
Mittwoch, 19. März 2008
Ich weiß nicht, ob es auffiel, aber ging ja nicht so in letzter Zeit. Hier. Wo aber, fragt mancher, bleibt denn das Positive, Herr K.? Ja, aber hier doch, hier doch. Heute gab es sozusagen großes Resteeessen, und ich muß zugeben, ich habe wie eine kleine Ameise alles rausgetragen mir den Bauch etwas voll geschlagen. Stapelweise viel zu Schauen, einiges zu Entdecken, ein großes Geschenk für die Augen.
Fehlt nur noch ein Heart of Gold halber Regalmeter daheim. Aber man soll nicht den Mond verlangen.

Dienstag, 18. März 2008
Und dann höre ich diesen Satz, von dem ich denke, daß er irgendwo gefunden wurde. Aufgeschnappt, gelesen, und man sagt ihn, weil man hören will, wie er klingt, wie er sich anhört, laut, wie es sich anfühlt, nah. Eine gesummte Melodie wie ein aufgeschnappter Klingelton.
Zurück dann zum Schiff namens Unverdrossenheit. Hammer, Nägel, ein bißchen Holz. Das muß reichen, vielleicht geht es ja nicht weit hinaus. Den Geschmack noch auf den Lippen, das viele Blut im Mund, mühsam mit den tauben Händen an der Winde, Anker hoch und weiter dann. Was man will, nimmt man sich besser selber. Raubt es notfalls, kapert, stiehlt. Auf milde Gaben wollen wir nicht hoffen, jedermann sein eigenes Schiff.
Raus aus der See der Unverbindlichkeit. Das Gerede nicht mehr hören, den aufgesexten Glitzerquatsch. Der nachts nicht wärmt und nicht im Winter, selbst wenn er im Kamin verbrennt. Meine Träume, sag ich, sind schöner als deine. Du weißt nur nichts davon, du hast nie gefragt.

Montag, 17. März 2008
Als ich mir vor Jahren den übrigens sehr lesenswerten Roman von Junichiro Tanizaki kaufte, meinte die sehr schöne Frau™ auf ihre besondere, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit spöttisch zu nennenden Art, daß es sich schon allein des Titels wegen dabei doch nur um mein eigenes Tagebuch handeln könne. Die Mantik des Buchkaufs.
Damals habe ich noch gelacht. Mittlerweile wird mir klarer, wie scharfsinnig sie war. Man wird nicht zum Narren gehalten, man hält sich selbst zum Narren.
Der süße Traum der Illusion. Delusion, der Instantzauber aus dem Vakuumpack. Just add blood. Just add Gequatsche. Das dreifaltige Credo der Abgeklärten hingegen lautet: Nie etwas glauben, nie etwas erwarten, nie überrascht sein. "Ich will, daß Liebe wahr wird", singt Distelmeyer. Ich will nur meine Ruhe.
Ich weiß noch, wie ich mit nackten Füßen über den Parkettboden schlich, raus auf den Balkon, den Mond sah, die Stadt da draußen, die unbekannte, ein Geruch, der mir fremd war, und ein Summen wie ein kaputter Kühlschrankmotor. Ich vergrub mein Herz im Blumenkasten. Etwas, das bleibt. Weil ich dachte... weil ich dachte, weil ich an etwas Rares dachte.
Immerhin das.

Sonntag, 16. März 2008
Das Wetter zum Liegenbleiben. Aus dem Wunsch, das Heim zur Eremitage auszubauen, drängt sich dann aber doch die Idee heraus, Bildnisse eines anderen berühmten Klausners anzuschauen: Die Versuchung des heiligen Antonius.
Vom Schrecken bis zur Lust, von Bosch bis Ernst, lockt die Ausstellung, es brueghelt ein wenig vor sich hin und bald wird klar: dem armen Mann blieb nichts erspart. Stichelnde Monster, flammende Teufel, derbes Pack, gefräßige Fische (angeblich ein Symbol für Gier, dabei sind die so liebenswert) und immer wieder lüsterne Frauen. Die popkulturelle Variante zeigte den Mönch wohl als Urahn Al Bundys, dem weibsbildgeplagten Sofaphilosophen, aber ein Bild von Félicien Rops legt eine andere Analogie näher. Der malt den Antonius nämlich als einen Mann, der glücklich Seite an Seite mit dem Schwein liegt, das ihm traditionellerweise an die ikonographische Seite gestellt wird. Klar, mag man denken. Wer eine Sau im Bett hat dermaßen tierlieb ist, dem kann Eros in Gestalt verführerischer Frauen nicht gefährlich werden. Man begreift, wie George Clooney jahrelang bildschönen Frauen widerstehen konnte: Er hat bekanntlich Schwein gehabt. Er wäre unser Mann, der moderne Antonius.
In Wahrheit aber liegen misogyne Deutungen fern. Der heilige Antonius jedenfalls wird, nachdem er eine Vielzahl an Qualen überstand, auch den Spott gegen ihn mit bekanntem Ernst erdulden. Alles andere ist Sodom, Sumpf und Vanitas.
("Schrecken und Lust: Die Versuchung des heiligen Antonius von Hieronymus Bosch bis Max Ernst". Bucerius Kunstforum. Hamburg. Bis zum 18.5.2008.)

Sonntag, 16. März 2008
Müde.

Freitag, 14. März 2008
Wenn ich mir den Regen draußen so anschaue, würde ich sagen: Heute ist ein Tag, an dem man besser mit einer schönen Frau im Bett bleiben sollte.
[aus meinem Buch: Herr Kid macht sich schon am frühen Morgen Gedanken]

Donnerstag, 13. März 2008
Heute morgen hieß es nüchtern bleiben, was mir am Frühstückbüffet, das mir meine philippinische Hausdienerschaft aufgefahren hatte schon schwer fiel, vom Magen her, aber noch später dann vom Herzen. Meine Ärztin nämlich, mütterlicher Typ, ging letztes Jahr mit einem überraschendem Tschüß in Pension. Heute nun konsultierte ich ihre Nachfolgerin, aber erstmal ging es ins Labor, man interessiert sich bekanntlich für Körperflüssigkeiten in diesem Metier. Und siehe, Erscheinung, auch dort herrscht spendet neues Personal Liebreiz. Blutlüstern nähert sich mir nämlich eine frische, allerdings viel zu junge Dame [Symbolfoto] im rasant geschnittenen Schwarzhaarpony, Typ Emo-Punk in Trainingsjacke. Mein Blut pocht ihr geradezu entgegen, während ich mit flirrendem Blick (kann am Blutdruck gelegen haben, Systole, Diastole, nein, nein, mir geht es gut, vielleicht besser hinlegen?) die Bewegungen ihrer zarten Hand beobachte. Und ihre Augen.
Dann, wie abgeschoben, ein letztes Lachen auf eine meiner launigen Bemerkungen ("Läuft." Stromberg) schwebt mir hinterher, sitze ich im Wartezimmer, döse ein wenig, wie weggetreten vom Blutverlust Schlafmangel der letzten Zeit, da steht meine Ärztin vor mir. Jung, aber nicht zu sehr, ganz in Schwarz, die Haare, die Kleidung, denn Kittel gibt es hier nicht, die Lippen blutrot, ein freundliches Lächeln, so bittet sie mich hinein. Ich komme jetzt immer zu Ihnen, sage ich, noch ehe wir angefangen haben. Sie lächelt, wir diskutieren meine Werte, alles ganz gut, ich bin im Grunde topfit, nicht älter als, sagen wir mal, 37, also wenn man jetzt nur mein Blut sähe. Den Rest schiebe ich auf den Kummer, das versteht sie gut. Ob ich nicht einen Kardiologen aufsuchen möchte. Nö, meine ich, ich weiß ja, daß ich es derzeit am Herzen habe. Und schon lachen wir gemeinsam, sowas finden Mediziner witzig. Sie sieht gut aus, wenn sie lacht, sonst aber auch. Ich muß an mein Faible für medizinisch geschultes Personal denken, während sie meinen Körper betastet, hier mal und da auch.
Sie komme aus Berlin, entlocke ich ihr später, während ich mich langsam wieder anziehe und dabei diesen Trick mit meiner Oberarmmuskulatur mache. Eine Medizinerin aus Berlin hauche sage ich. Warten Sie, ich habe irgendwo noch einen Verlobungsring. Tolle Stadt, befinde ich und meine sie. Vorsichtshalber verkneife ich es mir, sie zu fragen, ob sie mir nicht mal was zeigen will. Von Berlin. Sie strahlt mich noch mal an aus großen Augen.
Wir sehen uns in drei Monaten, meint sie. Ich schaue sie an und weiß, sie hält ihre Termine ein.
