Samstag, 13. April 2013


Mono no aware



Am Ende fehlte ihm die Kraft. Am Ende konnte seine weiche, weiße Decke die unter ihr krauchenden Wucherungen nicht länger halten. Am Ende verloren auch die letzten mit ihm die Geduld, wünschten den Abschied herbei, begannen, selbst die Zeit zu manipulieren, ihm zu zeigen, daß seine abgelaufen sei.

Am Ende wich er, wie das Kraftlose immer weichen muß. Er gab auf, verging, schmolz förmlich hinweg vor unseren Augen, stumm sterbend, von wenigen nur vermißt.

Jetzt wird kommen ein regnerischer Frühling, dann folgt bald schon die Zeit des Monsuns, wenn die drei Wochen Sonne im Juni vorüber sein werden. Sturzbäche werden zwei oder drei Monate alles ertränken, dann aber ist bereits wieder Herbst, die glückliche Zeit.

Bis dahin kann ich ein wenig das Spazieren erlernen, ganz wie der Spazierende Mann, dieses konzentrierte, detailreiche Werk von Taniguchi, das die im Großen ereignislosen Wanderungen eines Mannes durch seine Stadt beschreibt, wie er das kleine Links und Rechts streift, seinen Hund umherführt, den kleinen Dingen zuschaut. Wem es jetzt schon vor dem Sommer graut, mag in Ein Zoo im Winter Zuflucht suchen. Für die ruhigen Wochenenden, wenn das Geschrei einmal Pause haben soll.

>>> Geräusch des Tages: Blondie vs. Philipp Glass Heart Of Glass


 


Mittwoch, 3. April 2013


Junge Mädchen im Schnee, mit Chucks

Strenggenommen gehörten in so ein Post-Blog-Blog ja 4:37-Min.-lange Beiträge zum Thema "Stille", also leere Eintragsfelder über die staunenerfüllte Groteske dieses zum Winter gemendelten Frühlings. Junge Damen in kurzen Röcken entpuppten sich als Bildstörung, denn in Wahrheit trugen sie helle Jeans zu dunklen Jacken. Sie stehen auch nicht barfuß im Schnee, sondern in den leichten Turnschuhen einer US-amerikanischen Marke.

Sie sind vielleicht inspiriert von meiner einst ganz erfolgreichen Jugendbuch-Trilogie (Lotte reißt aus, Lotte boxt sich durch und Lotte kehrt zurück - auch bekannt als "Lotteleben"-Reihe). Darin unternimmt die Heldin eine längere Bildungsreise, kreuzt durch die Südsee (ohne dort freilich Königin zu werden) und hat eine Begegnung mit den Gaffern, was man heute aber nicht mehr sagen darf. Der Verlag schrieb die Passage in Lotte boxt sich durch in "Leute vom Stamme der Betrachter" um, was aber nicht alle Kritik verstummen ließ.

Die Szene, als Lotte ihr Pony schlachten mußte, um sich und einen ihr untergebenen Gaffer Typen vom Stamme der Betrachter durch den harten Südseewinter zu bringen (das ist da so wie hier), wurde ebenfalls vom Verlag gestrichen. Feige Einknicker. Es hätte so viel zu lernen und vermitteln gegeben. Mich wundert nicht, daß Frauen heutzutage kaum noch Hausschlachtung beherrschen. Außer zwei oder drei, die ich kenne. Backen ist auch so ein Thema. Knöpfe annähen... ich sag' nichts mehr.

Nun ist es ja so. Während man im Alltag natürlich aus reiner Höflichkeit nicht allen auf die Füße treten, Empathie für die Belange und Schwächen seines Nächsten zeigen und überhaupt hübsch freundlich bleiben sollte, kann all dies ja nicht Aufgabe der Kunst sein. Die macht ja Dinge, die glaubt man nicht. Mitunter bohrt sie einem in unangenehmer Aufdringlichkeit wie ein Fremder in der Nase.

Auf der anderen Seite dieses verdrehten Frühjahrs habe ich in einer mir selbst etwas fremden Regung ein Ding mit Emily Blunt. Eine Schauspielerin, die ab und an aus der sonnenuntergangsgetränkten Seeligkeit ihres Privatlebens auftaucht, um unverfangenen Nonsens für die Öffentlichkeit zu machen und dabei immer extrem trinkfest aussieht. Cello spielt sie auch, sogar im Winter. Wißt ihr das jetzt auch.


 


Donnerstag, 28. März 2013


Wie ein nasser Sack

Ältere kennen diesen Anblick aus der Badewanne. Wie aber erklärt man Kindern, daß dieser Sack Prachtbursche (links im Bild) Hamburgs häßlichstes Walroß und neuer Star bei Hagenbeck ist? Die Boulevardzeitung berichtet von verängstigten Kleinkindern, denn "Odin", so der Name des rosafarbenen Nacktmulls, sehe nicht nur aus wie eine eingelegte und entfärbte Knackwurst, sondern singe auch wie eine Kreissäge. Das aber schön laut, ein Zeichen von innerer Zufriedenheit und dem Wunsch, die Damen für sich einzunehmen. So jedenfalls ein Sprecher des Tierparks.

"Antje", das alte NDR-Maskottchen und mittlerweile wohlpräpariert in der Naturkundesammlung plaziert, wird so wohl nicht so schnell ersetzt werden, vermute ich mal. Aber gut, Toleranz, nicht Gleichgültigkeit, sei unser Gebot. Und seien wir ehrlich: nach Monaten ohne Sonne sehen wir unter unserer Hermelinkleidung doch nur unwesentlich besser aus.


 


Montag, 25. März 2013


Kriminaltango

Hamburg, aufgepaßt, soviel Rock'n'Roll ist selten. Morgen abend liest der Mayer Berni in meinem früheren Wohnzimmer, dem weltberühmten Molotow
aus seinem bald ebenfalls weltberühmten Roman Black Mandel.

Das ist die Fortsetzung von Mandels Büro, dieser wildtickendem Krimigroteske über abgewrackte Menschen wie du und ich, die über die Aufklärung eines Verbrechens nur selbst immer tiefer in die Dunkelheit stapfen. Jetzt geht die ganze Chose hübsch grimmig weiter, gelacht wird aber nicht unten im Keller, sondern oben in der Bar. Denkt dran: Wer morgen dabei ist, muß später seine Enkel nicht anlügen und Behauptungen aufstellen.


 


Samstag, 23. März 2013


Samstag

Um nicht als Freitagsblogger zu enden, schreibe ich jetzt einen Beitrag, einmal den Samstag zu ehren. Dieser Tag, hier im Norden leider zum Sonnabend degradiert, ist sozusagen die Schlummertaste der Woche. Während man sonntags ja pünktlich im frischgew...putzten Ornat zum Gottesdienst erscheinen und daher zeitig präsentierfähig sein muß, bietet ein Bartschattentag wie der Samstag mehr Freiheiten. Da gehen Väter und Söhne in den Baumarkt so wie sie wirklich sind und unter der Woche kaum wahrgenommen werden. Für ein Super-Projekt natürlich.



Mach doch mal was mit toten Blumen, hege ich hingegen mein eigenes Projekt zwischen Gemüseputzen und Telefonignorieren. Denn wenig Hobbys sind mir geblieben, außer Dingen beim Verfall zuzuschauen. Wie lieb sind mir da solche, deren Verfall dabei noch schneller geht als der eigene! Dankbar wird man über die kleinsten Phänomene der Natur, sorgsam hege ich daher meine kleine Memento-Mori-Kultur, aus der es mit welker Stimme mir zuraunt: Denke dran! Denke dran! Einst folgst auch du!"

Bis dahin aber gehe ich im Bademantel rüber zum Supermarkt, neue Blumen kaufen oder vielleicht ein Brot vom Vortag, feudel später ein bißchen über die Fensterbänke, denke mir ausschließlich meinen Teil und nicht deinen, denke an Frauen mit schönen runden Kuchen, schaue den Möwen draußen vor dem Fesnter zu und nasche von importierter Laune.

In der Fabrik zuletzt wieder anstrengende Wochen, die nicht ausschließlich an mir lagen. Ich indes bin neuerdings Elektro-Man, auch außerhalb eines samstäglichen Besuchs im Baumarkt. Aufgeladen wie ein Hartgummistab an einem Katzenfell, sprühe ich Funken, wenn ich nur daran denke, Dinge zu berühren. Unangenehm, wenn man morgens einen Rechner einschalten muß, der sich in einem Gehäuse aus Aluminium befindet. Neulich hat sich die Maus aufgehängt, nachdem ich an die metallumhüllte Tastatur faßte. Sozial schwierig war der Moment, als ich den Wassersprudler lahmlegte, weil sich vom Funkenschlag am Startknopf ein hörbares Brizzeln ins Innere der Maschine fortsetzte. Glücklicherweise lief das alles nach einmal Ein- und wieder Ausschalten wieder.

Ausprobiert habe ich noch nicht, ob ich wie weiland Onkel Fester eine Glühbirne im Mund zum Leuchten bringen könnte. Mit kleinen Taschenlampenbirnchen geht das aber schon sehr gut. Die Menschen stehen seither nicht nur vorwärts in den Straßen, sondern auch mächtig beeindruckt.

>>> Geräusch des Tages: Savages, die an eine bestimmte Band, ich komm' jetzt grad nicht drauf, aus Manchester von Ende der 70er Jahre erinnern.


 


Freitag, 15. März 2013


Eine sachliche Romanze

Man muß sich das mal vorstellen. Da wird ein Konvolut aus einer Haushaltsauflösung versteigert, eine Aktentasche kommt mit unter den Hammer. Darin findet sich erstaunliches. Dokumente aus einer Zeit, als in der Bundesrepublik die Frisuren und Träume höher wuchsen, die Autos größer, aber auch schicker wurden und die Vorstellung vom "Wohlstand für alle" plötzlich erreichbar schien. Die Bonner Republik blühte auf, die Provinz träumte von Teilhabe (heute von DSL), und wer nicht doof war oder verklemmt, nahm sich einfach ein Stück Bienenstich. Notfalls von fremden Tellern.

Die Aktentasche gehörte Günter, Geschäftsmann mit Lebensart zwischen Piccolo und klaren Zielen. In ihr verwahrte er hunderte Dokumente aus seiner Zeit mit Margret: seine junge Sekretärin, Bienenkorbfrisur, Minirock, erst keck, später gelangweilt. Anderthalb Jahre hatten die beiden eine heimliche Affäre, beide waren verheiratet, und irgendwann bemerkte Margrets Schwiegermutter zu ihrem Sohn Lothar: "Die Margret ist aber oft mit dem Günter zusammen." Das waren sie in der Tat. Gemeinsam fuhr man im dicken Auto über die Lande, ins Casino nach Wiesbaden, kehrte in Landgasthöfen ein, traf sich in einer kleinen Wohnung, die Günter offenbar für Überstunden aller Art unterhielt.

Er schenkte Margret Blusen und Kleider und fertigte akribisch und besessen Dutzende Fotos an, Porträts, intime Einblicke, pornografische Posen. Er sammelte Haare, Schamhaare, Pillenpackungen, Fetische und Trophäen, dazu Quittungen von Lokalen und Hotels und andere Erinnerungsstücke. Archiviert wurden die mit buchhalterischer Akribie, aufgeklebt auf Karton, in Berichtsbögen mit Datum und Ort versehen. Auch über ihre Aktivitäten wurde in präziser Sprache Bericht geführt. 17.45 Uhr aufs Zimmer, lauteten etwa die mit Schreibmaschine verfaßten Protokolle. Zwei Mal gesteckt. Bis 18.15 Uhr.

Wo und wie und wie oft man sich berührte, ob in der "normalen" Position oder in "Speziallage", ob Margret ihre Tage hatte oder nicht, die Pille nahm oder wie es gegen Ende geschah, eine Abtreibung unternahm ("500 Mark") - alles wurde bürokratisch festgehalten: Beide Busen nacht[s] angefasst mit Warzen.. Danach gab es die große, weite Welt: einen Sekt und eine Zigarette, die Heiterkeit.

Diese gruselig-unpersönliche Mensch-Verwaltung entlarvt den pedantischen Gefühlsbürokraten, der seine Devotionalen als Trophäen archiviert, ohne Zärtlichkeit in den Begleittexten. Sachlich, faktisch, es fehlen nur noch Stempel und notarielle Beglaubigungen. Unangenehm im Privaten, ist das Ganze doch ein faszinierender Bericht über bundesrepublikanische Verhältnisse. Die junge Gier nach dem "Besseren", nach Flucht und plüschigem Kunstpelzglamour einerseits, die (k)alten Strukturen von Überwachung und Kontrolle auf der anderen Seite. Etwas mehr Welt wagen, aber nur im Geheimen. Vielleicht haben die in Wahrheit aber auch viel gelacht.

Hier sind ein paar Seiten abgebildet.

Nicole Delmes, Susanne Zander [Hrsg.]. Margret: Chronik einer Affäre. Mai 1969 – Dezember 1970. Köln: Verlag Walther König, 2012.


 


Freitag, 8. März 2013


Der große Lürk zum Frauentag

Liebe ist wie Gefühle im Herzen
Essen ist wie was auf dem Tisch.
Freude ist wie was ohne Schmerzen
Lächeln ist wie was im Gesicht.

Sterne sind wie Lichter im Himmel
Blumen sind wie Pflanzen im Gras.
Musik ist wie Klang in den Ohren
Frauen - ich schenk euch das!

Überbracht von Don Pascal.