Erleben gehen




Für eine Berliner Produktionsfirma schreibe ich gerade das Treatment meines langerwarteten Drehbuchs "Kleines Herz auf großer Reise"1. Ein Waisenkind beschließt... usw. usf. Das ist alles ziemlich aufregend und spannend, und ich höre schon die ganze Zeit im Kopf das Gefiedel der Degeto-Musik, die sich wie eine üppige Schicht Leichtmargarine über die goldgelbgefärbten Landschaftsbilder legen wird.

Am meisten gelacht habe ich immer bei den kleinen Abenteuern am Rande der ganz kleinen Straßen. Tiere werden ja immer gerne genommen, weshalb in meinem Drehbuch eine prominente Rolle auch ein kleiner Hund besetzen wird. Manche albernen Witze würde ich natürlich im Rückblick nicht mehr so albern reißen oder sie zumindest nicht ganz so selbstgefällig wiedergeben, aber in so einen Freitagabendfilm packe man ruhig alles rein, rühre es kräftig unter.

Läuft schon. Und der Rest versendet sich. Gewöhnen muß ich mich an die, die mit einem Bein innerhalb, mit einem Bein außerhalb stehen. Auf dem T-Shirt steht: Wir sind im Team. Also in allen. Die Gepflogenheiten des Systems, wenn drüben, Musik im Studio B, die Scheinwerfer vielleicht heller leuchten. Die Rücken sind biegsam, alle gute Freunde und Herzblut kommt in Ampullen aus der Requisite, es ist am Buffet genug für alle da. [Drink doch ene met, stell dich nit esu ann, ein Branchenproblem übrigens.]

What goes in, must come out. Heute morgen, die U-Bahn-Treppen hinauf, die ältere Frau, die einen großen Pappkarton an einem Griff trägt, wie einen Koffer. Der Schriftzug eines Hygieneartikelherstellers prangt auf der Seite, darüber in groß, sehr groß: "Blasenschwäche im Griff". Wie witzig Designer sein können. Das muß unbedingt rein in den Film, das Leben nämlich.

"Nach einer Überlegung des Publizisten Harry Pross drückt sich Macht und Herrschaft auch darin aus, in welchem Umfang jemand die Lebenszeit möglichst vieler Menschen okkupiert; real, indem er Menschen beispielsweise in Kriege schickt, oder - was heute kraft der Massenmedien wesentlich effektiver ist - indem er das Bewußtsein der Menschen mit bestimmten Vorstellungen und Gedanken besetzt."2

Als agitatorisches Medium genutzt, kann der Film, genauer: dieser Film, also "Kleines Herz auf großer Fahrt" nämlich, die Menschen aufrütteln, beschäftigen, das Handeln und damit das Sein verändern. Natürlich ist dies eine Frage von Macht und Herrschaft, aber es dient ja einem guten Zweck. Denn dieses Waisenkind... Ein ehemaliger Star aus der "Schwarzwaldklinik" spielt vielleicht mit, so weit sind wir in den Gesprächen noch nicht. Sicher habe ich auch schon zuviel verraten, man schweigt in der Branche, streut falsche Fährten, es wird soviel geklaut, man muß sein Wasser halten und redet besser von Projekten, wichtigen Projekten und denen, die von Herzen kommen. Die Dreifaltigkeit des Projektewesens. Die Inhalte indes gründeln tief wie verliebte Fischchen im Schlick.

Die weinen nicht, wenn der Regen fällt. Erst sollte der Film "Badlands - Zerschossene Träume" heißen, aber man bedeutete mir, den gäbe es schon und ein solcher Titel passe nicht auf den Freitagabendtermin. Man erlebt sich besser was zurecht. Nicht stehenbleiben, losziehen. Kleines Herz auf großer Fahrt. Ein Knaller.

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1 Titelschutz beantragt.
2 Enno Kaufhold, "Paparazzi: Akteure der Ablenkungsindustrien". Photonews, 11/2008.

Homestory | 18:00h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
iii - Dienstag, 11. November 2008, 19:37
Ich dachte nach dem unteren harmonischen Schwimmduo-Bild gleich an "Findet Emo". Aber "Kleines ♥ auf großer Fahrt" ist auch schön.

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kid37 - Mittwoch, 12. November 2008, 13:10
"Findet Emo" ist ein Film, den ich gern geschrieben hätte. Nachdem die Jobsuche 2009 vielleicht schon jetzt beginnt, könnte ich mich da an ein Exposé machen. Vielleicht ein Fall für B.H. in München.

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curly - Mittwoch, 12. November 2008, 14:44
hach, bei diesen bildern... hatte mir schon überlegt, in der weihnachtszeit in der zoohandlung auszuhelfen. sind so beruhigend, die fischchen...

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kid37 - Mittwoch, 12. November 2008, 17:07
Aber ja. Manchmal glaube ich, Axolotls sind die besten Freunde, die man haben kann.

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kaltmamsell - Mittwoch, 12. November 2008, 15:49
Ich bin ja soooo mit Doris Dörrie (will heißen: habe sie schon mal in Echt auf der Straße in München Schwabing gesehen) - soll ich ein gutes Wort einlegen, ob sie nicht doch mal Fernsehen machen will?

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kid37 - Mittwoch, 12. November 2008, 17:05
Wow! Prima, solche Kontakte brauche ich! Nach meinem Fiasko mit den goldlackierten Versprechen anderer Großstädte ist München vielleicht die Antwort. Nach meinem Erfolg mit "Kleines Herz auf großer Fahrt" wird in der Branche an mir ja kein Vorbeikommen sein, das wird Frau DD interessieren. Und die Fische sicher auch. Ansonsten - Fahrradkuriere werden immer gebraucht. Ich habe viele Eisen im Feuer.

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kittykoma - Freitag, 14. November 2008, 23:37
bitte unbedingt tiere, einige kinder, ganz wichtig ist noch die pampig-pubertierende tochter und, neuerdings en vogue, die resche oma. wenn sie eine bridgefreundin der reschen oma mit dem inkontinenzkarton tatsächlich durch alle abnahmen bringen, dann spendier ick ne pulle schampus. (man muß es den deppen doch auch mal zeigen oder medienmenschen im passiven widerstand...)

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kid37 - Samstag, 15. November 2008, 14:06
Ja, die Formel ist sehr gut beschrieben, aber Sie sind ja, glaube ich, auch vom Fach. Ihr Angebot ist natürlich ungefährlich - auf diesem Sendeplatz wird es sowas niemals geben. Meine kleine Überlegung hat den Hintergrund in einer kleinen Wette, bei der mich eine Berliner Produzentin aufforderte, meine Idee mal vorzulagen, sie würde es sogar lesen ;-) Man möchte nicht sagen, man habe einen "Stoff" entwickelt, aber ich habe da eine nette Idee, nichts was den Rahmen sprengen würde, aber eben auch nicht ganz so doof ist. (Hauptsache, es wird verkauft.) Mal sehen, wenn ich 2009 etwas mehr Zeit habe.

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