Mit dicker Haut



Die letzten schönen verregneten Sommertage nutzend, wagte ich einen anorakverhüllten Ausflug zum hiesigen Zoo. Hagenbeck zehrt vom alten Ruhm, hat in hundert Jahren aber auch das ein oder andere neu gemacht. Kleine Elefanten etwa oder die kühlschrankkalte Eismeerlandschaft. Hier hausen mürrische Pinguine, die von ihren Happy Feet-Kollegen im Leben noch nichts gehört haben und ihre Tage damit verbringen, wie Sänger einer Neo-Gothic-Band bedeutungsschwer ins Nirgendwo zu starren. Wenn sie nicht gerade wie exaltierte Körperkult-Freakartisten Kot ins Publikum spritzen, wie ein Hinweisschild warnt. Bestätigen kann ich das nicht.

Sowieso aber geht man wegen dem Schrecklichen Odin zur Eislandschaft, Hamburgs häßlichstem Walross (wir berichteten). Der Handkreissägentenor aus dem Polarmeer wirkt an Land wie ein amorpher Blob, adipöse Fettschürzen schwabbeln walle, walle manche Strecke, wenn König Odin in seinem kleinen Tiefkühlreich fürs Publikum den Hirschen macht.

Durch eine Panoramascheibe aber schaut man der kleinen Gruppe unter Wasser zu. Bequem, aber mit einer gewissen halbtonnenschweren Eleganz gleiten vor allem die Damen in entspannter Rückenlage durch ihr kunstfelsenverziertes Becken, machen Faxen für die Besucher diesseits des Glases, Kopfstand für die Kinder, und untersuchen neugierig die Ecken und Winkel, ob es nicht doch einen Durchlaß zu den funktionsjackenbeschuppten Beobachtern gibt. Tatsächlich hübsch sind die sehr beweglichen Flossen, mit denen die riesigen Robben filigrane Blumen, mümmelnde Hasen oder Meeresungeheuer formen können.

Man sitzt und sinniert, überlegt, die Bären freizulassen und ihnen den Weg zu den aufgestellten Bienenkörben zu weisen. Kecke Ziegen hüpfen durch den Streichelzoo, mehr Kinder finden sich nur vor dem Tigergehege, der sibirische Kater selbst aber läßt sich entschuldigen. "Der uriniert", werde ich vom kleinen Schulstreber belehrt, "the call of nature!" denke ich und mache es bei nächster Gelegenheit der bedrohten Tierart gleich. Eins sein mit der Kreatur, zurückfinden zum animalischen Ich, sozial interagieren wie die munteren Gesellen auf dem Affenfelsen. Mein Rrrroooaaarrrr noch heiser, leiser als das Gezeter der Pavianrabauken. Aber schöner als Odin allemal.

Ausfallschritt | 20:20h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
gaga - Dienstag, 2. Juli 2013, 00:22
Wenn Wotan (Wuodan... Odin) der Wütende wütet, ist Vorsicht geboten.
Aber echten Rat weiß ich auch nicht.

Ich wollte auch nur mal wieder kommentieren ;-)

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kid37 - Dienstag, 2. Juli 2013, 01:44
Dem Wotan lüstet nach dem Weibe/das unter Wasser weilet
Kreisch, Wotan! Wie die Säge/aus dem HeimWerkermarkt!

Nur zu! Liebliche Leserinnen bestätigen: Das hält jung und frisch! Odin, der nie kommentierte, ist ein Gegenbeispiel.

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kid37 - Dienstag, 2. Juli 2013, 01:48
Kann ich auch! - Nein, kannst du nicht.

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maphisti - Dienstag, 2. Juli 2013, 16:39
Dieses liebe Geschöpf ist aber auch wirklich wie zum Knuddeln gemacht! Wenn man sich dabei nur nicht so nass machen würde!
"Amorphe Massen" haben einfach Charme, so oder so! Dabei kann Strukturloses nicht nur äußerst originell, sondern auch überraschend spritzig sein - und sogar sehr beruhigend! Glas z. B. - so zeitlos schlicht und klar und dabei so dezent ... Unersetzlich.

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kid37 - Dienstag, 2. Juli 2013, 22:15
Beruhigend, verschönernd wie sonst nur nette Kommentare, oder einfach gesund. Solche Formen entspannen das Denken, das zuvor nur Horizontale und Vertikale, korrekte Winkel und Proportion der Gestalt kannte. Wohl dem, der immer ein Glas bereithält. Für Rotwein, Wasser oder Milch. Oder als Spiegel, in dem man sich selber sieht, in Rückenlage durchs Wasser gleitend.

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gaga - Dienstag, 2. Juli 2013, 22:28
Ich finde, Odin sieht irgendwie unheimlich nackig aus. Also nackiger als andere Tiere ohne was an! Nur so ein Gefühl!

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mark793 - Dienstag, 2. Juli 2013, 22:58
@gaga: Fühlte mich im ersten Moment an einen überdimensionierten (und amphibischen) Nacktmull oder dergleichen erinnert.

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gaga - Dienstag, 2. Juli 2013, 23:21
Huch...! Ich hab ja gar nicht gewusst, wie so ein Nacktmull ausschaut, ja geschweige denn, dass es ihn gibt. Ich finde, man braucht fast ein bißchen Mut, um den Wikipediaeintrag zu verkraften. Die Hauttextur erinnert mich auch ein kleines bißchen an Stockfisch. Uiuiui. Da erinnert mich Odin fast noch mehr an eine mutierte Riesen-Nacktschnecke, und die sind ja auch schon sehr - äh - speziell attraktiv.

Aber insgesamt finde ich, dass wir es ziemlich gut hinkriegen, humanoide Vergleiche auszusparen!

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kid37 - Dienstag, 2. Juli 2013, 23:45
Deutlich. Anders als es mir hier gelang.

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gaga - Mittwoch, 3. Juli 2013, 00:39
Obgleich ich den Eintrag seinerzeit gelesen habe und keine technischen Zugangsprobleme hatte, war es mir (aus Gründen der - quasi... "Pietät") nicht möglich, zu kommentieren.

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kid37 - Mittwoch, 3. Juli 2013, 12:51
Vorbildlich! Ich bin ja leider nicht so der Diplomat.

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hora sexta - Dienstag, 2. Juli 2013, 22:44
Ich würde gerne für "welches Tier passt nicht dazu" einen Lösungsvorschlag abgeben. Gibt es etwas zu gewinnen?

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kid37 - Dienstag, 2. Juli 2013, 23:46
Endlich! Das ist wie früher bei der Hörzu, als es auf der Kinderseite hieß, "auf dieser Seite hat unser Zeichner eine kleine Maus versteckt. Könnt ihr sie finden?" Ich wette, Sie sind schon ganz nahe dran. Ich muß schnell was ausloben.

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gaga - Mittwoch, 3. Juli 2013, 00:42
Solche wahnsinnig schwierigen Rätsel finde ich unfair, wenn auch Leser mitmachen dürfen sollen, die nicht überdurchschnittlich intelligent sind!

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hora sexta - Mittwoch, 3. Juli 2013, 00:52
Bis die Frage, wer mitmachen darf, durch den Quizmaster geklärt ist und bis er den Preis aus der Asservatenkammer geholt hat, gibt es noch ein Gutenacht-Spiel: Das Elefantenfoto zur rechten Hälfte abdecken und das Auge als linkes Auge ansehen.

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gaga - Mittwoch, 3. Juli 2013, 01:06
Welches Elefantenfoto?

P.S.
ich kann leider nicht mitmachen, ich hab meine Tage!

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kid37 - Mittwoch, 3. Juli 2013, 12:44
Da steht ein Elefant im Zimmer!

Das ist eine interessante Entdeckung. So abgedeckt, sieht das aus wie ein grauer Ava...tar... du meine Güte! Wo bin ich da gewesen?!?

Wir warten mit der Auflösung bis zur Behebung des Eisenmangels, kein Problem!

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hora sexta - Mittwoch, 3. Juli 2013, 12:55
Ich finde auch diese Geschwulst im linken Bild, die an ein geblümtes Agentenfl Stillkissen erinnert (Frühkindliches Tapetentrauma? Zu viel Heidi gelesen?), sehr beunruhigend.

Das wäre übrigens meine Anwort gewesen. Das Blümeltier da links. Aber ich warte noch mit der Einreichung, solange ich den Preis nicht kenne. Am Ende gewinnt man eine Woche an irgendeinem Strand, wo man sich nur Sommersprossen einhandelt.

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kid37 - Mittwoch, 3. Juli 2013, 17:00
Die Blümeltiere sind sehr unruhig!

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carodame - Mittwoch, 3. Juli 2013, 00:26
Als Kind hatte ich schon diesen Impuls, im hiesigen Zoo den Riegel am Tigerkäfig zurückzuschieben, aber ich fand ihn nie. Mit meinem reizenden Patenkind sollte ich in Hagenbecks Anstalt schlendern und mich empathisch auf irgendeinem Gehegerand(wird es wohl geben?)hin und und her wiegen, mit den Füßen scharren, Staub aufwirbeln und grunzend ein Eis am Stiel wegschmatzen. Oder so. Vielleicht darf ich beiben.

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kid37 - Mittwoch, 3. Juli 2013, 12:51
Dazu einen Arm hin- und herschaukeln lassen, dann gibt es Möhren und Brötchen von den Besuchern. Die sind - ebenso wie die Tiere - schon sehr konditioniert. Bei den Tigern wäre ich erstmal abwartend. Die sind sowieso entweder "auf Klo" oder hungrig.

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