Herr God, Herr Lucifer
Beware
Beware.
Out of the ash
I rise with my red hair
And I eat men like air.
(Sylvia Plath, "Lady Lazarus". 1963.)
Hoffnungen hatte ich schon mit diesem Projekt verbunden, zumal ich Gwyneth Paltrow seit Beziehungen und andere Katastrophen (The Aniversary Party) als Schauspielerin ernster nehme. Zumal Die Glasglocke eines meiner zahlreichen Lieblingsbücher ist.
Zumal ich die amerikanische Schriftstellerin Sylvia Plath für komplex, verrückt und in Person und Werk interessant halte. Seit ihrem Freitod im Jahre 1963 stand die Rezeption ihrer Arbeit immer auch unter dem Versuch einer Suche nach ihrem "inneren Ich, erfüllt von Gewalt und Zorn, das sie unter ihrer scheinbaren Ausgeglichenheit und Effizienz verbarg" (Anne Stevenson über Sylvia Plath).
Wer also ein bißchen Interesse für diesen Themenkomplex besitzt, muß sich darüber ärgern, wie wenig davon dieser Film aufbringt. Er hangelt sich an den hinreichend kolportierten Episoden einer Künstlerehe entlang und sollte vielleicht schon deshalb eher "Sylvia & Ted" heißen. Wir sehen Fragmente und Anekdoten: Wie Sylvia bei ihrem ersten Treffen Ted die Wange blutig beißt, wie sie später aus Wut und Enttäuschung seine Manuskripte im Garten verbrennt, wie sie, die Tochter des deutschen Vaters Otto, am Ende das Gas als Ausweg nimmt.
Wir sehen eine extrem talentierte, extrem engagierte Frau, die literarisches, akademisches und hausfrauliches Leben unter einen Hut bringen will und dabei an ihren Ansprüchen scheitert. Ihr Perfektionismus, ihr Wahrheitsfetisch, ihre skorpionische Eifersucht - in diesem Koordinatensystem bewegt sich diese Film-Plath, über die wir nach diesem Film genau so schlau sind wie vorher.
Ihr Leben, ihre Kreativität, der Prozeß des Kunstschaffens - alles ausgeblendet. Ach ja, sie kritzelt auf ein Blatt Papier, zerknüllt es und wirft es in die Ecke. So sieht er aus, der dichterische Schaffensrausch. Zeitzeugen wie der Literaturkritiker Al Alvarez, der im Film selbst auch nicht allzu gut wegkommt, haben sich bereits vorsorglich von dem Werk distanziert. Der Film klebt am Anekdotischen, geht über seinen Stoff aber niemals hinaus. Er wagt keine Analyse, bezieht keine Position, bietet schicke Bilder (sehr, sehr stimmiges Set-Design) und viel hübsches Zeitkolorit - seiner Hauptperson oder gar dem künstlerischen Werk der Plath jedoch kommt er nicht nahe. Ihre Ausbrüche, ihr symbolisches Ausagieren (der Blutfetisch, die Suche nach dem "verlorenen Vater", der Wunsch nach Inkorporation und "Eins-sein") - alles nur angerissene Szenen einer Ehe, Stoff einer Seifenoper zwei berühmter Künstler.
Und warum eigentlich heißen Filme über Frauen (zumal, wenn sie Ikonen der Frauenbewegung sind) immer "Frida", "Evita" oder eben "Sylvia", die über die Männer aber "Columbus", "Pollock" oder "Picasso"?
Ein weiteres Übel rückt den Film gar in die Nähe einer TV-Schmonzette, denn offensichtlich vertraut er weder seinen Zuschauern noch seinem Stoff: Jedesmal, wenn die Hauptpersonen, immerhin zwei der bedeutendsten Dichter des 20. Jahrhunderts, sich zum Eigentlichen, dem Wort nämlich, erheben, schlägt leider gnadenlos das Gefiedel und Gegeige von Gabriel Yared, der schon den "Englischen Patienten" zerdudelt hat, zu. Der nächste Film dieser Reihe? Ich darf mal raten: "Zelda und Scott".
Sylvia (GB, 2003). Regie: Christine Jeffs.
Ja, es ist schade, daß er die eigentliche Hauptperson nicht zu spiegeln weiß. Vielleicht hätter er gerade dann mehr Chancen.
Ich frage mich allerdings auch, wie man biografische Filme für ein unterschiedlich vorinformiertes Publikum vernünftig umsetzen will. Ein reines Abhaken weithin publizierter Lebensepisoden ist mir jedenfalls zu wenig. Ich bin auch langsam diesen Mythos leid, ein "echter" Künstler müsse sich immer selbst zerstören, führe ein per se tragisches Leben. Das ist dann "Lore"-Roman für herzensschwere Oberschüler und kunstbeflissene Zahnarztgattinnen. (Nichts gegen Zahnarztgattinnen. Ich finde Zahnarztgattinnen toll. Und Zahnärzte.)
Anton Corbijn, Tony Wilson und Deborah Curtis machen sich da zusammen an die Arbeit. Mal schauen, was das gibt.
Also, ich freu mich auf den Film. Hoffentlich gibt es was zu lachen.
Falls Courtney Love tatsächlich dieses singende Huhn spielen sollte, gibts sicher was zu lachen. Ansonsten, naja. (Drauf freuen tu ich mich natürlich sowieso).