Moi'n'Mirroir

Während ich in der Umkleide vor diesen Spiegeln, in denen man sich in einem die feinsten Falten enthüllenden Licht gleichzeitig von allen Seiten sehen kann, Rockerposen einstudiere, ein beschwingtes Luftgitarrensolo als Begleitung zur kompressorgezähmten Jugendagitationsmusik in den Ladenlautsprechern beisteuere, dann aber in eine Arnold-Pose zurückwechsle, die ich aber doch nicht genau beurteilen kann, weil ich zum Glück und Selbstschutz auch die Brille abgenommen hatte. Mehr gibt es zum Hosenkauf nicht zu sagen.

Auf dem Weg zum Lebensmittelmarkt liegt auf einem kleinen Flecken Grün seit Wochen nun ein totes Kaninchen. Erst hatte ich es fotografiert, frisch von einem Auto erwischt, aber super intakt, nur ein wenig naß vom Regen und der Aufregung. Mittlerweile, man merkt die mangelnde Anteilnahme in diesen vergessenen Stadtteilen - und ich als Chronist darf die Wirklichkeit ja nicht verändern -, ist dem armen Tier ein wenig die Luft ausgegangen. Selbst ich möchte es nicht mehr fotografieren, obwohl sich sicher eine interessante Zeitrafferstudie hätte machen lassen. Ein weiteres 365-Tage-Projekt, von denen es auf Flickr nur so wimmelt. Daily Bunny, eine Studie in De/Komposition. Diesem Hasenartigen erklärt keiner mehr die Kunst, würde ich heute diagnostizieren, aber mal schauen, was in den nächsten Wochen noch so wird. Manches insgeheim schon Aufgegebene hat sich ja auf wundersame Weise zurückviviert, mit zagendem Puls und flackernder Hoffnung.

Muß man aber zeitig aufstehen, den Tag, den Zug, den Schuß nicht verpassen. Early to bed, early to rise, makes a man healthy, wealthy and wise. Ich habe lange genug antizyklisch gelebt, um zu wissen, daß das stimmt. Ich schaue jetzt aber niemanden direkt dabei an.

Homestory | 11:13h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
nnier - Mittwoch, 18. November 2009, 11:50
Es bleibt einem immerhin
das transduktive Denken: Alle Hasen haben Fell. Dieses Ding da hat Fell. Also ist es ein Hase.

Oder eben: Wenn ich spät ins Bett gehe und nicht healthy, wealthy and wise bin, dann heißt das, na, Sie wissen's ja.

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kid37 - Mittwoch, 18. November 2009, 17:56
Ich wurde heute ermahnt, nicht mit höherer Logik zu argumentieren. Ich versuche es jetzt mal wieder emotional-assoziativ. Betrübliches Wetter auch gerade, ich könnte glatt in eine Stimmung kommen.

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mifasola - Mittwoch, 18. November 2009, 18:11
Wenn Sie doch schon beinahe in wetteranaloger Stimmung sind: Eine kleine Beerdigung nebst Zeremonie wäre doch da eine passende Aktivität.

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kid37 - Mittwoch, 18. November 2009, 22:35
Nein, nein. Ich schrieb ja oben bereits: ich als Chronist darf die Wirklichkeit ja nicht verändern. Als Dokumentarist muß ich szenische Distanz bewahren.

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mifasola - Donnerstag, 19. November 2009, 11:00
Chronistenpflichten können in der Tat eine Last sein.

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monopixel - Mittwoch, 18. November 2009, 18:09
Ein Hase ist ein Hase ist ein Hase
aber vielleicht wären Ihre Fotos der Tiervergänglichkeit auch etwas für die Strychnin Galerie, wobei ich mir jetzt nicht sicher bin, ob ohne Punkt und Pinselstrich eine solche bildnerische Leistung überhaupt Akzeptanz finden würde. Inhaltlich sicher schon.

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kid37 - Mittwoch, 18. November 2009, 22:41
Als junger Mensch hat mit Greenaways ZOO ("Ein Z mit zwei Nullen") sehr beeindruckt. Wenn ich meine eigene Filmarbeit fleißig fortsetze, bin ich bald reif für Strychnin. (Mein Mentor ist jetzt im Moma!)

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derherold - Donnerstag, 19. November 2009, 01:53
"... weil ich zum Glück und Selbstschutz auch die Brille abgenommen hatte. Mehr gibt es zum Hosenkauf nicht zu sagen...

The belly of an architect ? *duckundweg*

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kid37 - Donnerstag, 19. November 2009, 11:55
Sie müssen sich nicht nur die Erde als eine Kugel vorstellen.

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kid37 - Donnerstag, 19. November 2009, 01:13
Zeitfenster. Das ist es wohl.

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