Save my Screen



Auf dem Monitor meiner Werkbank in der Fabrik habe ich einige dunkel gestaltete Bilder als Screensaver laufen, die den sensibleren Gemütern unter den Kollegen ab und an ein wenig befremdlich erscheinen. Daher habe ich neuerdings Fotos von Cate Blanchett oder Gwyneth Paltrow daruntergemischt - ich kann die beiden Schauspielerinnen oft nicht auseinanderhalten, außer wenn sie sich Kate Winslet nennen. Cate Blanchett (oder Gwyneth Paltrow), die in Historienfilmen auch schon mal Tilda Swinton spielt, trat ja auch in dem beeindruckend designten Retro-Sci-Fi-Abenteuerfilm Sky Captain and the World of Tomorrow auf, der quasi ganz auf einem Heimcomputer produziert wurde. Na ja, jedenfalls fast. Ein wenig.

Wer den Film kennt, wird in diesen Fotos so etwas wie Vorläufer sehen. Ein wie surreal inszeniert erscheinendes Kinderspiel, man möchte an ein Theater denken, so grausam und unbedacht, reflektierend - nicht reflektiert - wie solche Spiele eben sind. Der Franzose Leon Gimpel, ein Pionier der Farbfotografie, stieß 1915 in Paris auf eine Gruppe Kinder, die in ihrer Straße den Krieg wie gemalt nachspielten. Ein skurriles Grand Guignol mit Fantasieuniformen, aus allerlei Materialien zusammengebasteltem Kriegsgerät, den "Boches" als klar definierte Feinde - es war die Zeit vor den blutigen Cowboy-und-Indianer-Schlachten, die spätere Kindergenerationen nach dem alltäglichen Schulschluß erbittert beschäftigten. Erst hielt ich es für Szenen aus einem neuen Film von Jean-Pierre Jeunet. Dann fragte ich mich, wo sind diese Spiele eigentlich heute? Werden Pfeil und Bogen noch aus mühsam errungenen Zweigen geschnitzt? Oder wird die Bundesrepublik im Hinterhofhindukusch verteidigt, und wer das kürzere Hölzchen gezogen hat, spielt diesen Nachmittag die Taliban? Sitzen die wirklich alle vor dem Computer oder im Uni-Vorbereitungskurs für hochbegabte Grundschüler? Verdächtig wenig Kreidezeichnungen zieren die Straßen und Bürgersteige in meinem Viertel. Vielleicht sind aber auch die bereits institutionalisiert und in museale Bahnen gelenkt.

Mehr Bilder der "Grenata-Armee" von der Ausstellung im australischen Campbell.

via WurzlTumblr

Augenzucker | 14:28h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
kid37 - Mittwoch, 12. August 2009, 14:58
Achso, nicht, daß es jemand mißversteht: Natürlich hat Gimpel für die Fotos "Regie" geführt, aber das soll jetzt nicht den Zauber nehmen.

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kaltmamsell - Mittwoch, 12. August 2009, 17:07
Dann werde ich Ihnen wohl befehlen müssen, Tilda Swinton zu vergöttern. SWINTON!
http://gofugyourself.celebuzz.com/go_fug_yourself/cat_801/

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kid37 - Mittwoch, 12. August 2009, 18:54
Tilda Swinton ist ja in jeder Hinsicht groß, ohne Frage! Unglaublich auch in "Young Adam", einer meiner Lieblingsfilme mit ihr.

(In "Elizabeth" allerdings wurde sie von Cate Blanchett gespielt.)

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kid37 - Mittwoch, 12. August 2009, 22:09
Dazu der Gefundene Satz:
Kinder spielen nicht mehr auf der Straße, sondern werden handverlesen von ihren Eltern verabredet. Es gibt keine Banden mehr [...].

(Tanja Stelzer, "Ich will doch nur spielen". Zeit Magazin, Nr. 32.)

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ana - Donnerstag, 13. August 2009, 15:39
Herr Kid, Sie haben vielleicht keinen Hinterhof. Auf der Straße spielen hier auch keine Kinder, aber im Hof sind sie, sogar manchmal pflastermalenderweise, bei mir noch zu Gange. Ich krieg sogar die kleinen Streitigkeiten, die im Hof oder von Balkon zu Hof zwischen ihnen geführt werden, mit. Manchmal versucht eine Mama zwischendurch zu schlichten. Ach, Lisa... sei doch...

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vert - Donnerstag, 13. August 2009, 16:00
da muss man sozialisationstheoretisch trennen zwischen "verhäuslichter kindheit" (zinnecker) und "verinselter kindheit" (zeiher). was aber wohl häufig hand in hand geht. nur eben nicht auf die straße.

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kid37 - Donnerstag, 13. August 2009, 17:21
Hinterhof schon. Und (selten!) entdeckt man auch mal Zeichen und Bilder aus der Kreidezeit. Manchmal liegt ein vergessener Roller und ein Schüppe auf dem Weg, wenn ich abends nach Hause komme. Das freut mich immer, es ist ein Zeichen, daß es lebt. Aber über Detektivbanden oder Indianerkriege ist mir leider nichts überliefert.

Herr Vert, ich kenn ja nur Rousseau und Montess... also nicht so schrecklich viel. "Verinselte Kindheit" ist ein schöner Begriff. Hat jetzt nichts mit dem Thema zu tun, denke ich, aber ich habe mal jemanden kennengelernt, der auf einer Hallig aufgewachsen ist. Sehr netter, ganz entspannter Typ.

Sie wollten aber alle noch die tollen Fotos loben.

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vert - Sonntag, 16. August 2009, 03:06
ohja, die fotos! die sind natürlich fantastisch.

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