
Mittwoch, 23. April 2008

Wer am Wochenende der langen Nacht der Museen in Hamburg angesichts des zu erwartenden Gedränges fragend gegenübersteht, möchte vielleicht lieber zu einer Lesung gehen. Am Samstag, lesen die einzigartige Lu gemeinsam mit Isa, Mek und Merlix von den Herzdamengeschichten. Ich wette, die läuten den Frühling ein.

Am Sonntag geht es weiter mit der Nummer 49 der Reihe Kaffee.Satz.Lesen. Dort lesen Katja Lange-Müller, Susanne Höbel, Florian Thalhofer und ich. Wie immer möchte ich Menschen weinen sehen, kommt also bitte zahlreich, und spielt so etwas wie stille Ergriffenheit vor. Ich freue mich sehr und vertraue ansonsten auf mein Horoskop.

Dienstag, 22. April 2008
Ich glaube, ich muß mich erst einmal orientieren, ist ungefähr der Satz, den ich in Wien am häufigsten äußere. Wer ständig träumt, ohne zu schlafen, Bären auf Motorrädern und bildschöne Frauen sieht, nimmt spontan leicht die falsche Abzweigung. Dabei führen doch bekanntlich alle Wege ins Nichts, man kann bis dahin aber auf den unterschiedlichsten Wegen unterschiedlich Schönes erleben. Wenn man nur nicht vergißt, sich wenigstens ab und an in aller gebotenen Ruhe zu orientieren.


Den Kummer binde ich einfach am Naschmarkt mit nachlässiger Ruhe an einen Laternenpfahl. Vielleicht wird er gestohlen, hoffe ich, der Dieb mag auch das Halsband behalten. Vielleicht hat es geklappt, in der Nacht wird viel getrunken und noch mehr gelacht. Alles im Dreivierteltakt, mit konspirativen Geschichten, blitzenden Augen und... einer Selbstverständlichkeit, um die man keine Worte machen muß. Dann sitze ich auf einmal in einem verwunschenen Garten, genieße Kaffee und Kuchen, die Sonne unter einem blühenden Apfelbaum - und die Herzlichkeit eines echten Wiener Drei Mädlhaus.
Später besichtigen wir die tolle Werkstatt, die tatsächlich in einem alten Kloster liegt, man spürt die Ruhe, und ich stelle mir vor, wie ich mit einem Aufsitzrasenmäher tagein, tagaus über die Wiesen tucker und das Gras mähe. Ich atme den Geruch von Papier, sehe, wie das Sonnenlicht die alten Maschinen streift. Überhaupt: das schöne Licht, das durch die hohen Fenster fällt. Ich darf mir etwas aussuchen zum Geschenk, ein wunderbares Leerbuch, und ich wähle das mit Böcklins "Toteninsel" als Cover, denn zweifelsfrei hat es dort auf mich gewartet. Lieben Dank, ich habe mich sehr gefreut.
Als ich beim Abflug beim Check-in nach meinem Reiseziel gefragt werde und mit zweifelsfreier Bestimmtheit "Wien" sage, mußte ich mich aber nicht erst einmal orientieren. Das, ich sage auch dies zweifelsfrei, war schlicht ein Freud'scher Versprecher. Nach der Landung in Hamburg entschuldigt man sich für den turbulenten Anflug. Ich nehme es gelassen zur Kenntnis, schließlich bin ich Wirbel am Ende meiner Tragflächen gewöhnt. Ich selbst orientiere mich weiter ganz in Ruhe.

Montag, 21. April 2008
So, Wien. Ich bin dann gleich mal weg. Einerseits schön, wieder nach Hause zu fliegen, andererseits bliebe ich gerne noch hier. Ich habe schon angedroht, bald wiederzukommen. Die Wiener nahmen es gelassen. Jetzt noch schnell Haare kämmen. Sich am Flughafen verwehen lassen.

Sonntag, 20. April 2008

Hilfe! Von Suna und H. durch die Nacht verschleppt worden. Große Schikanederschikane. Bild folgt, sobald ich wieder sehen kann. Toll war's, früh spät & trunken. Nun auf dem Programm: Sonne und etwas frische Luft.

Samstag, 19. April 2008
Anders als manch andere Großstadt, findet Wien auch nach 20.00 Uhr statt. Kann man also weggehen, ein Getränk einnehmen oder zwei. Nach der Touristenrunde, um den Theoriekomplex zu klären, warum Wien so morbide ist, Guten Tag, Herr Freud, begibt sich die Neigungsgruppe Trunk & Reise ohne Bärenkostüm in das erste Praxisseminar. Ich mache einen kleinen Test und laufe zweimal am Lokal vorbei, bis Frau Klugscheißer instinktsicher die Initiative ergreift und uns beide hineinschleift. Wunderbar!
Drinnen warten schon H. und alle, und ich versuche, die Flirtstrategien von B. zu analysieren, mache mir eifrig Notizen im Hinterkopf, jetzt ganz ohne Schmäh, und probiere das Bier des Tages. H. und ich werden für Brüder gehalten, was wir amüsant finden. Zwillinge, nach der Geburt getrennt vielleicht. Gibt es ja alles. Irgendwann taucht überraschend sie auf, und ich freue mich riesig. Sehr. Es wird viel gelacht, zu meinem Kummer, aber gerade im Urlaub gilt: Man kann Dinge ja auch mal anders machen. Ein wunderbarer Abend, den der schweigsamste Taxifahrer, den ich bislang kennenlernte, sicher zu Ende bringt.
Gleich Barney, hinterher wieder freundlich tun sein. Und wie ist das Wetter bei euch?

Freitag, 18. April 2008

Herr Kid philosophiert über dieses "links" und "rechts", von dem man neuerdings soviel hört, und wird von Frau Klugscheißer bei der Problemsammelstelle deponiert
Was will, fragt man sich, der spontaneitätsgebremste Herr Kid, so unvermittelt in der schönen Stadt? Ich kann sagen: Es geht um die Sache! Im Auftrag der Idee Neigungsgruppen Kummer & Trunk für die Welt treffe ich mich nämlich mit der werten Frau Klugscheißer, Betreuerin der Sektion Süd, zum ersten konstitutierenden Gemeinschaftstreffen auf internationaler Ebene. Streng sachlich also, aber auch mit Kulturprogramm.
Weil wir beide katholisch geprägt sind, waren wir als erstes im Stephansdom oder vielleicht als zweites, denn als erstes mußte ja das Wlan eingerichtet werden. Heute gibt es ein Symposium auf dem Zentralfriedhof, bei dem weitere Statuten ausgearbeitet werden sollen. Man muß sich die Reise als ein einziges, erweitertes Arbeitsfrühstück vorstellen. Matthew Barney zeigt in der Kunsthalle - darauf bin ich schon sehr gespannt. Aber locker.

Donnerstag, 17. April 2008
So, jetzt muß ich nur noch irgendwann zum Flughafen. Die Leibwäsche ist gepackt, Kabel, Geräte, Zuspruch, gute Wünsche und Geschäftspapiere. Der Basilikum steht im Wasserbad. Angefangene Briefe lasse ich angefangen, muß eh alles ein wenig fairer werden.
Den Daheimgebliebenen überlasse ich den Ringelstrumpf der Woche von Joseph Umbro, der unter anderem zeigt, wie man modern reist. Ich hoffe, ich muß meinen Koffer nicht öffnen.
Paßt mir auf das Licht in meinem kleinen Leuchtturm auf. Ich passe derweil auf mich auf.
