Dienstag, 22. September 2009


Auspaddeln

...über Bali und Hawaii.
(Lolita, Seemann, deine Heimat...)



Gegen Ende einer jeden maritimen Saison werden Reusen, Angeln und Segel eingeholt. Aber bevor es Zeit ist, die Schlauchboote an Land zu kranen und winterfest zu machen, kann man sie ja noch mal aufpumpen und in die letzten warmen Stunden hinein zu Wasser lassen.

Leider ohne Akkordeon und zufällig auch ohne Ringelhemd steche ich mein Billigpaddel in die See, erst neulich ist mir schmerzlich klar geworden, und nur hier kann ich es zugeben, welchen Trainingsrückstand ich habe. "Peter-Michael Kolbe, sprich zu mir!" beschwöre ich den großen Schutzheiligen des Ruderwesens, Meter um Meter kämpfe ich mich mit übermenschlicher Willenskraft an meinen imaginären Herausforderer namens Muskelträgheit heran. Dann erst einmal eine Pause.



Vom Wasser aus stellen sich viele Dinge nicht so sehr anders dar als auf der Straße. Ver- und Gebote, Abgezäuntes, Deklariertes und Privates, die Freiheit ist immer relativ - und es gilt, sie regelmäßig neu auszuloten (1,87 m Fadentiefe). Auf dem Boot sammelt sich erstes Laub, am Paddel hat sich Seemansgarn verfangen, filziges Zeug, in das man sonst nur die ganz großen Fänge verpackt. Sonst aber Ruhe an Bord, und etwas Wasser. Entspannt gönne ich mir ein Stück Schiffszwieback, lasse mich "mal so treiben", wie es im Lied heißt, ich bin völlig allein auf dem Kanal, nur ein Bläßhuhn sucht meine Nähe.



Endlich finde ich ein wenig Zeit, die gesammelten Stapel des Feuilletons der letzten Wochen durchzulesen. Das Boot locker an einer Weide vertäut, trudel ich durch Wort- und Wellenbewegungen, grüße den ein oder anderen Skipper, der am Ufer sitzt, mir sein Bier entgegenhält oder sich an sein Käppi tippt.

Langsam wühle ich durch die Kanäle, von Gleiten wie bei einem echten Kajak kann nicht so wirklich die Rede sein, meine Paddeltechnik macht zuviel Geräusch, zuviel Wasser, es ist also gut, sich ab und an auszuruhen. Die Sonne geht unter, und ich taste mich zurück durch das Zwielicht. Selbst schon angenehm müde, gleite ich schließlich doch durch dösende Enten, die - den Kopf unter dem Flügel - ihren eigenen kleinen Dämmertörn auf dem Wasser machen. 1-2-3-4!, die Sportruderer ächzen mit ihrem Abendtraining an mir vorbei. Als ich an irgendeiner Böschung an Land schubber (ein Lob der zusätzlichen Nylonhülle, die über und vor allem unter dem Boot liegt), ist es bereits dunkel geworden. Der erste Nachtangler kommt mir entgegen, Schichtwechsel am Kanal. Fische habe ich keine gesehen, sage ich. Schon lange nicht.

>>> Petula Clark mit der französischen Version


 


Montag, 21. September 2009


Spill Yer Lungs

Maybe I should have mentioned
That I was not built for this kind of loving.

(Julie Doiron, "Spill Yer Lungs")



Die Füße in die Sonne halten, überhaupt: von einem Lichtfleck in der Wohnung zum nächsten springen, nicht auf die schattigen Bereiche treten, auch nicht ein bißchen, denn sonst ist man raus. Aber das nur nebenbei, die Uhren ausgedreht, könn' mich auch mal, den ganzen Tag auf- und abhüpfen und dabei Julie Doiron hören. Aber das interessiert wahrscheinlich auch keinen misantrophischen Saisonarbeiter. Ihr Album I Can Wonder What You Did With Your Day fiel mir erst kürzlich in die Hände, könnte aber auch ein ebenso später Sommerbegleiter sein. Mir sind alle Gäste willkommen, solange sie mir kein technisches Gerät von nach 1967 ins Haus schleppen. Wenn man also barfuß auf einer Wiese steht und bis zum Horizont blicken kann - oder bis zur silberglänzenden Fernwärmeleitung, je nachdem, was eher kommt - fällt alles an seinen Platz, der Wind nämlich und der Geruch der Gräser, die Stelle, wo ein Tisch steht und Stühle und ein Erbsenfeld und wilder Wein und ein Schild, auf dem "Unsereins" steht. Und das heißt nicht United Nation of Silliness. Aber auch.

>>> Julie Doiron, Spill Yer Lungs

Radau | von kid37 um 15:43h | 11 mal Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Freitag, 18. September 2009


Pocahontas





Gestern fuhr ich mit dem Rad ein wenig südlich der Elbe herum, immer schön am Deich lang, bis ich auf dieses kleine Ensemble entzückender Häuschen stieß. Zum Teil verlassen, zum Teil ein wenig nur bewohnt, immer aber mit fingerdickem Charme versehen. Hinter dem Haus eine versteppte Freifläche, verrostete Gewächshäuser, aus denen kleine Bäume ihre Äste recken. Jemand wie ich sieht dort natürlich nur arithmetische Möglichkeiten: Ein, zwei Sack Rotband, drei Eimer Farbe, dann schnell vier Kinder zeugen, schon hat man acht Hände mehr, die zwanzig neue Scheiben in die Rahmen setzen können. Sellerie das ganze Jahr! Und Basilikum! Und links und rechts ein Käsebrotbaum.

Ich mag ja diese unscheinbaren Flecken, an denen oft ganz wunderbare Schätze zu entdecken sind. In der Pause, wenn die Kollegen sich träge nur zum nächsten Mittagstisch schleppen, schau ich mir gern die Eigenheimfantasien hinter dem Krankenhaus an, dort wo Lehrer, Oberärzte und Unternehmer feuchten Architektenträumen quer durch alle kunsthistorischen Epochen (kleine Burgen mit Zinnen und Türmen inmitten einer Rotte Rotklinkerhäuschen!) folgten, bin verblüfft über Wohnungen in alten Wassertürmen, verwunschene Gärten, die sich entblößen, wenn man nur kurz mal - man wahrt natürlich den Anschein von Diskretion - hinter die Hecken lugt. Manchmal komme ich mit den Leuten dort ins Gespräch, man tippt ein wenig hier und hakt ein wenig da und erfährt Geschichten, aus denen sich immer weitere Geschichten spinnen lassen.

In einem anderen Leben wäre ich ja gern Location-Scout geworden. Ich kannte mal eine Frau, die hat das für Film und Werbung gemacht, interessante Ecken suchen, Häuser und Gegenden. Mit einer Polaroid - so lange ist das schon wieder her - zog sie durch halb Europa und pflegte ihre wohlgehütete Kartei. Auf einer Party erzählte sie, irgendwann im Morgengrauen, wenn die schönen Geschichten kommen, von verzauberten Parks und unberührten Anwesen an der französischen Küste, kaum entdeckten Herrenhäusern irgendwo, den Bewohnern und der Arbeit dort am Set. Schien das nicht verführerisch? Unberührte, fremde Schönheiten - das klang wie eine jener unglaublichen exotischen jungfräulichen Prinzessinnen der Südsee, für die manch klappriges Schiff voll Konquistadoren sehnsuchtsvoll gleich über mehrere Ozeane fuhr.

Heute indes gibt es das ja alles im Haifischbecken Internet, und vielleicht ist sogar die Südseeschönheit dabei: bei Airspaces vielleicht oder Light Locations. Muß man schauen. Oder die Geheimnisse besser doch verschleiert lassen.


 


Donnerstag, 17. September 2009


Ventrikel



Gestern ein paar Gläser und Teller für die Volksküche gespendet, du darfst nicht vergessen/zu essen. Ich glaube, die können da gut noch mehr gebrauchen. Aufräumtage, im Gängeviertel wird eifrig geschreinert und gemacht, mir war das Signal, die ein oder andere taube Ecke meiner runtergewirtschafteten Dachstube ein wenig zu beklopfen, bespachteln und neu zu verschrauben. Es gilt, Hirn und Haus herbstfest zu machen, ich will beim nächsten Sturm kein loses Laub in meinem Kopf mehr wirbeln sehen. Ab und an ein paar zürnende Erkenntnisse, die hölzern auf dem Acker stehen. Aber da war der Gärtner selber schuld. Wie ein Erstklässler sitzt man mit Puzzlestücken und soll Muster legen. Und man hört die anderen verhalten kichern, während man selbst die einfachsten Quadrate nicht sieht. Zu nah dran. Zu wenig Freiräume, um in Ruhe nachzudenken oder ersatzweise etwas anderes zu tun.



Zum Glück gibt es die Prahlsucht, das Plappern und Verplappern, das Verraten und Verräterische aus eitler Selbstgefälligkeit. Sonst würde ich ja immer noch Kreise machen, wo es nur Dreiecke gibt. Mich überrascht meine Langsamkeit. Sonst nichts mehr.

Flanieren | von kid37 um 16:01h | noch kein Zuspruch | Kondolieren | Link

 


Dienstag, 15. September 2009


Kreisläufe



Da ich hier ja meist betrüblich im Dunkeln sitze und auch keine laute Musik höre, möchte mein Stromversorger mir Geld zurücküberweisen. Verbrauchsreduziertes Leben führt zu Wachstum, der Beweis ist erbracht! Aus reinem Übermut allerdings schleppte ich später sog. Sellerie vom Lebensmittelversorger nach Hause. Das lag aber daran, daß ich mich erinnerte, wie wir als Kinder auf dem kargen Acker meiner Tante heimlich die Blätter des Selleries pflückten und zwischen den Händen zerrieben, um begierig den Geruch einzuatmen. Der wiederum erinnerte uns an warmes Essen, das es aber nur sonntags gab. Damals war ja die Zeit, als Stromversorger noch nichts zurücküberwiesen und folglich eine große Armut über dem Land lag.

Jetzt habe ich die Blätter und Stengel erst einmal in Wasser gestellt. Mit dem Rest kann ich nichts anfangen. Den würde ich verkochen müssen - was aber den Stromverbrauch erhöht, so daß mich mein Stromversorger am Ende des Jahres zur Nachzahlung auffordern wird. Ein Teufelskraut.


 


Dienstag, 15. September 2009


Nelken verschwenden

Picket lines and picket signs
Don't punish me with brutality

(Marvin Gaye, What's Going on?)



Beim letzten Mal im Juli fehlten am Ende vier Zähne - und eine Menge Antworten. Die Wiederholung sollte bitteschön entspannter werden. Und bis auf die freundlichen Kontaktsbereichbeamten, die schulterpolsterfrei durch die Angebote schlurften, waren diesmal im Vorfeld keine Kampfeinheiten in Sicht. Putzig fast das Kamerateam auf dem Balkon einer Anliegerwohnung, das mäßig unauffällig mit dickem Equipment die Besucher filmte. Ich mache ein Bild von der Hausfassade, ein Kollege auf dem Balkon stupst den Kameramann an, macht ihn auf mich aufmerksam. Der schwenkt herum und richtet sein Objektiv auf mich. So filmen und fotografieren wir uns eine Weile gegenseitig, schöne neue Überwachungswelt. Ich bedaure, nicht wie Herr Giardino ein Schild hochhalten zu können. Ein ganz normales Pärchen, Typ Mittvierziger Flohmarktgänger, spricht mich an, die beiden sind halb empört. Auch sie sind genervt von diesem Überwachungswahn, das Thema ist in der "Mitte" angekommen. "Vielleicht bloß ein TV-Team", sage ich und zwinker mit dem Auge. "Nee", meint der Mann und lacht. "Dafür fehlt der bekiffte Blick".

Ach, diese Jungs immer mit ihrem Spielzeug. Ich weiß noch, damals in den 80ern, wie auf irgendwelchen Friedensdemos sich so Staatsschutzmilchbubis an die Wand und in Hauseingänge drückten und verschwörerisch und wahnsinnig unauffällig in ihre beigefarbenen Windjacken mit Strickbündchenärmeln flüsterten - dort, wo klobiges Sprechfunkgerät den billigen Stoff auswölbte. Niemand konnte das alles ernst nehmen. Ich meine, Strickbündchen!

Schön war's. Zwischen den Flohmarktständen, Bücher- und Plunderbuden reihte sich verführerische internationale Imbißkultur, irgendwo probierte ich eine südamerikanische "Revolutionsspeise". Interessant, sage ich mal, aber meine Truppen würden mit einem ordentlichen Käsebrot im Tornister zum Marsch aufbrechen. Ehe aber die Krawalleros kommen, dann lieber weiter, einer anderen Nacht und anderen Freiräumen entgegen. Den Pulsschlag spüren.


 


Freitag, 11. September 2009


Stöckchen, Mensch, fast wie damals

Herr Monopixel war so freundlich, mich mit einem dieser sogenannten Stöckchen zu bewerfen, Dingen, vor denen ich meist in Deckung gehe, aber man soll sich andererseits ja auch nicht immer zieren. Es ist schließlich casual Friday und das Ganze bestimmt für einen guten Zweck. (Und ich bin gespannt, was andere Rechner aus diesen Sonderzeichen machen.)

Are you male or female?


Describe yourself:


How do you feel about yourself?


Describe your current boy/girl situation:


Describe your current location:


Describe where you want to be:


Your best friends are:


My favourite colour is:


You know that…


How’s the weather?


If your life was a television show what would it be called?


What is life to you?


What is the best advice you have to give?


If you could change your name what would you change it to?


Wenn sie mögen, dürfen Frau Fishy, Herr Mark, und natürlich Frau Klugscheißer weitermachen.

Radau | von kid37 um 15:15h | 16 mal Zuspruch | Kondolieren | Link