Vielleicht reicht auch Schwer/Hörigkeit.

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gaga - Dienstag, 3. Mai 2005, 20:53
was ich immer noch nicht ganz begriffen habe,
ist, worin krankenschwesternseits unter den skizzierten umständen der abhängigkeitsfaktor bestehen würde. wird mit überdurchschnittlichen verdienstmöglichkeiten gewunken? oder wird gar in naturalien bezahlt? (süchtigmachende bilderklärungen bei feinkunst krüger?)

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kid37 - Dienstag, 3. Mai 2005, 21:54
Herr Blue Sky hat es doch ganz subtil darauf angespielt: Ich appelliere gezielt an das Helfersyndrom ("ein Zwicken hier, ein Zwacken da"). Und haben die ein Blog, könnte ich denen einen Link versprechen. Ist das etwa nichts?

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gaga - Dienstag, 3. Mai 2005, 22:06
wie bitte???
das funktioniert aber normalerweise nur bei erkennbaren schäden. ein bißchen herummarkieren und ungewaschen im lotterbett herumjammern ist ein bißchen zu wenig. die krankenschwester an sich neigt ja zum resoluten, für hypochonder haben die eigentlich wenig verständnis. ein gravierender knochenbruch wäre das mindeste. aber das allermindeste. sie träumen schon wieder.

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blue sky - Dienstag, 3. Mai 2005, 22:06
(Ich dachte dabei eher an Ihre Mischung aus Einfühlsamkeit und kultivierter Morbidität, die ihre Wirkung auf die Damen nicht verfehlen wird.)

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gaga - Dienstag, 3. Mai 2005, 22:17
ach so.
einfühlsamkeit. ein ohr wird geliehen und gütig mit dem kopf gewackelt. und haferschleimsuppe aus alten schädeln.

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kid37 - Dienstag, 3. Mai 2005, 22:50
Ach Frau Gaga, so streng heute wieder. Dabei hatte ich heute so einen schweren Tag mit richtig widerspenstigen Gartenzwergen. Das sind doch Schwesternschülerinnen, die springen vielleicht aus Übungszwecken noch auf Hypochonder an...

Hm, na gut. Vielleicht sollte ich den Blick wirklich mehr gen Süden richten - aufs Tierheim. Und mir in der Kampfhundabteilung einen Gefährten suchen.

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gaga - Dienstag, 3. Mai 2005, 23:02
so bin ich halt
zuckerbrot und peitsche. ich bin sozusagen mein eigener kampfhund. sie schmeißen ja nun auch nicht gerade mit äh - dingens (fällt mir jetzt kein wort ein) um sich

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kid37 - Dienstag, 3. Mai 2005, 23:13
Wortwerte und Wertworte
Schreiben Sie mal vier Jahre lang jede Woche Briefe, die nie beantwortet werden. Dann denken Sie auch, ihre Worte seien eh nichts wert. Jawoll. (Schwester, einen Tupfer bitte. Ja, linker Augenwinkel. Danke.)

Ich möchte auch nicht so viel Loben, sondern lieber gleich Seligsprechen. Ich muß sonst immer an Mielke denken. "Aber ich liebe euch doch, alle!"

Übrigens habe ich tatsächlich zwei Krankenschwestern unter meinen Leserinnen (also zwei, von denen ich es weiß). Die sind supernett, nicht immer zufrieden mit mir und dem Angebot hier im Café, und haben es garantiert faustdick hinter den Ohren.

Meinen Lesern sei überhaupt gesagt: Ich liebe euch doch, alle!

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gaga - Dienstag, 3. Mai 2005, 23:34
kokettiert oder ernsthaft
der erste absatz. ach ja: fragezeichen. ich gehe mal lieber wieder. das thema kommt mir sonst zu bekannt vor und ich muß ja nicht überall griesgrämige abschlusskommentare hinterlassen.

( schwenk auf hausherr )

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kid37 - Dienstag, 3. Mai 2005, 23:42
Das Thema kommt Ihnen bestimmt deshalb bekannt vor, weil ich es hier schon ein- oder zehnmal gebloggt habe. Frau Fragmente beschwerte sich neulich schon (völlig zurecht) über die Wiederholungsschleifen hier im Blog. Schließlich sind wir hier doch nicht beim Fernsehen.

Sie dürfen aber gerne das letzte Wort behalten. Griesgrämig trifft den Tenor dieses Blogs ja sehr gut.

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gaga - Dienstag, 3. Mai 2005, 23:47
sie irren
ich habe immer noch keine schularbeiten gemacht und ihr werk vollständig studiert. es kommt mir ausschließlich wegen mir selbst bekannt vor. sonst könnte ich ja ohne weiteres nett und böse weiterplaudern. ich heule ungern vor publikum. und ein griesgram hier reicht doch, oder? es sei denn, sie möchten mit mir eine selbsthilfegruppe gründen

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arboretum - Mittwoch, 4. Mai 2005, 00:36
Dann denken Sie auch, ihre Worte seien eh nichts wert.

Man könnte dann aber auch denken, dass der andere diese Worte nicht wertzuschätzen weiß. Und sich dann fragen, ob unter diesen Umständen der Empfänger so viel Aufmerksamkeit wert ist oder ob es ohnehin vergebliche (Liebes)müh ist. Mir gehen jedenfalls in der Situation solche Gedanken durch den Kopf, und dann lass ich das mit dem Briefe schreiben.

Die Selbsthilfegruppe trifft sich übrigens hier, Frau Gaga.

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mark793 - Mittwoch, 4. Mai 2005, 00:44
Allerdings nicht heute
Statt der Psycho-Selbsthilfegruppe sind heute nämlich die anonymen Nerds zugange. Im Dunkel meines Kämmerleins treibt sich allerlei Getier auf den Laufwerken rum, was da nicht wirklich was verloren hat.

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gaga - Mittwoch, 4. Mai 2005, 01:01
ich hörte davon
allerdings handelt es sich um ein sehr spezielles leiden. ohne ins detail gehen zu wollen: seit maximilians film gestern, weiß ich, dass maria schell auch gut in die gruppe gepasst hätte. es müssen nicht zwingend abgeschickte briefe sein. unabgeschickte gelten auch. gedachte ebenso.
meine sind zwischen den zeilen. und das, was ich weglasse.

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kid37 - Mittwoch, 4. Mai 2005, 17:59
@ Arboretum: Ich denke, in meinem Fall war es bereits Teil des hier schon mal beschriebenen Inkommunikado. Mir wurden ja auch später nie Informationen gegeben oder ich in irgendwelche Entscheidungsprozesse einbezogen. Die offizielle Begründung lautete, man wollte mir "keine Hoffung" machen. Dem widerspricht allerdings, daß andererseits kontinuierlich Verabredungen initiiert wurden…

Ein merkwürdiger Mix also aus Mißachtung und Zuneigung, Distanz und Nähe - eine Verwirrungs- und Verunsicherungsstrategie, die wohl eine Ursache meiner empfundenen Abhängigkeit war.

Glücklicherweise sind dies zunehmend nur noch Erinnerungsblitze aus dem Nebel der Vergangenheit. Man reiht es ein ins Menschenkabinett und sortiert es unter "lehrreiche Erfahrungen". Leider.

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arboretum - Mittwoch, 4. Mai 2005, 18:22
Games people play
Ich überlege gerade, ob das generell ein Widerspruch sein muss. Einen Liebesbrief zu beantworten ist ja noch mal etwas anderes als sich mit jemandem zu verabreden.

In Ihrem Fall ist jedoch diese Verwirrungs- und Verunsicherungsstrategie perfekt aufgegangen - schade. Ich hätte Ihnen schönere Erlebnisse gewünscht, schon allein wegen der vielen Briefe. (Denn ich weiß auch um die ungeschriebenen oder nie abgeschickten Briefe, Frau Gaga. Manchmal wünschte ich, ich wüsste darüber weniger. Sondern hätte diese Briefe tatsächlich bekommen.)

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kid37 - Donnerstag, 5. Mai 2005, 04:17
Ja, Games People Play
Eine Psychologin riet mir damals, ich solle es aufschreiben, weil ich merkte, daß Selbsthilfgruppen von Angehörigen und was es da so gibt, nichts für mich sind. Seither schreibe ich hier in Deutschlands größter Selbsthilfegruppe ;-)

"Verzeihen" ist eine andere Sache. Ich höre leider im Nachhinein von großem Stolz und großer Kneipenprahlerei auf Dinge, die maßgeblich zum Scheitern beigetragen haben. Absurd? Ja. Schmerzhaft? Auch. Aber dann eben auch zunehmend bedeutungsloser. Schade auch.

Wie lange will man das mitmachen, dieses "Ich hasse dich, verlass mich nicht"?

Ich habe im letzten Herbst mit anderen Menschen erlebt, wie man Fehler auch ganz anders bereinigen kann. Im gegenseitigen ehrlichen Bemühen und nicht in erzwungenen Abmachungen, die nur bei Schönwetter gelten. Seither denke ich, daß es ein gewisses "normales" soziales Miteinander tatsächlich noch gibt. Gelernt.

Das ist die Botschaft. Eine andere gibt es nicht.
(Wow, 500 Tage Pathos ;-))

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arboretum - Freitag, 6. Mai 2005, 00:47
Sie ahnen es wahrscheinlich schon: Im Zusammenhang mit dem "Verzeihen" drängt sich mir wieder eine Frage auf, die hier jedoch nicht beantwortet werden kann. Aber vielleicht kommen Sie auch selbst darauf. ;-)


P.S. Manchmal habe ich übrigens fast den Eindruck, Sie halten mich für ziemlich vergesslich.

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kid37 - Freitag, 6. Mai 2005, 01:58
Riding a Dead Horse
Verzeihen Sie, ich habe ein Selbstgespräch geführt. Just ranting. Ich komme in das Alter der brabbelnden, grantelnden Opas. Das geht einem oft so bei Themen, die eigentlich schon längst keine Bedeutung mehr haben.

Man muß sich selbst verzeihen, so viel Energie aufgewendet zu haben. Oder vielmehr, dafür etwas erwartet zu haben. Wie so oft, ist es ein Ringen mit sich selbst. Aber das heißt auch, ich werde gewinnen ;-)

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synapse - Freitag, 6. Mai 2005, 02:38
Tresen
Seither schreibe ich hier in Deutschlands größter Selbsthilfegruppe ;-)
Sind wir nicht eher noch in der Vorstufe, also mit dem beschäftigt, was in einer Selbsthilfegruppe aufgearbeitet werden soll?
Ich sehe uns eher an D.s längstem Tresen mit Coctails in der Hand und dem allgemeinen Geschwätz etwas hinzufügen. So gesehen schlürfe ich jetzt einen "Prince of Wales" in der Newton Bar.

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kid37 - Freitag, 6. Mai 2005, 03:15
Ich denke, das kann man nicht verallgemeinern. Sicherlich wird hier wie in vielen Blogs auch viel "geplappert", sinnlos gefaselt und gejammert. Aber auch das hat ja eine psychosoziale Funktion. Es gibt aber in einigen Blogs immer wieder auch Bruchstellen, an denen es plötzlich tiefer geht - unter die Oberfläche platter "Männer sind so und Frauen sind auch so"-Sprüche und allgemeinem Schulterklopfen. Wo Kritik, handfeste Ratschläge und Erkenntnisse vermittelt werden.

Das ist sicher die Ausnahme. Mir hat die Kommunikation aus "sicherer" sozialer Distanz sehr geholfen, bestimmte Dinge besser zu erkennen oder zumindestens neu und "objektiver" zu bewerten. Ich habe auch einige Menschen kennengelernt, die ebenfalls bestimmte Erfahrungen als Angehörige oder selbst Betroffene gemacht haben. Auch deren Hinweise und Einblicke waren sehr stabilisierend für mich in einer schwierigen Phase. Doch, es gibt tatsächlich positive Dinge im Blogleben.

Nun aber zurück zu den Getränken. Ach nein, zu Bett. ;-)

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