Samstag, 23. März 2013


Samstag

Um nicht als Freitagsblogger zu enden, schreibe ich jetzt einen Beitrag, einmal den Samstag zu ehren. Dieser Tag, hier im Norden leider zum Sonnabend degradiert, ist sozusagen die Schlummertaste der Woche. Während man sonntags ja pünktlich im frischgew...putzten Ornat zum Gottesdienst erscheinen und daher zeitig präsentierfähig sein muß, bietet ein Bartschattentag wie der Samstag mehr Freiheiten. Da gehen Väter und Söhne in den Baumarkt so wie sie wirklich sind und unter der Woche kaum wahrgenommen werden. Für ein Super-Projekt natürlich.



Mach doch mal was mit toten Blumen, hege ich hingegen mein eigenes Projekt zwischen Gemüseputzen und Telefonignorieren. Denn wenig Hobbys sind mir geblieben, außer Dingen beim Verfall zuzuschauen. Wie lieb sind mir da solche, deren Verfall dabei noch schneller geht als der eigene! Dankbar wird man über die kleinsten Phänomene der Natur, sorgsam hege ich daher meine kleine Memento-Mori-Kultur, aus der es mit welker Stimme mir zuraunt: Denke dran! Denke dran! Einst folgst auch du!"

Bis dahin aber gehe ich im Bademantel rüber zum Supermarkt, neue Blumen kaufen oder vielleicht ein Brot vom Vortag, feudel später ein bißchen über die Fensterbänke, denke mir ausschließlich meinen Teil und nicht deinen, denke an Frauen mit schönen runden Kuchen, schaue den Möwen draußen vor dem Fesnter zu und nasche von importierter Laune.

In der Fabrik zuletzt wieder anstrengende Wochen, die nicht ausschließlich an mir lagen. Ich indes bin neuerdings Elektro-Man, auch außerhalb eines samstäglichen Besuchs im Baumarkt. Aufgeladen wie ein Hartgummistab an einem Katzenfell, sprühe ich Funken, wenn ich nur daran denke, Dinge zu berühren. Unangenehm, wenn man morgens einen Rechner einschalten muß, der sich in einem Gehäuse aus Aluminium befindet. Neulich hat sich die Maus aufgehängt, nachdem ich an die metallumhüllte Tastatur faßte. Sozial schwierig war der Moment, als ich den Wassersprudler lahmlegte, weil sich vom Funkenschlag am Startknopf ein hörbares Brizzeln ins Innere der Maschine fortsetzte. Glücklicherweise lief das alles nach einmal Ein- und wieder Ausschalten wieder.

Ausprobiert habe ich noch nicht, ob ich wie weiland Onkel Fester eine Glühbirne im Mund zum Leuchten bringen könnte. Mit kleinen Taschenlampenbirnchen geht das aber schon sehr gut. Die Menschen stehen seither nicht nur vorwärts in den Straßen, sondern auch mächtig beeindruckt.

>>> Geräusch des Tages: Savages, die an eine bestimmte Band, ich komm' jetzt grad nicht drauf, aus Manchester von Ende der 70er Jahre erinnern.


 


Freitag, 15. März 2013


Eine sachliche Romanze

Man muß sich das mal vorstellen. Da wird ein Konvolut aus einer Haushaltsauflösung versteigert, eine Aktentasche kommt mit unter den Hammer. Darin findet sich erstaunliches. Dokumente aus einer Zeit, als in der Bundesrepublik die Frisuren und Träume höher wuchsen, die Autos größer, aber auch schicker wurden und die Vorstellung vom "Wohlstand für alle" plötzlich erreichbar schien. Die Bonner Republik blühte auf, die Provinz träumte von Teilhabe (heute von DSL), und wer nicht doof war oder verklemmt, nahm sich einfach ein Stück Bienenstich. Notfalls von fremden Tellern.

Die Aktentasche gehörte Günter, Geschäftsmann mit Lebensart zwischen Piccolo und klaren Zielen. In ihr verwahrte er hunderte Dokumente aus seiner Zeit mit Margret: seine junge Sekretärin, Bienenkorbfrisur, Minirock, erst keck, später gelangweilt. Anderthalb Jahre hatten die beiden eine heimliche Affäre, beide waren verheiratet, und irgendwann bemerkte Margrets Schwiegermutter zu ihrem Sohn Lothar: "Die Margret ist aber oft mit dem Günter zusammen." Das waren sie in der Tat. Gemeinsam fuhr man im dicken Auto über die Lande, ins Casino nach Wiesbaden, kehrte in Landgasthöfen ein, traf sich in einer kleinen Wohnung, die Günter offenbar für Überstunden aller Art unterhielt.

Er schenkte Margret Blusen und Kleider und fertigte akribisch und besessen Dutzende Fotos an, Porträts, intime Einblicke, pornografische Posen. Er sammelte Haare, Schamhaare, Pillenpackungen, Fetische und Trophäen, dazu Quittungen von Lokalen und Hotels und andere Erinnerungsstücke. Archiviert wurden die mit buchhalterischer Akribie, aufgeklebt auf Karton, in Berichtsbögen mit Datum und Ort versehen. Auch über ihre Aktivitäten wurde in präziser Sprache Bericht geführt. 17.45 Uhr aufs Zimmer, lauteten etwa die mit Schreibmaschine verfaßten Protokolle. Zwei Mal gesteckt. Bis 18.15 Uhr.

Wo und wie und wie oft man sich berührte, ob in der "normalen" Position oder in "Speziallage", ob Margret ihre Tage hatte oder nicht, die Pille nahm oder wie es gegen Ende geschah, eine Abtreibung unternahm ("500 Mark") - alles wurde bürokratisch festgehalten: Beide Busen nacht[s] angefasst mit Warzen.. Danach gab es die große, weite Welt: einen Sekt und eine Zigarette, die Heiterkeit.

Diese gruselig-unpersönliche Mensch-Verwaltung entlarvt den pedantischen Gefühlsbürokraten, der seine Devotionalen als Trophäen archiviert, ohne Zärtlichkeit in den Begleittexten. Sachlich, faktisch, es fehlen nur noch Stempel und notarielle Beglaubigungen. Unangenehm im Privaten, ist das Ganze doch ein faszinierender Bericht über bundesrepublikanische Verhältnisse. Die junge Gier nach dem "Besseren", nach Flucht und plüschigem Kunstpelzglamour einerseits, die (k)alten Strukturen von Überwachung und Kontrolle auf der anderen Seite. Etwas mehr Welt wagen, aber nur im Geheimen. Vielleicht haben die in Wahrheit aber auch viel gelacht.

Hier sind ein paar Seiten abgebildet.

Nicole Delmes, Susanne Zander [Hrsg.]. Margret: Chronik einer Affäre. Mai 1969 – Dezember 1970. Köln: Verlag Walther König, 2012.


 


Freitag, 8. März 2013


Der große Lürk zum Frauentag

Liebe ist wie Gefühle im Herzen
Essen ist wie was auf dem Tisch.
Freude ist wie was ohne Schmerzen
Lächeln ist wie was im Gesicht.

Sterne sind wie Lichter im Himmel
Blumen sind wie Pflanzen im Gras.
Musik ist wie Klang in den Ohren
Frauen - ich schenk euch das!

Überbracht von Don Pascal.


 


Freitag, 1. März 2013


Mach doch mal was mit ganz kleinen Tieren



Die Erschöpfung wird langsam ein Problem. Manchmal fallen mir schon in der U-Bahn die Augen zu, es wird der Tag kommen, an dem ich plötzlich an der Endstation wachwerde, nichts ahnend, nichts wissend, ohne Schuhe und Portemonnaie. Zur Vorbeugung heute einen freien Tag genossen, ausgeschlafen, in Ruhe ein Frühstück, draußen sogar die Anmutung einer vitaminspendenden Sonne. Gleich mal die mausezarten Zwillinge Lust & Laune in den Reisekoffer der Verdammnis verpackt, aufrecht am Altpapiercontainer vorbeigegockelt und den Radius abgesteckt.

Hinunter zu den Deichtorhallen, im Fotobuchhandlungsgeschäft ein paar Bücher und Zeitschriften gekauft, Selbstbelohnung in konsumunkritischen Zeiten, eine Kamera betrachtet, über deren Erwerb ich mir zwiespältige Gedanken mache, dann aber papierbeladen nach Hause, Beine dann als sei ich 20 Km durch den Schnee gestapft. "Seien Sie geduldig mit sich", meinte Frau Sorge neulich noch beim Gespräch, allein der innere Leistungsgedanke...



Zwischendrin aber die Ausstellung A World Of Wild Doubt im Kunstverein besucht. Eine kleine, aber recht amüsant-bedrückende Schau, mit vergitterten Verliesen und beklemmenden Boxen, foucault'schen Assoziationen zwischen Strafe und Gefängnis und einigen sarkastischen Kunstaperçus über Macht, Geheimnis, Paranoia und Weltpolitik. Lobenswert ein großes illuminatorisches Tarot-Set mit Konzernkonstrukten und Personen von IBM bis Margaret Mead, wie überhaupt das Sammeln und Strukturieren eines der Ordnungs-, Verwirrungs- und Strafeprinzipien der Ausstellung war. Leider vergessen, die Namen der Künstler jeweils richtig zu zuordnen.



Höhepunkt indes ist eine Installation der selten gezeigten, ganz wunderbaren Tessa Farmer. Die Britin bastelt mit kleinen und noch winzigeren Insekten (Heu- und Seepferdchen) völlig entzückende und verstörende Skulpturen, wo Miniaturskelettkrieger auf brummelnden (aber allesamt toten) Hummeln reiten. Bereit zur Welteroberung, wäre da nicht der Atem des staunenden Betrachters, der die am Faden baumelnde buchstäbliche Hängung in Bewegung setzt. Durch eine niedrige Tür, eine tunnelige Kiste führt der Weg zu Farmers Installation, sage man nicht, Kunst hätte nicht auch ergotherapeutischen Nutzen.

>>> Kurze Doku über Tessa Farmer

("A World Of Wild Doubt". Kunstverein, Hamburg. Bis 14. April 2013.)


 


Donnerstag, 21. Februar 2013


Merz/Bow, #39

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Das Kommando Trauernde Weide schleicht seitwärts im Krebsgang durch den Wochenanfang. Neue Pläne von oben werden mit Vorbehalts-Pst! verkündet, das Echo ist geteilt. Summende Erregung jedenfalls im Bienenhaufen.

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Zielvorgabe 2013: stabile Verhältnisse. Check-up-Gespräch mit der netten Ärztin. Wir gehen die Liste durch, ich lege eine Reihe konsilarischer Befunde vor. Wir singen im Chor das Lied vom großen Hm. Hm. "Können Sie nicht mal eindeutige Symptome und Befunde haben?" Nein, sage ich, die Welt sei komplex, es gebe keine einfachen Lösungen. "Mehr Kryptik" heißt das Zauberwort. Ob sie nicht bloggen würde. Die Menschen im Internet haben alle zuviel Zeit. Meint sie.

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Zur Empörung zum Beispiel. Bestellt ein Negerkönig eine Lasagne bei Amazon, gehen die Aufreger Woche. Und alle so Uiuiui. Die Skandalisierung hat mittlerweile auch den geliebten öffentlich-rechtlichen Rundfunk erfaßt. Tagesschau und Tagesthemen sind sich nicht zu schade, schamlose Eigenwerbung als quasi brandaktuelle Entdeckung in den Nachrichtenblock zu packen. Tadaa, liebe Zuschauer, bleiben Sie dran. Wir haben da passend und wie zufällig eine Doku für Sie. Soylent Green ist Menschenfleisch!

Dieses naive Ermittlungsstück aber zeigt, was doch niemanden überraschen dürfte, der die "Liberalisierung" der Markt- und Sozialgesetze in den letzten Jahren (und zwar seit Rot-Grün) mitverfolgt hat. Welche Ziele und Methoden werden denn von Konzernen wie Amazon, Zalando, Google, eBay usw. wohl verfolgt? Unternehmen, die hierzulande Milliarden umsetzen, aber nur 3,50 Euro Steuern zahlen?

"Die da oben machen doch nur, was wir wollen", sang Bernadette La Hengst. Die Strukturen sind kein Unfall. Und man hüte sich vor Selbstgerechtigkeit, Fingerzeigen und den eigenen blinden Flecken: Wir treffen jeden Tag (Konsum-)Entscheidungen, die ethisch zweifelhaft sein können. Von einem Applegerät aus eine Petition gegen Ausbeutung anklicken hat jedenfalls auch einen guten Schuß Absurdes. Es ist komplex. Kaufe hier eine Biokiste und buche dort eine Flugreise. Wir leben in einem Hütchenspiel mit drei Fettnäpfen und nur einer Gewissensseife.

Action speaks louder than words. Zu wenige übrigens sind in einer Gewerkschaft. Zu wenige nehmen die Politik ernsthaft in die Pflicht. PR-Skandale allein ändern selten die Verhältnisse. Sie führen zu besserer PR.

Kelly hat seine Eindrücke besser in Worte gefaßt.

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Wer wissen will, wie der Laden läuft, schaut heute abend TV. "Versicherungsvertreter - Die erstaunliche Karriere des Mehmet Göker" zeigt dort der WDR um 23.15 Uhr. Die Doku zeigt Momente des "Systems Größenwahn" in einsamer Offenheit. Die "Mehmet E. Göker AG" war mal zweitgrößter Makler für private Krankenversicherungen, holte bei den Konzernen bis zu 8.000 Euro Provision (!) für einen Vertrag heraus, setzte über 60 Mio um und Topvermittler in Ferraris. Bis irgendwann die Steuerermittlung und der Absturz kam. Göker selbst aber, ein charismatischer Quasi-Selfmademann, ist ungebrochen. Seine Firma führte er wie eine Sekte, Tatöwierungen für die Mitarbeiter inklusive, Ansprachen zwischen Drohgebärde und Mutterwitz, ein lebendes Beispiel für ballastbefreite Selbstoptimierung. ANDERE ATMEN, WIR VERKAUFEN! ist einer der von ihm konsequent in Versalien gehaltenen "Gökerismen" (mit denen sich Abreißkalender oder Bücher, z.B. bei Amazon verkaufen ließen). Eine ganz dicke Empfehlung. Blogger können da auch was lernen

>>> Trailer

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In eigener Sache. Gesine von SteglitzMind stellt eine Reihe Blogger vor und hat mich ein paar Sachen gefragt. Vielen Dank!

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Mal praktisch gefragt. Wo kann ich Filme von F. J. Ossang kaufen, wenn nicht via Amazon.fr? Ich sehe schon. Ich stehe in einer Wanne voll Blut.

MerzBow | von kid37 um 17:14h | 32 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Donnerstag, 14. Februar 2013


Valentinoje!

Heute ist ja Tag der Herzensbrecher. Da denken sich viele schwer anromantisierte Menschen schwer was aus. Rosen schenken oder ein Käsebrot? Das in femininen Fachfragen führende Missy Magazin wendet sich dem Weiblichen zu und veröffentlicht eine Liste mit knallroten Perioden im Film. Die walisische* Band My Bloody Valentine steht nicht zurück und veröffentlicht nach über 20 Jahren ein neues Album, das Menschen weltweit zum Schluchzen bringt.

Nun wollte ich zunächst ebenfalls nicht zurückstehen und allen meinen Leserinnen eine rote Rose bereitstellen. Unbeholfen in solchen Dingen wie ich bin, überlasse ich dann aber das Wort dann doch lieber dem nordeutschen Dadakollektiv HGich.T, das ihr alle von ihrem Hit Goa Goa MPU (aka "Tutenchamun") her kennt. Die haben eine ganz liebevoll schüchterne Liebesgeschichte zusammengezaubert. Diddelmaus Ballerina. Wie gemacht für diesen rosazarten Tag.


 


Mittwoch, 13. Februar 2013


Verbissen verzahnt

Ich bin ein wenig unschlüssig, was die Musik angeht. Aber die Zähne von Leslie Clio beeindrucken mich sehr (#instantlove). Man kann nur hoffen daß sie die nicht richten läßt.

Ich selbst bin ganz ungerichtet, also nicht nur, was die Zähne betrifft. Das Defekte dieser nicht fruchtbaren Jahreszeit. Draußen Schneereste und frostiger Grund, Bagger auf der kleinen Großbaustelle, die sich mühsam in eine sandige Schicht graben. Wer weiß, wer weiß, wer weiß. Der Kampfmittelräumdienst war nämlich vorher nicht da.

Träume sortieren wie Wäsche, die roten Sachen brav auf einen extra Haufen. Für einen anderen Waschgang dann. Nicht besser justiert sein als ein alter Plattenspieler. Sich selbst also nur noch von Hand auflegen, knisternd die Spur finden, dann die Knackser zählen. Plötzlich dieses Krkz an immer der gleichen Stelle. Wahrscheinlich seit Jahren schon.