Private Life

"You can fuck off with your cameras."
Chrissie Hynde rotzcool, als ob Butter
in ihrem Mund nicht schmelzen würde.

Belästigungen wegspringen lassen wie kitzelnde Blätter, die auf einen zum Reflex gespannten Muskel fallen. Erstmal allerdings werden verspannte Muskeln beklopft: Die blitzeisbedingte Steißlage meiner eigenen kleinen Hinterland-Nation habe ich heute dann doch mal begutachten lassen. Die unfallchirurgische Praxis überzeugt mit Selbstironie. "Laut MOPO", so die Aussage auf der Webseite, residiere man in "Hamburgs häßlichstem Haus" - man solle sich davon aber nicht abschrecken lassen. Eigentlich hatte ich angenommen, selbst in Hamburgs häßlichstem Haus zu wohnen, aber die MOPO war dort ja noch nicht. Drinnen dann alles apfeldesignt und hipstermodern eingerichtet, der Medizinalrat zügig, freundlich, aufmerksam. Angenehm, denn ich kenne auch unfallchirurgische Praxen, die eher wie Feldlazaretts geführt werden. Der kundige Doktor führt allerhand Untersuchungen durch, deren intimere Details ich hier einmal im Dunkel lasse, dann geht es zum Röntgen und ich wurschtel mich in eine Art Blei-Unterhose mit Klettverschluss. Kein Kandidat für eine Fashion Week, aber gleich in mehrfacher Hinsicht die perfekte Unterbekleidung für einen Castor-Transport. Am Ende wünscht er mir für die nächsten Wochen viel Glück, ein Beißholz und den gelegentlichen Griff in die Medikamentenkiste.

Die humpelnde Entschleunigung kommt vielleicht zur rechten Zeit. Je langsamer es geht, desto schneller kommt man raus, jeder Trippelschritt weniger ist ein Schritt mehr in die Freiheit.

Wie hübsch man sich schon entnetzt hat, merkt man, wenn man vom allerneuesten Blogger-Krawall zuerst aus der FAZ erfährt. Aus der gedruckten Ausgabe wohlgemerkt.

Homestory | 23:03h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
cabman - Mittwoch, 19. Januar 2011, 23:42
Gute Besserung, mein Lieber. Wir sollten uns zusammentun, denn die Dinge, die ich nicht kann, können Sie und umgekehrt und gemeinsam schaffen wir dann alles, außer jung und hip sein.;-)

Wassn für ein Krawall? Gibt es die FAZ überhaupt noch? Und ist das alles so wichtig wie z.B. ein gesunder Steiß?

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kid37 - Mittwoch, 19. Januar 2011, 23:55
Zu zweit könnte man auch invalid noch richtig was bewegen.

Krawall? Ich hab nichts gehört. Ich räume gerade die Dunkelkammer auf. Mal wieder was Vernünftiges arbeiten.

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mark793 - Mittwoch, 19. Januar 2011, 23:44
Wie hübsch man sich schon entnetzt hat, merkt man, wenn man vom allerneuesten Blogger-Krawall zuerst aus der FAZ erfährt.

Tja. They don't make shitstorms like they used to...

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kid37 - Mittwoch, 19. Januar 2011, 23:59
Alle in alle Richtungen zersprengt. Ich denke, Blogs haben die dritte Stufe erreicht: Nach kindlicher Neugier und Anarchie, den Jahren der Pubertät mit ersten Lieben und ersten Trennungen, nun das Erwachsensein. Revolution fällt aus, Grillabende mit den Nachbarn sind aber noch drin.

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kristof - Donnerstag, 20. Januar 2011, 12:39
"Das Erwachsensein"? Bitte? Das aktuelle Beispiel spricht nicht grad für Erwachsensein. Da mag man z.Zt. gar nicht an vorderster Front mitlesen, da ist sogar FAZ noch besser ...

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kid37 - Donnerstag, 20. Januar 2011, 13:02
Ich verstehe das eher entwicklungsgeschichtlich für unser kleines Genre. Sie sind quasi ganz vorne dabei, verheiratet und mit schickem Anzug, andere hinken halt noch etwas hinterher und sind ganz fasziniert von den Haaren, die ihnen plötzlich überall wachsen. Und was den "Krawall" angeht - den muß man ja förmlich suchen. Man stelle sich vor, was vor 2006 gewesen wäre.

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kristof - Donnerstag, 20. Januar 2011, 15:31
Ach so, ja. Ich fühle mich auch schon ganz schön alt :D

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g a g a - Donnerstag, 20. Januar 2011, 00:24
Als alte Indianer und Hobby-Schamanen wissen wir natürlich, dass es sich bei jeder sehr plötzlich auftretenden Krankheit um einen beschleunigten Initationsvorgang in Richtung der nächsthöheren Entwicklungsstufe handelt (vgl. Mircea Eliade, Schamanismus und archaische Ekstasetechnik). Im Grunde ein nicht zu unterschätzendes Privileg. Man darf aber nicht so laut darüber sprechen, die Leute sind dann auch schon manchmal neidisch.

Hier übrigens ein in Fachkreisen intensiv diskutierter Beitrag dazu.

(Auszug: (...) "aber auch an seiner ausdrucksfähigkeit und seinem ganzen gehabe merke ich einen schritt nach vor. schön ist das - vor allem, da die zeit der krankheit immer ein bissi mühsam ist" (...)

Gut, aber das wissen Sie ja alles längst.

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kid37 - Donnerstag, 20. Januar 2011, 11:47
Wenn ich jetzt nur noch so weit laufen könnte wie ich auf einmal denken kann! Seit der Stimulation meines Steißbeinchakras komme ich gehörig voran. Also derzeit noch nicht so richtig, aber das sind die Transformationsschmerzen. Bissi mühsam alles. Aber läuft.

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zeilensturm - Donnerstag, 20. Januar 2011, 14:51
Hässliche Häuser
Unfallchirurgie? Kid37-Haus? Ihr wisst ja gar nicht, was hässliche Häuser (gerade auch in Hamburg) sind, bevor Ihr hier gewesen seid: http://www.zeilensturm.de/?cat=6

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kid37 - Freitag, 21. Januar 2011, 21:58
Duelle der Giganten! Und so viele deprimierende Beispiele.

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