Sonntag, 20. Mai 2018


Mehr Fisch, bitte



Auch ohne Chips könnte ich eigentlich jeden Tag Fisch essen, manchmal liegt morgens schon auf dem Weg zur Arbeit welcher auf der Straße, der dann wohl nicht frisch aus dem Wasser gehüpft ist, sondern schlicht vom Laster gefallen. Den esse ich natürlich nicht, so wie man generell keine Bekanntschaften auf der Straße knüpfen soll.

Dort sieht es auch nicht schön aus. Eher dystopisch zerrüttet: Als Begleitprogramm zur Royalen Hochzeit sah ich nach wohl 30 Jahren erstmals wieder Derek Jarmans Jubilee. Eine ganz vergnügliche Sause, die in einem England rotten to the core spielt, vielleicht nach dem Brexit. Queen Elizabeth I. jedenfalls spökert in die Zukunft und ist ordentlich schockiert. Es sind einige alte Bekannte dabei, Jordan und Toyah Willcox, Adam Ant in einer kleiner Rolle als Kid und als Straßen-Riot-Gang die Slits mit meiner Freundin Viv Albertine. Die Banshees spielen "Love In A Void" und auch sonst liegt eigentlich alles in Trümmern. Hier noch ein hübscher Ausschnitt, mit dem Großbritannien vielleicht auch endlich mal wieder den ESC hätte gewinnen können. Fröhliches Thronjubiläum! Hoch leben die Brautleute!



Heute dann immer noch ohne frischen Fisch, aber frohen Mutes zur Landpartie. Menschen strömen heraus, pfingstlich beseelt der Sonne entgegen. Ich sage dazu nichts, klingele aber alle aus dem Weg. Kaffee und Kuchen im Landcafé, wo man auf wackligen Monoblockstühlen sitzen muß. (Blümchen-)Kaffee und ein Stück Apfelkuchen kosten zusammen 3,60 €, da hat man als Städter schnell Tränen in den Augen. "Günni", so erfahre ich vom Nebentisch, hatte eine Gallenstein-OP. Alles Gute, Günni!

Jetzt Abendstimmung, Kaffee gibt es jetzt nicht mehr, aber ich hätte noch eine Dose Sardinen im Haus.

Super 8 | von kid37 um 21:04h | 11 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Mittwoch, 16. Mai 2018


Scheuchen



Die beste Entscheidung zuletzt war, den Vertrag mit meinem Telefonanbieter zu kündigen. Ich sah mich ja bereits im Ringelhemd auf einem Acker stehen, um munter tschilpenden Vögeln Zeichen zu geben. Ein trostloser Job am Feldrand der Gesellschaft. Vielleicht bei den Buddenbohms, deren Garten ich am Wochenende besichtigte. Seit der Kündigung aber läuft mein Internet astrein. Toi-toi-toi. Das mache ich jetzt jeden Monat so. Kündigen, aber innerhalb der Frist nicht bestätigen, zack, Internet läuft. Daher ja auch der Ausdruck: den Laufpaß geben.

Der guten Ratschläge sind natürlich in solchen Situationen nicht wenige. Der Mensch will nicht, daß sein Mitmensch in kommunikativer Not ist, manch einer beteuert Verständnis und behauptet, "auch viel im Internet" zu machen, "Online-Banking" z. B. und ich sage, ja, schlimm, wenn man keines hat. Ich solle die Farbe meines Anbieters wechseln, überhaupt, nicht beim Testsieger zu sein, und dann nicht einmal Smartphone, wie alt ich eigentlich noch werden wolle mit dieser nach außen getragenen Altmode.

Wir sind noch einmal davongekommen, möchte man Thornton Wilder nach dieser schweren Prüfung ins Internet hineinzitieren. Davongekommen aber nicht vor der Steuererklärung, die ich dieses Jahr nicht wie sonst traditionell am Tag der Arbeit erledigte. Schwitzen muß ich nun darüber bei Wärme in meinem humiden Dachsalon. Vor dieser Art Datenverarbeitung schützt mich aber keiner. Darum muß ich mich also noch kümmern, und dann dieses und dann jenes. Ihr ahnt es nicht, und nur wenige wissen darum. Ein wenig gescheucht fühle ich mich.

Einige sind mittlerweile schwer krank. Weil wir nicht jünger werden. Ich erinnere mich, wie eine Freundin mal meinte, Menschen die nicht richtig funktionieren, gingen ihr schwer auf die Nerven. Nun, dachte ich wiederum dabei still für mich, bei solchen Funktionsstörungen weiß man immerhin sofort, was drohen würde. So kam es auch. Nicht aber lange ärgern, sofort wegscheuchen und den Laufpaß geben. Neue Verbindungen herstellen, Router resetten. Es läuft dann schon. Läuft es.


 


Samstag, 5. Mai 2018


Scannogram



Die Fotografie mit Scannern ist natürlich nicht neu oder originell. Ganze Weihnachtsfeiergeschichten ranken sich um nackte Hintern und bloßgelegte Brüste, von Händen, Gesichtern und anderen Dingen gar nicht erst zu reden, die auf Betriebsfotokopierern verewigt wurden. Wären Scanner für den Heimgebrauch stabiler gebaut... nicht auszudenken.

Aber der gesammelte Krempel aus meinem Schauraumzimmer läßt sich auch auf filigraneren Geräten gut verarbeiten. Leider habe ich oben im Bild aus lauter Nachlässigkeit für ein Stilleben nicht die richtige Anzahl Gegenstände verwendet, so daß man hier mal fünfe gerade sein lassen muß. Daher stammt ja auch der Ausdruck. Wenn der Maler mal nicht drei oder fünf oder sieben (oder siebenundreißig) Dinge auf dem Tisch plazierte. Dann mußte man es halt mal gerade sein lassen.



Ein bißchen ist das so wie Foodfotografie auf Instagram. Nur, daß ich das Essen nicht von oben, sondern von unten fotografiere. Wartet, bis ich Radieschen habe, dann wird das Konzept klarer. Einfach mal sich selbst und alles auf den Kopf stellen. Still atmen. Alles mal gerade sein lassen.


 


Freitag, 4. Mai 2018


Schau, die Tiere



Manchmal, wenn ich mit meinem alten Fotoapparat in den Zoo gehe, um den Film, der dort seit 50 Jahren einliegt, vollzuknipsen, lasse ich mich von den Tieren inspirieren, um gedankenschwer über philosophische Alltagsphänomene zu meditieren. Wie über Aufplusterung, den anscheinend unglaublich reifen Gedanken, auf Straßen tanzend lauter bunte Sterne zu gebären oder Dinge wie Herdenbildung, Banalapplaus und Spontangegacker.

Wie sehr doch der Mensch zu loben ist, den hier abgebildeten, mit rosafarbenem Kostüm verkleideten Fasanen überlegen zu sein. Also menschlich. Und natürlich sitze ich in erster Linie auf der Bank, weil ich müde bin und nicht etwa mißmutig. Einfach mal ausruhen, weghören, mal wieder mehr richtige Bücher lesen und weniger halbe Gedanken. So wie ich neulich einen japanischen Film gesehen habe, in dem viele Menschen unter auffälligen Umständen (selbst für japanische Verhältnisse) ums Leben kamen, es eigentlich aber um Mesmerismus ging. Darüber könnte man mal einen elektronisch fernsteuernden Vortrag halten. Mesmerismus.

So eine Art Massenbühnenhypnose, während ich dazu muntere Klänge auf meinem Theremin spiele und am Ende alle tanzen, während sie nackt unter ihrem rosafarbenem Federkostüm sind und in Fett gebackene Zuckergußsterne in den Händen halten.

Ich reiche das mal als Vorschlag ein.


 


Sonntag, 29. April 2018


Sich nicht verloren geben



Ich besitze so einen beleuchteten Globus, der bei mir im Studierzimmer steht und den ich abends schon einmal gedankenverloren betrachte und mir denke, wie interessant, wie man so im Halbdunkel sitzt und auf Hamburg starrt, während ich in meinem Zimmer in Hamburg sitze.

Nun lehrt eine höhere Weisheit, daß man die Dinge auch mal von ihrer anderen Seite aus betrachten soll, den ein jedes habe derer zwei, wie Bescheidwisser gerne durch die Gegend trompeten. Oder besser, weil es mir mehr liegt, einfach mal hinter die Dinge schauen, sehen, was dahinter wohl liegt. So drehte ich neulich den Globus einmal herum, und siehe da, Bescheidwisser wußten das wahrscheinlich wieder, tatsächlich ist auf der anderen Seite auch noch was. Ein weiteres Teilstück, noch mehr Informationen und Gewißheiten und Ungewißheiten und Länder und Kulturen, die man betrachten kann, während man aber immer noch in seinem Zimmer in Hamburg sitzt. Wenn diese Erzählung denn stimmt.

A happy love is a single story, a disintegrating one is two or more competing, conflicting versions, and a disintegrated one lies at your feet like a shattered mirror, each shard reflecting a different story... (Rebecca Solnit, A Field Guide To Getting Lost.)

Anfänglich habe ich nur schwer verstanden, worum es in Solnits Buch eigentlich geht, und so wirklich weitergekommen bin ich damit immer noch nicht. Ein wenig verloren bin ich, so scheint mir. Aber es wird mehr und mehr zu einer aufwühlenden Reise, einer interessanten. Durch ineinander verwobene Geschichten hindurch, Erinnerungen an alte Freundschaften und beendete Lieben, einem Haus in der Wüste und das Blau und die Sehnsucht der Ferne. Und wie alte Leben enden und neue beginnen, wie man das eine verliert und sich selbst verliert oder einfach nur für andere verloren ist.

Karten helfen gewöhnlich oder ein Globus, um die Übersicht zu bewahren oder irgendwohin zu finden, wo die Verhältnisse aber keine anderen sind. Sondern gleichsam verloren. Solnit hat einen eigentümlichen Sound, und das ist es, glaube ich, was mir an ihrem Buch gefällt. Man lernt immer was. Von der richtigen Situation oder den wichtigen Menschen, auf die man längs des Weges trifft. Von denen man merkt, sie bringen einem etwas bei, eine Lektion, Wissen über das Überleben in der Wüste, wie man die Angst überwindet oder eine Sprache spricht.


 


Samstag, 28. April 2018


Avenidas



Die Straße, in der ich wohne, ist ja eine der vielen ausgesprochen hübschen Hamburger Alleen, für die ich eine mittlerweile nur noch heimlich ausgeprochene Bewunderung hege. Für den Frühling und seine vielen Feste frisch aufgehübscht, sind dort Bäume sauber aufgereiht, spenden schlanke Schatten in der Sonne und Halt für die zahlreichen Hunde, die dort spazierengeführt werden. Die bewundere ich nicht. Nur die Bäume und die Blumen.

Unten am Deich turnen Lämmer, drumherum Radfahrer wie mich und Flanierende, Caféhausbesucher, allesamt noch nicht ganz so sicher über die Wetterlage. Ob es bleibt wie es ist, wer weiß es schon. Ich sah ein Rotkehlchen, ich sah eine Wespenkönigin, die ein Schlupfloch für den Nestbau suchte. Ich sah eine Entenfamilie, die mit sechs Küken aufs Wasser ging. Ich überlege, ob es schlimm ist, daß die Heizung nicht richtig läuft.

Als stiller Bewunderer tippe ich die guten Meldungen in die eigenen Registerkasse und versuche die Angst zu stutzen wie andere Menschen Baumkronen. Die alles ausradieren, die Blumen, die Rotkehlchen meinetwegen. Ich sage einfach, doch, ja, natürlich. Das ist eine Allee. Ihr habt recht. Ist so auch ganz schön.


 


Dienstag, 24. April 2018


Letztes Aufbäumen



Auf einem meiner letzten Spaziergänge durch die nahe Parkanlage fühlte ich mich ein wenig beobachtet. Nur so ein vages Empfinden, in der Regel ist das ja Quatsch, da war ja kaum ein Mensch außer mir. Bis ein Baum mich ansprach, so verrunzelt vertraulich aus der Borke heraus, er hätte da was, das er mir sagen müsse. Er spräche aus meinem Traum zu mir, richtete er aus und bewegte ein paar Zweige. Ob ich denn auch so Wurzeln schlagen wolle so wie er? Oder ob es nicht langsam mal vorwärts ginge.

Ich erwiderte, wach auf, Alter. Während du hier rumgammelst, nämlich, und mit den Kumpels vom Walde her über tief im Boden verwachsene Pilzfäden kommunizierst, wie die Biologie mittlerweile weiß, ein Wald-Weites-Web eines Hyphengeflechts, den Lan-Kabeln der Natur, bin ich ja aus der Welt geworfen. Mein Kommunikationsanbieter sagt "Oh, oh", also zweimal, der angekündige Techniker der Telekom (oder vielleicht auch eine Technikerin) kommt gleich gar nicht, warum auch, man ist ja Fremdkunde. Und zwar ein ziemich angepißter. Das wiederum konnte der Baum in meinem Traum gut nachvollziehen. Der kennt Hunde.

Ich aber wachte auf aus schweren Träumen - und hatte kein Internet mehr. Oder Telefon. Oder irgendwas. Ein Freund tippt diese Zeilen vom Stenoblock. Ich starre auf blinkende grüne Lämpchen mit maliziösem Lächeln. Vielleicht, denke ich, war dieses "Online" auch nur eine Phase. Vielleicht soll das Leben etwas anderes sein.