Erlebnisreisen: Wasser, Sport, Kultur



Die guten Ratschläge Tucholskys ("...verlange von der Gegend, in die du reist, alles: schöne Natur, den Komfort der Großstadt, kunstgeschichtliche Altertümer, billige Preise, Meer, Gebirge – also: vorn die Ostsee und hinten die Leipziger Straße") im Ohr, stieg ich täglich in meinem rotgestreiften Badeanzug in die Fluten, ordnete Wellen und spielende Kinder in adrett gescheitelte Reihen, warf wasserscheuen Hunden die Bälle zurück an den Strand und verzehrte jeden Tag ein gut ausgeklopftes, aber sandiges Käsebrot.

An trüberen Tagen entdeckte ich das Geländeradfahren für mich. Über Stock, Stein und Baumwurzeln ging es getreu dem Motto "Don't be gentle - it's a rental" mit dem Leihrad über schlammige Waldpfade an den Jagdrevieren ehemaliger Nazigrößen vorbei, flog ich mit wehenden Rockschößen über Bodenwellen und -dellen, klingelte teuflisch Fußgänger auseinander wie aufgescheuchte Weiderinder und blieb dabei immer schön im Takt mit dem eigenen keuchenden Atem, während die ringsherum naturgeschützten Tiere des Waldes sich ihren Teil gedacht haben mögen.

Die Kultur, auch das, schwitzte sich in diesen künstlerkolonisierten Breiten aus allen sandigen Poren. Den Rückweg zum Bahnhof über hörte der Busfahrer laut eine erbauliche Schlager-CD. "Hinter den Tränen wartet die Sonne", trällerte eine Frau Fischer, während der Bus seine Schleifen durch die Dörfer zog. Auch daß das Herz der Sängerin wie ein Bumerang sei, der immer zurückkehre, blieb eine nicht unverkündete Behauptung. "Publikum noch stundenlang/wartete auf Bumerang" ergänzte ich im Stillen, Ringelnatz zu Hilfe holend, just als wir an der "Erlebnisgastronomie Daddeldu" vorbeifuhren, wo für den Abend schon die Resopaltischchen bereitet wurden. So manches Herz wurde ja schon über Steilküsten verweht, von Schnüren gekappt wie ein verlorener Lenkdrache. Aber dafür fährt man ja in den Urlaub und geht in kalte Fluten tauchen. Alles ein Erlebnis. Brot & Regenschirm nicht vergessen.

Ausfallschritt | 15:00h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
monolog - Mittwoch, 15. September 2010, 16:26
Wer einen guten Badeanzug besitzt, braucht keinen Regenschirm.

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kid37 - Mittwoch, 15. September 2010, 20:06
Das stimmt. Gerade dort an den Stränden trugen viele ihren Anzug einfach überm Kopf.

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lorilo - Mittwoch, 15. September 2010, 21:11
Aber dafür fährt man ja in den Urlaub.

Genau. Und wenn man sein Herz nicht in der Nähe von Kuttel Daddeldu verlieren sollte, ihm nachwinken, wenn es über die Wasser davonschwebt, wo denn dann?, das fragt man sich ja.

Man bekommt ja sofort Lust und Sehnsucht loszufahren in die wilden Gegenden; Sie sollten mal überlegen, was mit Schreiben zu machen, wenn Sie groß sind. Also so kleine, garstige Reiseführer*.

(*Wie jener, in dem sich zur Stadt Saarbrücken damals die wunderhübsche Anmerkung fand, das wäre eine Stadt, durch die eine Autobahn führt, die - wenn man keine der Ausfahrten nähme (wovon mehrfach abgeraten wurde) und somit stur bliebe - einen garantiert nach Frankreich brächte, was das einzig Positive der erwähnten Stadt sei. Ich kann das so auch bestätigen und muss sagen, mir wäre bei früherer Lektüre jenes weisen Führers einiges erspart geblieben.)

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kid37 - Donnerstag, 16. September 2010, 16:36
Missmut-Reisen - Reisen mit Regenschirm wäre sicher noch eine weitere Geschäftsidee. Es gibt ja diese "Öde Orte"-Führer durch den Harz und die weiten Marschen Niedersachsens. Vielleicht kann man gezielte Touren an diese gemiedenen Orte anbieten, entsprechende Kommentare inklusive.

(Das erinnert mich an mein Projekt: Moseltour. Gleich noch mal notieren.)

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fishy_ - Freitag, 17. September 2010, 10:52
Es freut mich über alle Maßen, dass Sie den Koffer gepackt und gesunde Seeluft geschnuppert haben :) Ich delektiere mich an den Berichten. Macht Lust auf mehr & Meer. Wenn ich ehrlich bin, bin ich schon lange heiss auf die Taschenbuch-Ausgabe von "Unterwegs mit Herrn kid". Die kann ich dann mit in den Urlaub nehmen.

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ladys smock - Freitag, 17. September 2010, 12:51
Sehen Sie: nicht nur ich habe solche Gelüste ;-)

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kid37 - Freitag, 17. September 2010, 13:05
Sie haben sich doch alle abgesprochen. Vielen Dank , jetzt bin ich gehemmt. Sicher fragen sich jetzt manche, wie macht er das nur, diese vielen Reisen, die Arbeit auf der Werft, dazu der Fabrikjob und dann noch ein Blog? Nun, ich halte mich fit:


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fishy_ - Samstag, 18. September 2010, 14:14
Um die Stiefelchen beneide ich Sie. Überhaupt sieht Ihre Sportkleidung ungemein bequem aus...

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gaga - Sonntag, 19. September 2010, 15:53
ich freue mich immer über jedes aktuelle Foto!

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kid37 - Montag, 20. September 2010, 16:18
Rund und gesund. Die Kleidung stammt aus dem Fachgeschäft für Leibesertüchtigung. Korrekter Sitz in allen Lebenslagen!

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hora sexta - Freitag, 17. September 2010, 13:21
Ich muss jetzt erstmal nachdenken, wie Weider-Inder in so einer Landschaft sich ausnehmen.

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kid37 - Montag, 20. September 2010, 16:16
Die schönsten Trennungsgeschichten hat ja Herr Giardino<>.

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vert - Freitag, 17. September 2010, 17:00
*

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kid37 - Montag, 20. September 2010, 16:15
So schnell tauscht der Mann Friedrich gegen Leipzig. Schöne Ergänzung.

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c17h19no3 - Sonntag, 19. September 2010, 16:49
ach, schön. da muss ich demnächst auch mal wieder hin - zudem ich mindestens drei paar ungenutzte gummistiefel besitze, mit denen ich könig daddeldu und die rentner-gang verzücken könnte.

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kid37 - Montag, 20. September 2010, 16:14
Hoffentlich Overknees. Für die Zeit, wenn uns das Wasser bis zum Hals steht.

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