Ok, Donnie ist wirklich verrückt. Mit Beginn des Films ist Donnies Krankheit gegeben. Ihre Ursachen bleiben im diffusen Hintergrund. Donnie wird medikamentiert, befindet sich in Therapie. Seine Therapeutin ist - nicht untypisch - leicht überfordert. Aber auch nicht völlig inkompetent. Am Ende ahnt sie immerhin die Gefahr.
Ok, Donnie imaginiert einen unsichtbaren Freund. Der ist ein Hase, heißt nicht Harvey, sondern Frank. Der verrät Donnie, daß die Welt in 28 Tagen untergehen wird, pünktlich zu Halloween. Zeit also, noch ein paar Dinge zu erledigen. Bösewichte zum Beispiel.
Ok, „Donnie Darko“, der Film, ist ebenfalls verrückt. Eine verschobene, verschrobene Geschichte, die harmlos beginnt wie David Lynchs „Blue Velvet“. Das Grauen lebt im sonnendurchfluteten Suburbia. Die Sonne scheint, und Echo and the Bunnymen singen „The Killing Moon“. Es ist 1988 in Middlesex, Virginia. (Memo: Synchronizität? Middlesex? Virgin Suicides?) Damit haben wir einen netten kleinen Coming-of-age-Film, dessen Protagonist daran scheitert, seine Initiationsreise ins Erwachsenwerden zu bestehen. Kommt vor.
„Dabei wirkt „Mad World“ wie eine musikalische Madeleine, die Bilder aus der eigenen Jugend hervorruft“, schreibt Harald Staun* in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. (Und in welchem blog habe ich vor ein paar Tagen etwas über „musikalische Madeleines“ gelesen? Alles Proust-Leser hier? Synchronizitäten?) Der Song, der nie auf meiner persönlichen Liste stand, gehört tatsächlich untrennbar dazu. Dennoch ist „Donnie Darko“ kein nostalgisches Drama, kein „Quadrophenia“ für die 80er.
Der Film könnte jederzeit spielen und dann wieder nicht. „Donnie Darko“ ist ein Echo auf die 80er Jahre, weil er das aufgreift, was damals, vielleicht erstmals, das „Lebensgefühl“ hieß. Donnie Krankheit ist die Krankheit der 80er. Das schizophrene Jahrzehnt. Zerrissen, kaputt, immer einen Schritt am Weltuntergang. Die Rede ist natürlich nicht von der unsäglichen, sogenannten „Generation Golf“, sondern der (geburtenstarken) Jahrgänge davor, der „No-Future“-Generation. Jugend und Todestrieb, nur ein scheinbarer Widerspruch in diesem zerrissenen, widersprüchlichen Jahrzehnt. Die Symbole waren das Dreieck, das ZickZack-Muster, die diagonale, zerschneidende Neonröhre. Die etablierte Welt blieb skeptisch – und produzierte ungehemmt noch größere Schizophrenien.
Nato-Doppelbeschluß. Aufrüsten um abzurüsten. Hat man etwas Gespalteneres je gehört? Doppelzüngiges Neusprech wie in Orwells „1984“. Ähnliches Dichotomien durchzogen andere gesellschaftliche Diskurse und Reizthemen wie die Atomkraft (selbst ein Spaltungsprodukt) und Anti-Atomkraft-Bewegung. Harte Bruchkanten, Kalte-Kriegs-Szenarien, Nein-danke-Antwort im Standardrepertoire. Zum Abitur gab uns unser Schuldirektor mit auf den Weg: „Euch braucht man nicht. Ihr seid zuviele.“ Bitte, Danke, Wiedersehen.
Geistig-moralische Wende, und die „Rente war sicher“. Das Jahrzehnt der zynischen Lüge. Das Jahrzehnt des Zusammenbruchs, wenn man den Zusammenbruch des Eisernen Vorhangs und die Wiedervereinigung als Endmarke akzeptiert.
Allgemeiner Sinnverlust, also. Thatcher, Reagan und Kohl: Abbruchbirnen. Ich gegen das System. Die Illuminaten schlagen zurück. Die Zeit der Verschwörungstheorien. Der Synchronizitäten. Robert Anton Wilson. Karl Koch, Hackerkönig. „23“ hat mit Donnie Darko einiges gemeinsam, aus dieser Warte betrachtet.
Fickt das System, hieß, penetriert, infiltriert die Herrschafts- und Lügenstrukturen. Träume oder Datennetze. Steuert oder laßt euch steuern. Alles ist Manipulation, ist Traum. Ein „Tanz der Teufel“, so die Anspielung in „Donnie Darko“. „Und im Gegensatz zu einigen Blumenkindern vor ihnen sind die damals gerne als „Null-Bock-Generation“ bezeichneten Zeitgenossen nicht auf dem Kindlichkeitstrip hängengeblieben, sondern irgendwo am Wegesrand, wundervoll schlecht gelaunt und chronisch zynisch. [...] Im Umgang mit trostlosen Zeiten sind sie geübt: da fängt man wegen einer kleinen Wirtschaftskrise nicht gleich das Jammern an“ (Harald Staun).
Das Problem der Politik mit unserer Generation: Wir haben den Weltuntergang überlebt. Lasst ruhig Turbinen auf unser Haus fallen.
"...and I don't care." (Pistols).
"A nuclear error, and I have no fear." (Clash)
"Vielleicht solltest du dich mal fragen, warum Frauen keine Kinder mit dir haben wollen."
Das ist nicht die Frage. Das ist die Antwort.
Der Film ist Zitatkino. „Donnie und wie er der Welt sah“ (das abstürzende Flugzeug eine Reminiszenz an „Garp“), „Mein Freund Harvey“, der eingeübte Kanon an Horrorklassikern, die David-Lynchianische Entblößung, Abschälung der sauber lackierten Oberfläche bürgerlicher Vorstadtexistenz. Wann konnte man sagen, einen Film gesehen zu haben, in dem Patrick Swayze eine gute Figur macht? Abgesehen von "Waking Up In Reno"?
Noch was?
Ja, Hasen sind wirklich böse. Träume manchmal auch. „And I find it kind of funny. I find it kind of sad. The dreams in which I'm dying are the best I've ever had.“ (Tears for Fears, „Mad World“)
(USA 2001, Regie: Richard Kelly)
(* Harald Staun, „Wer will schon erwachsen werden?“ Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 25.1.2004. Dem Autor möchte ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich für seine angebotene Hilfe für das Finden der Zitate danken. Aber ich habe meinen Zettelkasten aufgeräumt und den Artikel doch noch gefunden.)
PS: Für die Quizfans: "Which Donnie Darko Character Are You?"
(um die antwort neu zu synchronis(z)ieren.)
Erst gerade realisiere ich, dass es ganze Zeit um einen Film namens Donnie Darko ging!
Leseschwäche!
Darko, Brasco ... Namen sind doch Schall und Rauch.