Stimmer, stummer
Die Schablonensprüche, die manchen so unbezahlt aus dem Munde purzeln, das Ach-ich-freu-mich-so-Getue - morgens, abends, immerzu - an den Tagen (und die Nächte, Herr Kid?), an denen bloß feuchter Nebel durch Ritzen und Fugen einen Weg sich bahnt, an denen man Hände sucht für einen kurzen Druck, für den Halt, für die Erinnerung an ein Verlangen, an diesen Tagen soll Stille sein. Das Reflexgerede, der Postkartentrost - ein Schild hängt man raus, auf dem "Keine Werbeversprechen" steht. Ernstes Schweigen, feine Linien ziehen. Heute sehr viel Papier zerknüllt, Worte dem Papierkorb zugeführt. Sie wären zu leise gewesen, immer noch zu leise. Selbst das trockene Rascheln der Blätter klingt lauter unter dem Schritt.
Die leisen Töne zu hören, dafür bedarf es einer Begabung. Wenn die nicht da ist, scheint es mir immer besser, zu Schweigen. Alles andere wäre schlimmer als das.
anudem -
Freitag, 7. November 2008, 16:54
... "das am tiefsten stumme ist es, was der erhabensten sprache bedarf, um es auszudrücken."
gert hauptmann
gert hauptmann
saxanasnotizen.blogspot.com -
Freitag, 7. November 2008, 23:14
War heute auf einer Beerdigung mit einem gemieteten Trauerredner. "unter dem Schritt" stört mich hinter diesen erhabenen Worten.
kid37 -
Montag, 10. November 2008, 00:40
Andererseits gibt es kaum schöneres als bei Herbstspaziergängen mit den Füßen durchs Laub zu schlurfen, alles noch einmal umzuschichten. Vielleicht schweigend, nur den Gerüchen nach, dem Geräusch der trockenen Blätter. Der Schritt auf Beerdigungen ist zu schwer.
Stille muss man auch aushalten können. Manche füllen sie halt lieber mit allerlei Wortgeklingel.
Gut, wenn Sie das nicht müssen.
Gut, wenn Sie das nicht müssen.
»...«
wenn die blätter die gesichtsmuskeln entspannen, wenn sie trocken sind und nicht fluchen müssen, um sich zu entspannen. wieso ist ernst ohne unbehagen oft so schwer?
Sich der "Aussage" giardinos anzuschließen, erscheint mir in Anbetracht ihrer treffenden Worte am besten.
Bisweilen fragt man sich, wann dieser kreischende Enthusiasmus überhand genommen hat, diese immer ein paar Töne zu hoch angesiedelte chronische, etwas blechernde Begeisterung.
nnier -
Sonntag, 9. November 2008, 22:40
Es gibt da diesen Autor namens Peter Richter, der als Ossi zu Wendezeiten in den Westen gezogen ist, und in dessen Buch ich vor Jahren mal eine Szene, ich meine: aus Hamburg, ganz schön beschrieben fand, und zwar das Begrüßungsritual der schicken weiblichen Anfangszwanziger. Ungefähr (aus dem Gedächtnis zitiert) so: "Heyyyyyyyyy!" stürzen sie aufeinander zu, stehen sich dann gegenüber, rufen begeistert: "Naaaaaa?" und haben sich dann nichts zu sagen. Hat mir ganz gut gefallen.
kid37 -
Montag, 10. November 2008, 00:35
Doch, sie sagen: "Du bist meine beste Freuiiindin!" und dann sagt die andere: "Nein, du bist meine beste Freuheundin!" Und dann schaukeln sie sich gegenseitig die Brüste und flechten sich Zöpfe. Und dann wird alles ganz nett und gediegen. Ich glaube, das klingt jetzt ein bißchen gemein, aber ich habe da gerade so ein Bild vor mir.