Heute morgen mittag erst einmal in Ruhe gebruncht. Brunch ist Frühstücken für Leute, die zu spät wach geworden sind, und eigentlich das englische Wort für "verpennt". Nach so einer Woche darf das aber mal sein. Ich möchte über meine Woche nicht sprechen. Unter der Dusche, also noch sehr deutlich vor zwölf, summte ich Fehlfarbens "Paul ist tot" - und zwar auf Kölsch. "Du jehst mit d'm Kelllner/Un isch weiß ens jenau waröm" (Kölner und andere Angehörige der ripuarischen Sprachfamilie mögen mir meine Schwächen mit der rheinischen Transkription verzeihen). "Was isch ham well/Das kriech isch eso nich/Un' was isch ens ham kann/Das jefällt mer nich" usw. Was erst ein Witz war, ging mir dann aber den halben Tag nicht mehr aus dem Ohr, führte mich jedoch zu einer weiteren tollen Idee: Joy Divison op Kölsch! "Leev werd uns eso usenand'r dreeve"
Lorens! Wenn man jetzt Dieter Bohlen wäre Zeit und Energie für so einen Quatsch hätte - man würde schnell ein Album aufnehmen und sozusagen Nouvelle Vague mit ihren Bossanova-Versionen alter New-Wave- und Post-Punk-Klassiker schön alt aussehen lassen. Ich gebe diese prima Idee aber einfach weiter - und zwar frei und umsonst! Junge Leute da draußen - macht was draus, Erwähnung auf dem Cover reicht, ich kann wirklich nicht alles selber umsetzen, was mir unter der Dusche einfällt.
Das Land hat seinen Bundespräsidenten wiedergewählt, acht Milliarden Menschen feiern in der Hauptstadt 60 Jahre ein Papier, das man im 61. kaum noch wiedererkennen wird, wenn es so weitergeht. (Deswegen schreibt man das von altersher auch besser auf Steintafeln.) Die Flucht heißt bekanntlich Konsum & Unterhaltung: Später im Elektrogroßmarkt habe ich ein kleines Kulturpaket (Mein kleiner Dussmann) zusammengestellt. Die Verkäuferin schaut kurz auf das Cover der Who's next und wünscht mir einen schönen Abend damit; ich glaube, sie hat Geschmack. In der TV-Abteilung haben sich Menschentrauben vor der HD-ready-Wand gebildet und schauen die Premiere-Konferenzschaltung. Das TV-Bild dieser Geräte ist nach wie vor erstaunlich schlecht, aber Cottbus macht erstaunliche Dinge, den Berliner Europagroßmachtträumen wird die Luft rausgelassen (Global denken, lokal handeln!), Gladbach ist durch, Wolfsburg schießt das 4:1 (Endstand 5:1), und viele tragen ein Grinsen auf dem Gesicht. Es gab schon enttäuschendere Endtabellen. Darauf vielleicht ein Kölsch.
Um ein Produkt zu kaufen, das es nur dort gibt, wage ich mich in den Lebensmittelgroßdiscounter. In der Fahrradabteilung schlägt mir ein beißender Geruch von Gummi, Lösungsmitteln und polydingsvergenändernden Zyklo-Aromaten entgegen, daß es mir die Schleimhäute zusammenzieht. Wie kann man dort arbeiten? Ein Monitor quatscht mich an in einer penetranten Lautstärke, die man sonst nur aus der U-Bahn nach einem HSV-Spiel kennt. Ein Gerät wird da angepriesen, mit dem dieses oder jenes einfacher, praktischer, geldsparender und... ich drehe entnervt die Lautstärke runter. Eine Regaleinräumerin schaut kurz zu mir rüber, und ich glaube, sie hatte ein Lächeln im Gesicht. Das Produkt, das ich eigentlich wollte, war ausverkauft. Dafür habe ich plötzlich lauter Quatsch im Wagen. Garnelen, Käse mit Brennesseln, solche Dinge.
Vor dem Laden ist ein kleiner Marktstand, ich kaufe Spargel aus Wolfsburg der Region, und überlege auf dem Nachhauseweg, wie wohl "Veronika der Lenz ist da" auf Kölsch klingen würde. Schlimm, ich habe das immer noch im Ohr.
und nächstes mal nehmen sie den spargel aus dem rheinland, direkt vom feld.
dann ist alles gut.
(der vollhorst war leider unvermeidlich ob der penetranten konurrenz, dafür ist fortuna aufgestiegen, das ist doch was...)
Ansonsten soll ja "Who's next" angeblich deren bestes Album sein. Ich bin mir da nicht so sicher, bzw. bin da nicht so wählerisch. :-)
Ich hätte noch vor einiger Zeit meinen Original Jackson Pollock an der Wand darauf verwettet, dass ich mich niemals mit dem Vfl Wolfsburg freuen könnte. Aber jetzt!
Cottbus bin ich gleichsam phylogenetisch verbunden, daher großes Aufatmen. Zumindest vorerst. Aber krönend wäre dieser Tag nur gewesen, wenn Hertha und Stuttgart gewonnen hätten und Bayern somit im UEFA-Cup spielen würde. Leider kann man immer nicht alles haben.
"Leev werd uns eso usenand'r dreeve" - Vielen Dank, ich habe sehr gelacht. Innerlich.
Bei der Gelegenheit, kennen Sie die Geschichte des Covers von „Who’s Next“: Auf dem Rückweg von einem Gig passiert der Bandbus bei Sheffield zufällig die abgebildete Schlackenhalde mit dem seltsamen Monolith und der Bandfotograf meint, daraus könne man doch vielleicht ein Coverbild machen. Gesagt, getan. Monolithen sind wegen Kubricks „2001“ damals sehr angesagt. Jemand kommt auf die Idee mit dem Anpinkeln, aber so früh am Morgen gelingt das nicht jedem, also wird Wasser mit Filmdosen herbeigeschafft und ausgeschüttet (lt. UNCUT 10/2001).
Ohrwürmer neigen ja zur penetranten Klammerhaltung, aber zum Glück ist die Idee einer Kölsch Division heute wieder von mir gewichen.
natürlich auch für öffentliche fußballübertragungen...