Scharfbefreit
Am Wochenende mußte ich meinem opulent sich verbreitenden Basilikum beim Wachsen zuschauen, deshalb kam ich mal wieder zu nichts. Jedenfalls nicht zum Bloggen. Dafür gab es leckere Sachen aus dem Wok, 'chön 'charf auch. (Wenngleich mir Frauen wieder beweisen mußten, daß sie es selbstredend noch schärfer draufhaben. Nun gut, als wohlerzogener Mensch gönnt man anderen gerne die kleinen Triumphe. Die kleinen.)
Die Bucherwerbungen der letzten Zeit verharren jedoch immer noch in devot-bettelnder "Lies mich bitte"-Haltung. Immerhin konnte mich Joachim Lottmanns Die Jugend von heute mit der ein oder anderen scharfzüngigen Beobachtung erfreuen. Jetzt wartet gerade der sehr hübsch aufgemachte Band über Claire Goll, Femme fatale des Expressionismus, mit wilden Gedichten und unzüchtigen Bildern auf mich. Dicht gefolgt in der Warteschleife von Leo Navratils Art Brut und Psychiatrie, über das sich sicher ein eigener Beitrag lohnt. (Ich wollte ja auch immer noch berichten, wie Frau Sonne und ich letztes Jahr durch die Wiener Irrenanstalt flanierten. Ein hochinteressanter Ort.)
Unzüchtige Bilder hatten dann auch die "Mädels vom Immenhof" für mich. Heidi Brühl fand ich als Kind ja richtig toll, aber dies nur nebenbei. Am Immenhof gibt es in Hamburg ab und an einen schönen Flohmarkt, auf dem auch immer wieder hübsche Fundstücke aus den 20er/30er-Jahren auftauchen. Meine Garderobe stammt von dort, und nun auch diese höchst aparten Fotografien unserer Großeltern.
Fast so anregend wie triebhaftem Basilikum beim Wachsen zuzuschauen. Ehrlich wahr.
Claire Goll - auch so ein Fall, dem man nie hätte begegnen wollen, auf sichere Distanz allerdings äußerst unterhaltsam. Ihre Gedichte halte ich für 100 % Schrott, aber ihre Autobiographie möchte ich geschrieben haben. Oder zumindest gelebt, so auszugsweise.
Ich glaube fast, ich habe die mal getroffen. Also so einen Typ Frau. Selbes Sternzeichen auch, falls das ein Indiz ist. Die Biografie von Susanne Nadolny weist allerdings darauf hin, daß ein bedenklich-beträchtlicher Anteil ihrer autobiografischen Einlassungen "erfunden" oder "frisiert" sei. Haben Sie Ich verzeihe keinem gelesen? Eine echte tour de force im Rechtfertigen, Niedermachen und Sezieren. Großartig, oder besser großartig erschreckend. Das Fatale ist wohl, daß sie ihrem Mann Yvan Goll literaturgeschichtlich alles Gute tun wollte - und dabei sehr viel zerstörte.
Ja, unter diesen Rasenmäher will man nicht geraten sein. Ein großartiges und abstoßendes Buch. - Was das Frisieren der eigenen Biographie angeht, so wundert mich allerdings, dass überhaupt jemand erstaunt ist, wenn Verfasser von Memoiren ihr Leben ein bißchen zurechtstutzen, bevor sie es dem Publikum feilbieten. Schließlich dient eine Autobiographie nicht der objektiven Mitteilung an die Nachwelt, sondern ganz eindeutig der Selbstdarstellung, wenn möglich sub specie aeterna. Und wenn es um die Wurst geht - wer wird denn dann schon ehrlich sein?
Ich glaube, wir Blogger kennen uns da aus ;-)
(Für die Literaturwissenschaftler war/ist es wohl ein Schock, wenn sich die jahrzehntelang als "wahr" kolportierten Passagen aus Biografien oder - schlimmer noch - "autobiografischen Romanen" als wenig bis gar nicht haltbar erweisen. John Irving hat daraus eine Kunst gemacht, bis es ihm selbst zum Halse heraushing.)
sie haben da diesen dezenten rororo-Titel nicht beschrieben. mit absicht natürlich. ok, ist wohl selbsterklärend.
Ach, die reißerischen Rowohlt-Cover neuerdings.
Pulp-Fiction. (Paßt aber gut zu den Flohmarktfotos). Das ist die Vorlage zum
Film. Ich habe es aber noch nicht gelesen, liegt auf dem Nachttisch. Erstmal Navratil, Ian McEwan (mal wieder) und ein paar Japaner...
den rowohlt-titel kannst du getrost ganz nach unten sortieren und warten, wenn du mal richtig auf drogen bist, dann könnte deine phantasie noch etwas aus diesem langweiligen buch machen. fieber ginge auch. aber nur so lesen, da gebe ich dir den rat : lass es, es ist lebenszeit die den gulli hinunter läuft.
selten so ein unsinspiriertes buch über böse mädchen und sex gelesen. (aber den lottmann, den hab ich auch im auge.)
Der Film war jedenfalls nur so lala, das Buch ein Mitnahmeartikel. Ich dachte, ich mach mal so auf junger Mensch und so. Lottmann ehrt, daß er in der Gegenwart verortet ist. Nicht noch ein weiterer "So-waren-die-80er"-Roman bitte!
(Wartet auf meinen.)
Gut, das der Basilikum nicht fünfblättrig ist..mit kleinen Zacken dran :)
..andererseits könnte ich nach Genuss dieses Krauts ..
das zuschauen beim wachsen nachvollziehen *lach*
Nein, nein. Meinen Basilikum rauche ich nicht. Das ist, glaube ich, auch gar nicht erlaubt.
Überdies kriegt man davon nen Basiliskenblick, hab ich mal irgendwo gelesen
Überall Frühlingsgefühle, nicht mal auf Signore Keller-Kid ist Verlass. Blühenden Pflanzen, fröhliche Bildchen und schöne morbide Mädchen (na gut, die gibt´s hier immer). Ich leide.B.B.
Das sieht wirklich sehr interessant aus. Diesen Auktionskatalog ("Religiöse Kunst") habe ich für einen Euro aus dem Ramsch erworben. Durchgängig farbig abgebildet sind dort detailreich beschriebene Rosenkränze, Pestamulette, Reliquarien, Zehner, Fruchtbarkeitsanhänger usw. verzeichnet. Mein Lieblingsteil ist ein Reliquienschrein aus dem 15. Jhd (mit Reliquien, offenbar Knochen). Der Schätzpreis von 1989 lag bei 15000,- DM.
Ich verrate nicht zuviel über meine tatsächlichen wirtschaftlichen Verhältnisse, wenn ich sage, daß eine solche Summe diese ein wenig übersteigt. Aber schön ist es schon. Vielleicht kann ich hier mal Bilder reinstellen.
Jetzt bin ich aber baff. Das triggert gerade eine Menge widersprüchliche Gefühle, die ich jetzt hier aber nicht erklären möchte... Da würde ich schon gerne mitmachen, zumal es ja ein TOTES Huhn sein darf. ;-)
Aber ehrlich gesagt, ich habe es ja nicht gelernt. Da wird das mit den Chicks nichts. (Ich koche ja mehr so kreative Eigenkompositionen im mediterranen Stil, die man einfach probiert haben muß und ebenfalls schlecht erklären kann.)
Die Geste bedeutet mir aber gerade sehr viel. Vielleicht sollte ich das als neue Herausforderung im Auge behalten.
Es würde mich freuen. Ich habe das Kochen auch nicht gelernt. Ich koche nur so vor mich hin. Manchmal schmeckt's, manchmal nicht.
Ach ja, und mediterran klingt schon mal gut.
Ich wollte ja auch immer noch berichten, wie Frau Sonne und ich letztes Jahr durch die Wiener Irrenanstalt flanierten. Ein hochinteressanter Ort.
Auf die Geschichte warte ich schon lange. Und auf das Porzellan.