Sonntag, 18. Mai 2014


Die schöne Stadt



Wie schwierig das alles geworden war. Wie unbeholfen. Wenn man andererseits von Menschen, die in einer eisernen Lunge liegen und Achttausender besteigen, liest, sollte mir der flugzeuggestützte Aufstieg in 33.000 Fuß doch im Sitzen gelingen. Parole also: kleine Schritte neu lernen, den Sprung vom Fünfmeterbrett wagen, bei dem Tod nicht droht, wohl aber der Verlust der Badehose. Ist aber nur eine Metapher, gibt auch keine Bilder.



Die schöne Stadt aber rollt ihre weichesten Landebahnen aus, im Gepäck allerdings habe ich schlechtes Wetter dabei. Jenes aber, also das Gepäck, bleibt erstmal unauffindbar. In aller gottverlassenen Frühe nämlich gestartet und nun in entspannte Stimmung gehüllt, verfalle ich am neuen Terminal ein wenig ins Bummeln. Die in Edelstahl gefaßten Toilettenräume bewundern, mir vor den großen Spiegeln die Reisekrawatte nachbinden, Haare ordentlich kämmen, solche Sachen. Am Gepäckband kreiselt nur ein einsamer Koffer, fast möchte man ein klagliches Fiepen hören wie von einem Tier, das an einer Autobahnraststätte vergessen wurde. Es war aber nicht meiner, der tut so was nicht. Der Flug ist noch angeschlagen, Menschen allerdings keine zu sehen, was ich mir vorerst damit erkläre, daß im Frühflug fast nur Geschäftsreisende mit Bordgepäck saßen. Nach vorsichtigem Warten, warum gleich Alarm schlagen und Notrufscheiben einschlagen, verschwindet hoffnungserlöschend der Flug aus der Anzeige, sogleich aber kombiniere ich tapfer wie weiland Nick Knatterton alle Gegebenheiten durch. Man könnte ja mal fragen!, befinde ich und bin kurz darauf mit einer freundlichen jungen, aber bartlosen Österreicherin (damit sind diese Witze dann auch abgehandelt) auf dem Weg durch die Katakomben Schwechats, in Lagerräume, in denen sich wenige Menschen nur verirrten, dafür aber zwei Koffer, darunter meiner. Ganz schön schnell sind die geworden beim Gepäckausladen!



Freundschaftlicher Empfang dann mit Kuchen und herzlichem Lächeln, so als hätte ich eben einen Schlagergrandprix für das Land gewonnen (um doch noch einmal eine Anspielung auf das künstlerische Thema der Woche zu machen). Man muß sich den Herrn Kid als einen glücklichen Menschen vorstellen, wie er wenig später dann sitzt in seiner kargen hinterhoftristen Kemenate am Naschmarkt, dort, wo es die besten Zutaten für Käsebrote aller Art gibt.


 


Sonntag, 11. Mai 2014


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Tentakel | von kid37 um 14:04h | 3 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Donnerstag, 8. Mai 2014


Oben am Hafen, wo die fliegenden Fische schlafen




Ach. Wenn nun ein kälterer Winter käme, kälter als alle Winter je zuvor, hätte ich gegeignetes Schuhwerk gefunden. Bis dahin aber könnte ich dem Allwetter (Regen, Nebel, Warum & Sonne) trotzen und eine große Reise antreten im charmanten Anhänger.

So jedenfalls die Versprechen am Wochenende, als ich beim überschaubaren Flohmarkt an der Hanseatischen Materialveraltung war. Dortselbst, in der Nähe der Oberhafenkantine, werden nun Set- und Dekorationsreste von Theaterinszenierungen und Filmdrehs verwahrt, kleine Teile auch, aber auch viel sperriges und zu großes für einen kleinen Mann wie mich. Interessant und eine hübsche Idee, auch wenn die Schauware jetzt nicht uber-spektakulär war. Von Schuhen, für die ich bekanntlich ein gehobenes Interesse hege, einmal abgesehen. Vielleicht machten sich die auf dem Bild auch gut als Hausschuhe. Falls mal Gäste kommen - was allerdings unwahrscheinlich ist.

Wie vertreibt ein früh ergrauter Mann wie ich also sich allein die Zeit, mag man fragen. Wir schauen dazu auf diesen kleinen Symbolfilm, der sowohl anschaulich das Interieur meines kleinen Leuchtturms wiedergibt als auch die eher beschaulichen Beschäftigungen, mit denen ich meine stilleren Abende in einen nutzbringenden Seelenfrieden überführe, freilich ohne dabei eine Miene zu verziehen (denn Internet ist dann solange aus): Knit with Wit mag zuvorderst die Strickbloggerinnen unter meinen virtuellen Bekanntschaften elektrisieren. Allen anderen sei versichert, ich kann auch scharfe Sachen in meinem bescheidenen Heim.

Genug der Werbung, ich bekomme noch nicht einmal Geld dafür. Alles für die Kunst, sage ich. Und einen gut gestrickten Pullover.


 


Samstag, 3. Mai 2014


Too many protest singers, not enough protest songs



Auf den monotonen Kilometern meiner Fahrradausflüge zwischen Deichen und dem großen Nichts stellt sich oft eine gewisse entspannte Rückbesinnung ein. So fiel mir ein, als ich auf einen kleinen versteckten finnischen Club traf, wie ich wie so viele damals meine künstlerische Laufbahn einst in kleinen Etablissements als sogenannter "Liedermacher" und "Prostestsänger" begonnen hatte. Mein Erkennungshit, der die Leute regelmäßig mitriß und auch ein wenig zum Nachdenken brachte, lautete: "Beim Bau der Pyramiden starben Leute/Doch was ist heute?/Doch was ist heute?". Ein anderes ging nach einer beschwingt-fröhlichen Marschmelodie: "Gruppense-hex mit Klaus und Liese/Es geschah auf einer Blumenwi-hiese" (die letzte Strophe hatte eine kleine Pointe, die ich extra eingebaut hatte, damit die Leute gleichzeitig aufgerüttelt, aber auch belustigt werden: "Gruppense-hex mit Klaus und Peter/Ja, das kann doch jeder/Denn die Li-hiese entpuppte sich als Fiese/..." usw. usf. Ihr bekommt einen ungefähren Eindruck.)

Fast wäre ich damit sogar auf das Folkfestival auf Burg Waldeck eingeladen worden. Aber wie so oft im Leben mußte ich mir mal wieder selbst Knüppel zwischen die Karrierebeine werfen. Ich dachte, als Protestsänger die Leute auch mal querdenkerisch provozieren zu müssen und wagte es doch tatsächlich, eine elektrische Gitarre einzustöpseln. Da war aber was los! Es gab Tumulte im Publikum und Pfiffe, einer rief "Judas!", und leider war ich damals nicht cool genug, rotzig "Lügner!" zurückzurufen und den Zuhörern meinen neuen Zound einfach unbeeindruckt mit einer radikalen Version von "Beim Bau der Pyramiden" entgegenzudröhnen.

Selbst noch nicht ganz reif hinter den Ohren, denn das war ja früher, dachte ich, gut, dann eben nicht. Ich weiß ja, was ich sagen will. Ihr müßt dann halt unaufgerüttelt bleiben und dumm sterben. So ging das dann auch los mit der Schlagermusik, zu der ich mich umorientierte, weil ich ja Geld verdienen mußte und mir nichts besseres zur Dumm-sterben-Begleitung einfiel. Aber gut, ich soll nicht immer so viel von mir erzählen. Ihr habt sicher auch was Interessantes erlebt.

Es geht also am Ende darum, sich immer wieder neu zu erfinden, um weitermachen zu können. Dazu sind Erinnerungen gut, denn durch sie kann man die Vergangenheit besser verstehen. Und wenn manche reden, ach, Vergangenheit, das ist so 90er - die muß man reden lassen, die machen es sich bequem. Anders die Künstlerin Gemma Green-Hope, die eine kleine, sehr anrührende Videohommage an ihre Großmutter Elizabeth (genannt "Gan Gan") machte, mühe- und liebevoll animiert aus vielen Fotos und allerlei Alltags- und Erinnerungsstücken.

Ist nämlich - und das betrifft die Zukunft! - bald Muttertag. Damit ihr es nicht vergeßt.


 


Donnerstag, 1. Mai 2014


How utterly, utterly surprising!



In der Sonne sitzen, die Reste bedenkend, erste Tests durchführen für weitergehende Bewerbungen. Fight the future, jedenfalls die, die Monsanto, Google und die Agentur für Arbeit für uns vorgesehen haben. Das Ergebnis des ersten Persönlichkeitstests fand ich nicht überraschend. Man muß einfach nur die Wahrheit, die bekanntlich in einem selbst (und auch in dir!) liegt, angeben.

Statt im Knopfloch stecken rote Nelken am heutigen Tag tatsächlich in meiner Vase. Aber die Geste zählt, wie so oft im Leben. Auf dem leeren Frühstücksteller ziehe ich Kornkreise mit Brotkrümeln nach - in Erwartung weiterer Antworten, weiterer Fragen und wieder von vorn. Abends am Hafen sitzen und dabei Molværs Khmer hören. Ein Album, das mich auch schon jahrelang begleitet. Ein fiebriges, kleines Monster.

Bei Ebay von einer sich selber für superschlau haltenden Flitzpiepe 10 Sekunden vor Schluß, just als ich gerade die Hände zusammenklatschen wollte, überraschend überboten worden. Das ist die Wahrheit da draußen: Traue niemandem! Dabei hatte ich mein Limit bereits recht hoch angesetzt. Nachher dachte ich, daß mir die hübsche Sache mehr wert gewesen wäre. Das aber ist falsch: Man muß vorher wissen, was einem eine Sache wert ist. Immer.


 


Samstag, 26. April 2014


Rundlockermachen



Letztes Wochenende bereits ließ ich die Arbeiten an meinem neuen Roman Vorbestrafte der Liebe ruhen, um ein wenig über Land zu fahren. Der Kreuzbube fährt ja durch Flandern, das ist mir zu weit. Mir fällt dazu aber, es ist das 100jährige Jubiläum, Siouxsie and the Banshees' heiteres Poppy Day ein ("In Flanders fields/the Poppies grow"). Hier ist das alles so selten geworden.

Neulich bereits Anradeln, so ist es ja nicht. Nun die größere Runde, also elastische 35-Hollandrad-Kilometer am Strafgefängnis entlang, weiter zum See und am Yachthafen und am Olympiastützpunkt vorbei, an der Dreieinigkeitskirche zurück den Bogen durchs Naturschutzgebiet und zwischen all den Gärtnereien und den teilweise hübsch angerosteten Gewächshäusern hindurch. Auf einem einsamen Pfad am Entwässerungsgraben kreuzt eine fast schwarze Ringelnatter den Weg, windet sich ins Gestrüpp an der Uferböschung. Grußlos. Schönen Dank, kann ich auch.

Überall, wir sprechen noch über die Ostertage, aufgeschichtete Holzhaufen für das abendliche Burning-Igel-Fest, knisterndes Kokeln und zur heidnischen Feier verklärtes Gartenmüllverbrennen. Bis dahin Sonneninfusion, dabei ganz monoton werden im regelmäßigen Tritt. Nebenbei, zufällig wie ein Steinpilzfund, ein kleines Haus am See entdeckt. Nur durch den Radweg vom Ufer getrennt der schöne kleine Garten, der sich an die hintere Veranda kuschelt. Das kaufe ich dann, wenn ich mit dem Buch fertig bin, das zum Bestseller auferstehen wird.


 


Sonntag, 20. April 2014


Keinfellhase



Frohe Ostern ruft das Memento mori, Karwoche vorüber, Fastenzeit vorbei nun also zurück zu den harten Getränken hartgekochten Eiern. Draußen in Büschen und Wäldern pulsiert es, Fülle regnet ins Alte Land, junge Mädchen auf Fahrrädern radeln in kurzen Kleidchen der nächsten Blasenentzündung dem nächsten Abenteuer entgegen.

Entkernte Pudel liegen auf Sonntagsspazierpfaden, der Wind weht dem einen schon Sommernachtsphantasien heran, andere halten sich im wetterdichten Parka bedeckt. Auf der aufgespreizten Skala im Radio die Auswahl zwischen Klassikprogramm, "Streitkräfte und Strategien" und den dicksten Eiern der 89er, 90er und von heute.

Auf der Fensterbank der vertrocknete Strauß aus der Vorfrühlingszeit, jetzt also Batterien tauschen, Blumen tauschen, Blut austauschen. Auf den Wanderpfaden juxen alte Männer im sportlichen Übermut, eine Jugend ohne Jugend steht staunend dabei. Ich mach mal langsam, aber voran.