
Freitag, 20. April 2012
Bald wird ja alles gelöscht, ausgebrannt, ausgebleicht, wegradiert, rausgekratzt, rausgeätzt, abgeschabt, sandgestrahlt, abgefischt und weggewischt, da muß ich schnell noch das Video von David Lynch zeigen zu seiner Schallplatte nämlich, die er letztes Jahr bereits herausgebracht hat.
Crazy Clown Time heißt das Werk bekanntlich, es gibt ja kaum was Unheimlicheres als böse Clowns, diese buntbemalten Kinderschrecks. Ein hübsch aufgemachtes Klappcover, mit Booklet, Fotos und Texten rechtfertigt aus sich heraus bereits den physischen Legalerwerb des Albums. Die Musik hingegen läßt mich zwiegespalten zurück. Nach den letzten Projekten mit Dangermouse und Sachen wie dem düsterwollustdräuenden "Dark Night Of The Soul" finde ich die Stücke auf Crazy Clown Time teilweise doch ein wenig simpel gestrickt. Die Drums klingen nach Heimcomputerstudio, etwas einfallslos zusammengeklickte Loops, denen wie so vielen Dingen im Leben etwas mehr Liebe und Leidenschaft gut getan hätten. Dann wiederum steckt das Album voller kleiner atmosphärischer Schnipsel, saugen einen diese dunklen Traumfragmente wie durch ein umgedrehtes Teleskop in eine Mikrowelt aus gezinkten Schicksalswürfeln, unheilvollen Tatortspuren und eben jenen Clowns, die einem doch nur nach der Unschuld trachten.
Kein so ganz goßer Wurf, das Gelegenheitsgedicht eines Vielzweckkünstlers, dem ich zuletzt fasziniert beim Bau einer Lampe zugeschaut habe, die er aus Gipsbinden, viel Farbe und gelassener Präzision auf der Terrasse vor seinem Arbeitszimmer formte. Nachzuschauen auf der skurril-interessanten DVD Dynamic Vol. 1, auf der einzelne Filme zusammengefaßt sind, die zuvor nur Abonnenten seiner Webseite zugänglich waren. Manche sind einfach nur Homestory-Experimente mit der Digicam, andere sehr ausgestaltet (vor allem die kleine Fingerübung des Unheimlichen, die er gemeinsam mit seinem Sohn gedreht hat). Und dann eben diese genüßlich entschleunigte Doku, wie er eine Lampe bastelt, mit den Händen über die nassen Gipsbinden flitscht, hier was ausbuchtet und dort was dellt, Farbe nachmischt und noch einmal nachmischt und man als Zuschauer das tut, was man als Mensch eh am liebsten tut, anderen bei der Arbeit zuschauen nämlich. Eine große Freude.

Mittwoch, 18. April 2012
Müde Gestalten, verrumpelte Schurken und Abgebranntexistenzen. Gauner und Gestrauchelte blicken uns entgegen in merkwürdig durchgestalteten Porträts der australischen Polizei. Kein Vergleich zu den lieblos draufgeknipsten Mug Shots, wie man sie sonst aus Polizeiregistern und Paßämtern kennt. Eindringliche Gesichter zwischen Vorwitz und Trauer erzählen Geschichten. Von krummen Verläufen, falschen Abzweigungen, einer Route namens "Gernegroß". Von den ewig Kleinen, Verlorenen, Vergessenen. Erst jetzt schauen wir sie an, blicken zurück, auf nostalgisch überzogene Fotos, versuchen, die Reste ihrer Geschichten zu erraten.
Mehr hier bei Monoscope.

Freitag, 13. April 2012
of companionshsip,
a stroking hand,
a hungering for compassion.
(Louise Bourgeois über Cell I)
Seit Wochen entzückt die neun Meter hohe Bronzespinne auf dem Platz zwischen der Neuen und der Alten Kunsthalle in Hamburg, Louise Bourgeois' Maman, eine wuchtige Mutter, die über der Stadt ihre Fäden webt. Schönes Ausflugsziel also für Mütterchen Kid, so mein Gedanke, als diese zu Besuch in der Hansestadt war.
Kurz hatte ich Bedenken, ob das Hauptwerk der Ausstellung, wirklich so passend für den Anlaß war. "Passage dangereux" ist eines der größten Installationen aus der Werkreihe Cells (Bilder). Vergitterte Räume, die gefüllt sind mit Objekten wie Spiegel, Stühle, rostigem Tand, zusammengeführt als Transiträume von Kindheit, Trauma, Tod, Sex und Einsamkeit. Da liegen verschieden große Glaskugeln auf Stühlen wie in einer Familienaufstellung, sind die abwechselnden Ausbuchtungen und Erker der Gitterverschläge wie Wohnräume gestaltet, man erkennt ein Bad, ein Kinderzimmer, einen Wohnraum, ein Schlafgemach. Mutter aber ist interessiert, drängt sich nah an die Käfige, um einzelne Gegenstände zu identifizieren, stellt Fragen, die ich adhoc auch nicht beantworten kann (für die das Buch The Secrets of the Cells aber ganz hilfreiche Hintergrundinformationen bereitstellt). Ebenso interessiert betrachtet sie auch die handwerklichen Fähigkeiten in der zweiten Werkgruppe, zusammengenähte Stoffbilder, teils abstrakt, teils mit Spinnennetzen (plattgedrückte Regenschirme?) versehen, teils als Gebrauchsgegenstände wie Schutzhüllen für Bücher gestaltet.
In einem weiteren Raum (insgesamt ist die Ausstellung sehr klein), versuchen wir halb-abstrakte Bilder zu deuten, auf denen sich liebende Paare, träumende Föten und schwingende Äste begegnen. Mutter erklärt, was sie sieht, dort ein Kopf, hier eine Tämnzerin. Ich sage, das sind doch medizinische Aufnahmen, erkenne Nervengeflechte, Darmgeschlinge, hier der Magen, dort die Gallenblase, die Bourgeois war da bereits über 90, erkläre ich, sicher mußte sie mal zum Arzt. Mutter meint, sie hätte Lust auf einen VHS-Kurs, selber was malen.
(Louise Bourgeois, "Passage dangereux". Hamburger Kunsthalle. Bis 17.6.2012)
>>> Rainer Crone, Petrus Graf Schaesberg. Louise Bourgeois: The Secret of the Cells. München, London, New York: Prestel, 2008.)

Montag, 9. April 2012
Ostern im Schlurfgang, Eiern im Schlafrock; man hängt, so geht ein alter blasphemischer Witz, irgendwie so ab. Das Ziel aber sollte sein ein buntmaskiertes Fest, so wie Angeliska die Jahr um Jahr mit fröhlichen Osterhasen feiert. So treibt mich die Sonne hinaus ums Haus, immerhin, immerhin, und später dann zu guten Menschen, einem Lamm und dem Osterorakel. Daheim warten Care-Pakete aus den Weiten der Republik. Die Linderung im Versuch, Monde zu zählen, die Jahre, die Zeit.
Fruchtloses Mühen also zum Frühlingsbeginn. Blasse Farben, dunkle Bilder (monokular), zu müde für Pracht und Pralles und blendende Paraphrase. Rauf auf den Tisch stattdessen, wie manche Wahrheiten, wie ein glückloses Lamm. Sich zartkochen lassen, zerlegen, sich einen Weg aufschließen lassen zum Lichterfest. Alle Hasenohren steif halten. Das immerhin.

Freitag, 6. April 2012
Der letzte Radausflug hängt mir nach, nach wie vor bin ich beschämt über diesen Leistungseinbruch, das schwankende Mühen. Immer noch fühlt sich mein Körper an, als sei ein Laster über ihn hinweggefahren, es hat so etwas Zermalmtes, Zerflossenes, in alle Fasern strömendes. Ich erinnere mich, wie ich vor Jahren mal den Kontakt zu einem Auto suchte und aus der Bahn geworfen wurde. Erst durch Metall, dann durch Überraschungen aus dem Leben und Zusammenleben, es sind ja immer Ketten des Unglücks, die Glied um Glied ineinandergreifen. Es gibt in diesen (und allen anderen) Momenten nur die eine Order: Schnell wieder selbst ans Ruder, rauf auf die Brücke, Mütze auf, Schleppleinen kappen, Herr im eigenen Leben werden, nicht aufs Telefon warten.
Mein nächstes Rad sollte eigentlich ein hübscher Flitzer werden, etwas Leichteres als mein fliegender Holländer, auf dass sich der Radius erweitere. Nun konnte ich aber nicht widerstehen, als ich die Cyclette entdeckte. Liebe zeigt sich oft auf überraschende Weise und hat so viele Gesichter. Für eine symbolische Ablöse und der Hilfe von Freunden fand der neue Flitzer den Weg in meinen Leuchtturm, steht bereit für Ausritte in ein völlig neues Leben bei Nebel, Sturm und Regen. Das Goldrad aus französischer Fertigung, aber Kölner Vertrieb, ist einem guten Zustand. Gerade mal 3123 KM gelaufen, Erstbesitz und scheckheftgepflegt, ist offenbar nur der Originalsattel einmal ausgetauscht worden. Die Filzbremse, mit der man Berg- und Talfahrt simuliert, funktioniert, der Tacho und Kilometerzähler auch. Das habe ich heute morgen, als ich mal einen Kilometer nackt zum Bäcker fuhr, ausprobiert. Ich wäre bereit, nur mit einem T-Shirt bekleidet, in einen luftigen Sommer zu fahren, der Sonne und der Weite entgegen, Picknick am Wegesrand. Der Tacho geht bis 100, für den Fall, daß es einmal steil bergab geht oder ich eine Kraft in den Beinen entwickle, die Clark Kent erblassen ließe.
Eines freilich fehlt. Der Soziussitz für die Motorbiene. Da hilft nur ein zweiter Flitzer, den man danebenstellt. Dann aber: gemeinsam in den Sonnenuntergang, durch grüne Täler und saftige Auen, entlang dem großen, langen, gewundenen Fluß.

Mittwoch, 4. April 2012
Früher war das Molotow ja mal so was wie mein extendiertes Wohnzimmer, mittlerweile aber bleibe ich zuhaus bin ich weitergezogen, zu anderen Plüsch und Plünnen. Gern aber schaue ich immer wieder vorbei, vor allem, wenn die Hamburger Clubinstitution auf der Reeperbahn so unterhaltsam bespielt wird wie gestern abend. Berni Mayer, den viele als den Burnster aus diesem Internet kennen und lieben, stellte dort seinen Roman Mandels Büro (habt ihr ja schon alle gekauft) vor. Die Hütte war tatsächlich voll, viele bemerkenswert junge Leute - der Burnster hat offensichtlich seine Fans, und die kommen nicht alle aus dem Internet. Außer einer Hamburger Bloggerin und den Leuten vom Laden kannte ich kein Gesicht; romanschreibende Blog-Autoren ziehen offenbar ein völlig anderes Publikum an.
Wenn der Burnster liest, ist das ja mehr so Plauderstunde mit Motörhead. Gemeinsam mit Max Leßmann von Vierkanttretlager pflügt er munter durch ausgewählte Strecken der launigen Erzählung über zwei lose Verkrachte, die vom Musikbusineß ins Schnüfflergewerbe gewechselt sind. In verteilten Rollen, unterbrochen von Seiten- und Querverweisen, beigesteuerten Fußnoten aus dem Publikum und zahlreichen Anekdoten aus dem Leben auf der Musikstraße, breiten die beiden einen munteren Klangteppich aus. Es riecht nach Rock'n'Roll, Katholizismus, Rauch und Bier und Jack, ein kurzer Ausflug aus dem zauberberghaften Teestubensanatorium, mit dem meine eigene Welt derzeit beschrieben ist. Der Mann ist noch auf Tournee, wer irgendwo in der Nähe ist, sollte hingehen. Den Roman gibt es in jedem gutsortierten Handel.

Montag, 2. April 2012
Scorpio is known to be a loner, but this month you will see that there is at least one, if not more than one, person in your life that you would like to align with in a close, serious partnership.
Haha. Diese Frau im Internet will mich wieder foppen.
Kein Aprilscherz aber ist, daß der Burnster, der alte Internet-Haudegen, nach Hamburg kommt, um aus seinem Roman Mandels Büro zu lesen. Am 3.4. im - yeah! - Molotow. Müßt ihr alle kommen! Und noch welche mitbringen. Dieser Club muß schwitzen. Ich jedenfalls freue mich schon.
