Als die Haut jung war, und alles Bewegung



Als ich neulich durch alte Kartons und noch ältere Kisten stöberte, auf der Suche nach etwas, was mir nun bereits wieder entfallen ist, kann also nicht wichtig gewesen sein, da stieß ich auf diese ominösen Dosen. Die stammten aus einer Zeit, in der ich möglicherweise gut gecremt, auf jeden Fall aber als kommendes Talent für den Studenten-Oscar unterwegs war. In den Dosen nämlich fand ich alte Filmspulen wieder - Experimente mit Licht, Schatten und bewegten Menschen, an die ich mich kaum noch erinnere. Die Experimente, die Menschen schon. Oder Studien - als junger Künstler macht man ja immer Studien, oder 24 mal Wahrheit in der Sekunde oder... sowas eben. Nächtliche Autofahrten durch die bergische Metropole waren es wohl oder stummes Gestikulieren an meinem Nouvelle-Vague-Küchentisch.



Damals besaß ich genau diese Kamera, ein russisches Normal-8-Modell, bei dem man ein Federwerk aufziehen mußte, um dann ungefähr 30, 40 Sekunden Drehen zu können. Meine Werke waren ganz dem jungen Godard Truffaut verpflichtet und hießen "Morgenröte eines schüchternen Knaben" (ein semi-pronografisches Werk mit stark autobiografischen Bezug) oder eben "Nächtliche Autofahrt durchs Bergische, wie ein trunkener Russe gesehen". Alles verschollen, und was auf den verbliebenen Spulen sich befindet, erinnere ich nicht. Wer hat denn heute noch einen Normal-8-Projektor? Eben.

Im Gegensatz zur verbreiteten Super-8-Kassette benutzte man speziell perforierten 16-mm-Film (yeah!) auf einer Spule, die nach der Hälfte umgedreht wurde. Nach dem Entwickeln wurde das Material der Länge nach aufgeschnitten und die beiden Hälften aneinandergeklebt - voilà! Normal-8 ruckelte nicht so sehr wie die Super-8, aber weil es halt umständlicher war, setzte sich ähnlich wie die Compact-Kassette gegenüber dem Tonband das neuere System durch.

Manchmal denke ich, man sollte überhaupt viel mehr Filmen, denn die Bewegung hört im Leben ja irgendwann auf. Dann schaut man auf zerkratzte, flackernde Bilder, drauf und durch sie hindurch, und erinnert sich was. Wie ein Schaukelstuhl im Kopf. Vor und zurück, vor und zurück. Die eingefangene Zeit.

Super 8 | 15:15h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
jammernich - Dienstag, 16. September 2008, 15:53
"Morgenröte eines schüchternen Knaben" (ein semi-pronografisches Werk mit stark autobiografischen Bezug)

Großartig...

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kristof - Dienstag, 16. September 2008, 15:58
Hm, anderer filmisch-künstlerischer Ansatz. Ich habe ja damals eher Flugzeugmodelle explodieren lassen. Aber halt auf Super8 dann ...

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kid37 - Dienstag, 16. September 2008, 16:13
Herr Kristof, das war eine freudianische Sublimierung dann, sie haben eben schönere Metaphern gewählt, bei mir war es mehr cinéma vérité. ;-)

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fabe - Dienstag, 16. September 2008, 17:06
jetzt würden wir das natürlich alle gerne mal sehen. können sie das zum youtube hochladen?

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kid37 - Dienstag, 16. September 2008, 17:15
Ich würde das auch gerne mal (wieder) sehen. Oder besser auch nicht. Auch das ist ja womöglich wieder peinlich berührtes Blättern in alten Tagebüchern. (Ihr müßt dieses Bog später unbedingt verbrennen!) Derzeit habe ich leider keine Ausrüstung dafür.

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diagonale - Dienstag, 16. September 2008, 17:10
Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich glaube, mein Onkel hat einen Normal-8-Projektor im Keller. Ich sehe ihn nächste Woche und hoffe, ich vergesse nicht, ihn danach zu fragen. Seine Frau wollte ihn mal los werden ... den Projektor, nicht meinen Onkel.

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kid37 - Dienstag, 16. September 2008, 17:18
Grundsätzlich hätte ich Interesse, ich kann mir aber auch mal einen Betrachter vom Flohmarkt holen. Da gibt es welche, bei denen man zwischen Super-8 und Normal-8 umschalten kann. Soviele Filme sind das nicht, die werde ich nicht mehr unbedingt projizieren müssen.

(Wieso meinen Frauen immer, sogenanntes "Zeug" loswerden zu müssen? Ihr Onkel wird entsetzt aufschreien. ZURECHT!)

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diagonale - Dienstag, 16. September 2008, 17:22
Ich glaube, meinem Onkel ist der Projektor mittlerweile egal. Seine Eisenbahn, mit der er rund um Weihnachten immer mit seinen Enkeln spielt, hat das deutlich höhere Priorität.

Was dürfen solche Dinger eigentlich heute kosten?

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kid37 - Dienstag, 16. September 2008, 17:30
Hier ist eine Liste, zum Teil stehen dort die zuletzt bei ebay erzielten Preise dabei. Ehrlich gesagt, wir bewegen uns meist im Zehn-Euro-Bereich.

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diagonale - Dienstag, 16. September 2008, 17:41
Naja, war kaum anders zu erwarten. Sowas will heute kaum noch einer haben. Die Nachfrage bestimmt eben den Preis.

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c17h19no3 - Dienstag, 16. September 2008, 19:47
ich hatte auch so ein rosa döschen - von fissan. da war meine popo-creme drin. heute ist fissan ja der produzent vom lillifee- und felix-quatsch. da gibt´s keine popelige popo-creme für 99 pfennige mehr. dafür stylisches und teueres duschvergnügen für 4,99€ oder so.
preisentwicklung so ähnlich wie bei kino.

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lady.death1 - Mittwoch, 17. September 2008, 11:32
..das die Filmrolle da rein gepasst hat ..
ich hab die so klein in Erinnerung ...

Ich suche einen Dia Projektor.
Ich hab letztens über zwanzig schuhkisten voll Dias gefunden..
aus den späten 70ern und achtzigern..
ist so anstrengend die gegen das Licht zu betrachten.

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kid37 - Mittwoch, 17. September 2008, 16:11
Ebay ist voll mit so einem Zeug. Meine alte Kamera (die irgendwann den Zenit überschritten und ihre technische Gesundheit auch) ging dort schon für 1,99 weg. Dias machen ziemlichen Spaß - und die Qualität ist meist nach wie vor beeindruckend. Ich kann mich von diesen analogen Prozessen immer noch nicht recht trennen.

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reyamm - Mittwoch, 17. September 2008, 13:59
Ich würde mir ja seit langem von mir selber wünschen dem Thema filmen irgendwie näher zu kommen. Bislang jedoch vergeblich. Ich bin wohl dauerhaft an der "Knipserei" hängen geblieben. Ist auch schön :-)

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kid37 - Mittwoch, 17. September 2008, 16:14
Ich "filme" jetzt wieder mehr - aber eben nur mit meiner Digi. Als persönliches Notizbuch finde ich das super. Ich verfolge allerdings auch keine höheren Ansprüche mehr. Jetzt auch noch als Regisseur eine Weltkarriere zu beginnen... ;-)

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lac - Mittwoch, 17. September 2008, 16:39
ich hüte einen s-8 film wie meinen augapfel.
recht egozentrisch, denn er ist nur über mich. (lief sogar eine nacht in einem programmkino, möchte ich, mal wieder leicht errötend, erwähnen - hach vergangener ruhm)
nur, sehen kann ich den seit ewigkeiten nicht mehr; problem projektor - ich weiß, siehe oben.
aber ich glaube gehört zu haben, daß man diese rollen inzwischen auf cd bringen kann....
das wär doch auch etwas feines für ihre sammlung, oder?

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nnier - Mittwoch, 17. September 2008, 19:36
Auf CD bringen kann und sollte man solche Aufnahmen - als Sicherheitskopie. Aber das eigentlich Schöne ist doch nun mal das Surren der Projektoren, das Einfädeln, das Staunen darüber, was die Menschen sich so alles ausgedacht haben und dass das auch noch funktioniert! (Wenn ich das schon höre: Kamera mit Uhrwerk zum Aufziehen!) Ich hatte auch mal so eine Super-8-Phase, ein wenig Normal-8 war auch dabei, leider nicht mehr als Filmer, aber als Retro-Seher. Projektoren kann man spaßeshalber beim Auktionshaus kaufen und auch wieder verkaufen. Die richtig guten sind von braun, kosten auch heute noch Geld und behandeln das Filmmaterial sehr pfleglich. Derzeit habe ich aber auch nur noch ein Revue-Dings zum Umschalten zwischen Normal- und Super-8 hier rumstauben.

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txxx666 - Mittwoch, 17. September 2008, 19:44
chique fotos - dochdoch, sehr gefällig. so angenehm blässlich...

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gaga - Mittwoch, 17. September 2008, 23:03
Eines fernen Tages wird Opus 37 das Licht der Welt erblicken.

[nur so ein Gefühl]

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kid37 - Donnerstag, 18. September 2008, 16:43
Das bewegte Tagebuch.

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