Dienstag, 3. Dezember 2013


Girls on Film

Ich bin ja ein großer Fan von diesen Fashion Filmen, die im Grunde nichts weiter sind als bewegte Modestrecken, produziert von Indie- aber auch großen Labels, oft recht frei in ihrer Gestaltung und teilweise sehr künstlerisch. Also artsy für uns Szenebengels.

Wie z.B. Holy, einen Fashion-Film, den ich vor einiger Zeit unter ganz anderen Namen mit Frau Gaga gedreht habe. Fingerübung. Die meisten Fashion Filme sind vollgelumpt mit Krempel aus dem Hipsterbedarf, altem Spielzeug, noch älteren Kameras, Schreibmaschinen, Kochrezepte. Zelebriert wird unsere Neoretro- und Retroneo-Faszination für das Handgemachte, diese Do-it-yourself-Etsy-und-Dawanda-Kultur, wo junge Sommerkleidchenmädchen Bands gründen und elfenkreativ sind, Künstlerinnen allesamt, die Jungs derweil feingerippt mit Straßensportarten beschäftigt, und sich das Leben insgesamt in federleichten Wolken abspielt. (Neu ist das natürlich nicht, erinnert sich noch jemand an diese uralten C&A-Werbespots?)

Die Sache mit den Fashion Filmen ist bereits so zum festfabulierten Genre geronnen, daß es bereits sehr, sehr hübsche Parodien darauf gibt. Die sich aber wiederum auch nur als der nächste Dreh in Sachen Imagefilm herausstellen: Fashion Film von Viva Vena!. Sehr amüsant. In allen Details.


 


Sonntag, 1. Dezember 2013


Weiterwackeln



Es rumpelt ein bißchen auf und ab durchs Gelände, man kommt sich ein bißchen vor wie ein berühmter Generalfeldmarschall und Afrikakämpfer. Fronten an allen Seiten des Wüstensands und dazu nicht so schöne Nachrichten aus der Heimat. Gut, das ließe sich sicher auch unverfänglicher verbildlichen. Oder mit einem lebensbejahendem Strindberg-Zitat aufhübschen. Aber warum.

Frau Sorge ruft mich auf diesem Mobilpiepser an, dafür sind die Dinger immerhin gut. Vom Rote-Hand-Brief hatte ich schon gehört, vorsichtshalber zählen wir die drei verbliebenen Leukolymphodingsdazellen durch. Sind aber jetzt schon wieder vier, ich sage: weitermachen. Aus dem pschyrembligen Füllhorn habe ich ja breit zugegriffen, ein Konsilbefund dazu ist ganz launig formuliert. Von der Enttäuschung über vorbehandelnde, nur "fragmentarisch" urteilende Kollegen ist die Rede. Ich - ganz Hiob - werde als "geplagt" bezeichnet, was mir ausgezeichnet gefällt. Die sieben und dreißig Plagen des Herrn Kid! Ein Lehr- und Erbauungsfilm für den Schulunterricht, demnächst bei Bibel.tv. Geplagt. So ein schönes Wort.

Wunsch für das neue Jahr: Lieber solch ein Füllhorn. Ich will auch nur gucken.


 


Freitag, 29. November 2013


Der schwarze Blitz

Bleiben wir gedanklich im schönen Österreich. Der Winter naht, schon manche Zeit hat man das Gefühl, Eissplitter lägen senkrecht in der Luft, ein Geruch stellt sich ein von erstem Schnee und bäckchenfrischem Frost.

Und Wintersport. "Zum Skifahren fahre ich sowieso ohne dich", verkündete mir, Jahre ist es her, einst unbekümmert eine Freundin. Na Servus, Gruezi und Hallo, dachte ich erstaunt. Das ist ja mal ein starkes Stück. Konnte besagte herzerfrischt vor sich hincharmierende Dame doch gar nichts ahnen über meine Stand- und Schußqualitäten auf den Brettern, die vielen eine eisige Welt bedeuten. Dabei sind Kinder aus dem Bergischen, die sozusagen nur zwei Zugstationen von Winterberg und dem Kahlen Asten aufgewachsen sind, geborene Lords of the Boards. Als König der auch zur inneren Bindung allzeit Bereiten bin ich ein wahrer Wunderwedler, ein Pistenpflug, ein Skihaserlschreck und Salonslalomlöwe. Ein Hansi Hinterseer der Blogger-Loipe.

Und einmal, das ist auch nur wenigen bekannt, bin ich eine Olympia-Bobbahn zu Fuß und fröhlich pfeifend hochspaziert. In Berchtesgarden war das. Gut, und es war Sommer. Und möglicherweise nicht erlaubt. Sowieso: Genau genommen weiß ich alles, was ich über das Skifahren weiß, vom "schwarzen Blitz". Dem Sailer Toni nämlich, ein g'sund schauender Wirbelwind auf zwei Brettern, der in kühner Rasanz die Filmleinwand entlanggerauscht kam und mit einer kecken Kehre und weißbezahntem Lächeln vor einem feschen Hüttenmadl zum Stehen kam, um eine Limonade zu erbitten. Im November geboren, wußte er, daß nur das Herz einer Frau im Winter wärmen kann. Aber welche wählen, wenn es heißt Zwölf Frauen und ein Mann - und nur zwei eine dabei Ringelstrümpfe trägt? Man versteht mich selbst hoffentlich besser.

Ein Mensch, der Toni jetzt, ehrlich und heimatverbunden, die Ferne konnte ihn nicht locken, das hatte er probiert. Aber danach wußte er: Am Fujijama blüht kein Edelweiß. Nur manchmal, an Sonntagnachmittagen, kam er auch zu uns in unser Fernsehgerät, um mich zur Skigymnastik zu ermuntern. Da sah man, daß er auch ein Musikant war, so wie ich. Und er sauste durch den Schnee, fröhliche Menschen hinter ihm drein, als seien es Twitter-Follower. Und dabei spielte er, ganz glückberauscht, auf seinem Bandoneon. Wie hier, als Schwarzer Blitz. Und die Resi hat ihn zum Skifahren nicht sitzen lassen. Die fuhren quasi Hand in Hand.

Ist aber auch schon tot. Der Toni.


 


Samstag, 23. November 2013


Meine Schuld, meine Schuld, meine große Schuld

Wo meine Wunden waren/
spüre ich das Wetter

(Kreisky, "Halleluja")



Selten, daß es schon zu Augenrollen kommt, noch ehe ich einen Beitrag geschrieben habe, aber tatsächlich ist es so: der Champion, der hot woas gschofft, aber natürlich nicht nur Fans. Austrofred jedenfalls, der in seinem Heimatland als einzig legitimer Nachfolger Freddie Mercurys gilt, hat zwei wegweisende Bücher geschrieben, die jedem aspirierenden (und, um in der Stimmlage zu bleiben, wie es bei uns Künstlern heißt, auch transpirierenden) Blogger mit Unterhaltungs- und Aufstiegsambitionen auf den Nachttisch empfohlen seien.

Vor allem Alpenkönig und Menschenfreund schildert auf großzügige und beinahe übermenschlich philantrophische, gleichzeitig aber bescheidene Art, wie man das eigentlich macht: ganz nach oben kommen, ehrliche Konzerte geben und angemessen mit der Wärme und Aufmerksamkeit der Fans (was dann zwangsläufig kommt) umgehen. Tips also zur Vorbereitung, zum Outfit, zur Show und zur Aftershow, für den steinigen Weg bis zum "Gipfel" - aber auch ganz aufrichtige und selbst im Innern berührende Bekenntnisse wie in dem Kapitel "Ich war als Kind viel traurig..."

Der Champion, wie er zurecht genannt wird, hat sein Publikum gezähmt, ist Profi durch und durch, zugleich aber hochsensibel geblieben: Weu du stoiz bist, wenn du wanst, und di trotzdem zuwelanst, drum wü i di... heißt es in einem seiner Liebeslieder. Da bleibt kein Auge trocken. Ich rechne noch in Schilling sagt es, wie es, äh, ist.



Jetzt aber Schmäh beiseite, was mich wirklich am durchgeschwitzten Hemdkragen gepackt hat, war die Entdeckung der anderen Seite meines verlorenen Zwillings vom Austrofred. Mir hat natürlich wieder keiner was gesagt, dabei gibt es die Band schon seit Jahren. Kreisky nämlich. Und für jemanden, der die diversen, teils sogar in Berlin lebenden Ableger der Hamburger Schule nur noch so lala findet, ist das die große Offenbarung einer angenehm mißmutigen Mission. Alben wie das hier titelgebende Mein Schuld, meine Schuld, meine große Schuld nehmen an der Stelle, an der in den 90ern Bands wie Blumfeld die Abzweigung zur Autobahn Großschlager genommen haben, die rumpelnde Landstraße mit Pathos, Dreck und Wiesenblumen am Straßenrand. Neigungsgruppe Musik mit jeder Menge schlechter Laune. ("Schlechte Laune vom Feinsten", wie man heute wieder öfter liest.) Texte, bei denen jede Zeile ein Zitat ist. Wo man denkt, hallo, wie kann das angehen, daß da jemand meine Band gründet? Nur weil ich jahrelang hier herumgegondelt bin statt auf verschmuddelten Bühnen? Macht aber nichts, denn es gibt diese Gruppierung nun immerhin, und mein Asthma ist jetzt praktisch weg.

"Brüssel" ("Du hast jetzt neue Sichtweisen") könnte man für mich auch durch den Namen anderer Städte ersetzen, Berlin käme da in den Sinn, kommt alles aufs selbe raus. "Reggae-Platten und Zimmerpflanzen/Schade um das Geld" heißt es dort über das desillusionierte Ende übertriebener Romantik. Man muß das eben alles ganz nüchtern sehen. Wir reden hier über Restwürde. Im Januar erscheint das vierte Album Blick auf die Alpen. Hört sich an wie ein Jahresmotto.

Wo wir dabei sind: Franz Adrian Wenzl, um den handelt es sich, hat mit Fotografin Conny Habbl das ganz wunderbare Buch Herzbrech Hotel herausgebracht. Eine fotografisches Roadmovie durch Hotels und Pensionen mit Namen wie "Angst" oder "Zorn" oder "Zweifel". Für die, die noch ein Geschenk suchen. (Ich hab's aber schon.)

>>> Kreisky, Die Menschen sind schlecht (live)

Radau | von kid37 um 21:23h | 22 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Freitag, 22. November 2013


November, 22.



Ich habe den Fernseher rausgestellt für Coma White, denn heute jährt sich eine berühmte Autofahrt zum 50. Mal. Ein Lied für troubled teenagers, wie aus der selbstgestörten Zeit gefallen. Ich werde es eines Tages für meine Senioren-Goth-Band covern. Wenn uns Pfleger die gebrechlichen Arme halten, damit die Alten sich ritzen können. Vor Kummer und die zugigen Ecken in den Unterbringungsstätten. Die Beautiful People werden sich draußen die silberverkleideten Nasen an den Scheiben plattdrücken. Im wohligen gezapruderten Schauder. Geht aus der Schußlinie, junge Leute. Ein oder zwei von euch müssen die Magic Bullet überleben, um davon zu künden.

Ja, auch hier darf es mal nicht ganz so lebensbejahend sein. Wie heißt es im Lied? "Auch ein Surfer-Boy darf einmal weinen". Die Verschwörungstheorien übrigens wurden in einer bekannten US-amerikanischen TV-Serie (ich komme später noch darauf zurück) alle aufgeklärt. Die Wahrheit da draußen unter den Menschen kann so simpel und erschreckend sein, da braucht es keine Außerirdischen.

Tentakel | von kid37 um 22:22h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Donnerstag, 21. November 2013


...

Wir müssen die Welt vom Benzingeruch befreien. Erkläre ich Menschen, die nur noch für ihren Nachruf schreiben.

Wir sangen Texte, die wir nicht verstanden. Und hielten uns Tiermasken vors Gesicht. Eine Leberwurst.

Im Schwedischen gibt es das Wort Pysseltips. Das hat etwas mit Handarbeiten zu tun, woran man sieht, wie schön doch diese Sprache ist. Pusseln statt Gewehre durchladen, antworte ich.

Im Wintergarten sitzen, im Buch der Sieben und Dreißig Wollüste blättern. Ein Geheimnis ahnen.

Den Gedanken säuberlich die Haare kämmen, das Knacksen des Plattenspielers versteckt hinter der wuchernden Zimmerpflanze. Gut seht ihr aus, summe ich. Ganz proper.

Wie zwei Kinder, die vor einem Gebüsch kauern, sich einander an den Händen haltend. Einem Tier beim Sterben zuschauen.


 


Montag, 11. November 2013


Korblandschaft



Noch ist Zeit, da sammeln sich schon Körbe. Notfalls kaufe ich doch ein Axolotl. Die sind immer gut gelaunt und lächeln, wenn man abends nach Hause kommt. In dieser Disziplin zuletzt Rückschläge. Vom Rücken her. Erst wieder Taucherflossengang - patsch, patsch, patsch. Dann am Samstag, nach einem kleinen bedarfsbedingten Ausflug mit dem Einkaufskorb, die Ente die Treppe hoch. Demut lernt man, wenn man am Ende der Leiter auf allen Vieren in die Wohnung kriecht. Was andere vielleicht als Sexspiel machen, ist meine Übung für eine weitere Karriere als Slapstickkünstler. Nennt mich Buster Kid.

So ein Wochenende geht aber auch vom Sofa aus. Zeitschriftenstapel, der Monat hat gerade erst begonnen, Zehenwackeln, mäßige Filme sehen, Arzttermine in Kalender übertragen. Schon aber auch ein wenig eingesperrt fühlen. Aufräumen im Zellentrakt. Böden geputzt, was tatsächlich schneller geht, wenn man die Brille vorher abnimmt. Kein Wischiwaschi, sondern Zackzack. Zeit ist endlich.

So endet dann morgen auch dieses Projekt von Miranda July. Bei We Think Alone konnte man sich auf einen Verteiler eintragen und erhielt dann immer montags eine Mail von Miranda July, in der sie zu bestimmten Themen Mails aus ihrem Bekanntenkreis gesammelt hat. Das war anfangs recht merkwürdig, wenn ich montags in mein Postfach schaute und dort sah, daß mir Miranda July geschrieben hatte. Nämlich Mails von Klaus Dunst seine Tochter Kirsten und Lena Dunham und ein paar Künstlern, die ich auch erstmal nachschlagen mußte. Triviales Zeug, Unverständliches oft, manchmal Witziges. Aber es ging ja auch um den spontanen Moment, aus dem "Gesendet"-Ordner etwas zu einem Thema herauszufischen. Am besten gefielen mir die Beispiele zu "an angry mail". Diese sehr US-amerikansiche Art, Wut auszudrücken. Kritische Mails an Freunde zu schreiben und die Kritik darin so gewunden und gestelzt und politisch korrekt auszudrücken, daß man für einen Moment geneigt ist, es für Lob zu halten. Oder einen Antrag.

Hohe Schule des Körbchengebens. Ich bin ja mehr so für klare Worte. Ja oder ja. Vor dem Be-Denken erstmal A-Sagen. Morgen früh zum Beispiel muß ich zum Zahnarzt.