Montag, 17. März 2008


Ok, du hattest recht



Als ich mir vor Jahren den übrigens sehr lesenswerten Roman von Junichiro Tanizaki kaufte, meinte die sehr schöne Frau™ auf ihre besondere, mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit spöttisch zu nennenden Art, daß es sich schon allein des Titels wegen dabei doch nur um mein eigenes Tagebuch handeln könne. Die Mantik des Buchkaufs.

Damals habe ich noch gelacht. Mittlerweile wird mir klarer, wie scharfsinnig sie war. Man wird nicht zum Narren gehalten, man hält sich selbst zum Narren.

Der süße Traum der Illusion. Delusion, der Instantzauber aus dem Vakuumpack. Just add blood. Just add Gequatsche. Das dreifaltige Credo der Abgeklärten hingegen lautet: Nie etwas glauben, nie etwas erwarten, nie überrascht sein. "Ich will, daß Liebe wahr wird", singt Distelmeyer. Ich will nur meine Ruhe.

Ich weiß noch, wie ich mit nackten Füßen über den Parkettboden schlich, raus auf den Balkon, den Mond sah, die Stadt da draußen, die unbekannte, ein Geruch, der mir fremd war, und ein Summen wie ein kaputter Kühlschrankmotor. Ich vergrub mein Herz im Blumenkasten. Etwas, das bleibt. Weil ich dachte... weil ich dachte, weil ich an etwas Rares dachte.

Immerhin das.


 


Sonntag, 16. März 2008


Die Freuden der Schrecklust



Das Wetter zum Liegenbleiben. Aus dem Wunsch, das Heim zur Eremitage auszubauen, drängt sich dann aber doch die Idee heraus, Bildnisse eines anderen berühmten Klausners anzuschauen: Die Versuchung des heiligen Antonius.

Vom Schrecken bis zur Lust, von Bosch bis Ernst, lockt die Ausstellung, es brueghelt ein wenig vor sich hin und bald wird klar: dem armen Mann blieb nichts erspart. Stichelnde Monster, flammende Teufel, derbes Pack, gefräßige Fische (angeblich ein Symbol für Gier, dabei sind die so liebenswert) und immer wieder lüsterne Frauen. Die popkulturelle Variante zeigte den Mönch wohl als Urahn Al Bundys, dem weibsbildgeplagten Sofaphilosophen, aber ein Bild von Félicien Rops legt eine andere Analogie näher. Der malt den Antonius nämlich als einen Mann, der glücklich Seite an Seite mit dem Schwein liegt, das ihm traditionellerweise an die ikonographische Seite gestellt wird. Klar, mag man denken. Wer eine Sau im Bett hat dermaßen tierlieb ist, dem kann Eros in Gestalt verführerischer Frauen nicht gefährlich werden. Man begreift, wie George Clooney jahrelang bildschönen Frauen widerstehen konnte: Er hat bekanntlich Schwein gehabt. Er wäre unser Mann, der moderne Antonius.

In Wahrheit aber liegen misogyne Deutungen fern. Der heilige Antonius jedenfalls wird, nachdem er eine Vielzahl an Qualen überstand, auch den Spott gegen ihn mit bekanntem Ernst erdulden. Alles andere ist Sodom, Sumpf und Vanitas.

("Schrecken und Lust: Die Versuchung des heiligen Antonius von Hieronymus Bosch bis Max Ernst". Bucerius Kunstforum. Hamburg. Bis zum 18.5.2008.)


 


Sonntag, 16. März 2008



Müde.


 


Freitag, 14. März 2008


Μούσα

Wenn ich mir den Regen draußen so anschaue, würde ich sagen: Heute ist ein Tag, an dem man besser mit einer schönen Frau im Bett bleiben sollte.

[aus meinem Buch: Herr Kid macht sich schon am frühen Morgen Gedanken]


 


Donnerstag, 13. März 2008


My Nurse is dressed in Black

Heute morgen hieß es nüchtern bleiben, was mir am Frühstückbüffet, das mir meine philippinische Hausdienerschaft aufgefahren hatte schon schwer fiel, vom Magen her, aber noch später dann vom Herzen. Meine Ärztin nämlich, mütterlicher Typ, ging letztes Jahr mit einem überraschendem Tschüß in Pension. Heute nun konsultierte ich ihre Nachfolgerin, aber erstmal ging es ins Labor, man interessiert sich bekanntlich für Körperflüssigkeiten in diesem Metier. Und siehe, Erscheinung, auch dort herrscht spendet neues Personal Liebreiz. Blutlüstern nähert sich mir nämlich eine frische, allerdings viel zu junge Dame [Symbolfoto] im rasant geschnittenen Schwarzhaarpony, Typ Emo-Punk in Trainingsjacke. Mein Blut pocht ihr geradezu entgegen, während ich mit flirrendem Blick (kann am Blutdruck gelegen haben, Systole, Diastole, nein, nein, mir geht es gut, vielleicht besser hinlegen?) die Bewegungen ihrer zarten Hand beobachte. Und ihre Augen.

Dann, wie abgeschoben, ein letztes Lachen auf eine meiner launigen Bemerkungen ("Läuft." Stromberg) schwebt mir hinterher, sitze ich im Wartezimmer, döse ein wenig, wie weggetreten vom Blutverlust Schlafmangel der letzten Zeit, da steht meine Ärztin vor mir. Jung, aber nicht zu sehr, ganz in Schwarz, die Haare, die Kleidung, denn Kittel gibt es hier nicht, die Lippen blutrot, ein freundliches Lächeln, so bittet sie mich hinein. Ich komme jetzt immer zu Ihnen, sage ich, noch ehe wir angefangen haben. Sie lächelt, wir diskutieren meine Werte, alles ganz gut, ich bin im Grunde topfit, nicht älter als, sagen wir mal, 37, also wenn man jetzt nur mein Blut sähe. Den Rest schiebe ich auf den Kummer, das versteht sie gut. Ob ich nicht einen Kardiologen aufsuchen möchte. Nö, meine ich, ich weiß ja, daß ich es derzeit am Herzen habe. Und schon lachen wir gemeinsam, sowas finden Mediziner witzig. Sie sieht gut aus, wenn sie lacht, sonst aber auch. Ich muß an mein Faible für medizinisch geschultes Personal denken, während sie meinen Körper betastet, hier mal und da auch.

Sie komme aus Berlin, entlocke ich ihr später, während ich mich langsam wieder anziehe und dabei diesen Trick mit meiner Oberarmmuskulatur mache. Eine Medizinerin aus Berlin hauche sage ich. Warten Sie, ich habe irgendwo noch einen Verlobungsring. Tolle Stadt, befinde ich und meine sie. Vorsichtshalber verkneife ich es mir, sie zu fragen, ob sie mir nicht mal was zeigen will. Von Berlin. Sie strahlt mich noch mal an aus großen Augen.

Wir sehen uns in drei Monaten, meint sie. Ich schaue sie an und weiß, sie hält ihre Termine ein.


 


Mittwoch, 12. März 2008


Eine Kerze im roten Zimmer

"I think I've gone blind in my left eye!"
(Twin Peaks)



Sitzen, seine Träume ordnen, die Erinnerungen. Vorausblicken durch grünes Glas, Zurückblicken ins rote Licht, wie ein Aquarium mit dem schönen Fisch, der still seine Kreise zieht. Wie alles war, wie alles kam, wie alles sich änderte. Mehr Mulder & Scully als Lulu & Sailor, aber dann eben auch und länger dafür und dauerhafter und ohne den großen Krawall, außer dem, den ich selber machte.

Die gemeinsame Geschichte, die Tage, die zusammenwuchsen, das Lachen, die Gespräche, das Zaudern an den wesentlichen Punkten, der unerschütterliche Kern, der mit der Zeit ein wenig kleiner wurde. Rundgelutscht wie ein Eiswürfel im Mund, wie sich überhaupt erst Kühle, dann Kälte, dann Eis um dieses sonderbare Band legte, bis es eines Tages zerbrach. Wie man dann, unsicher erst oder trotzig, für sich selber gehen lernt, halb lahm, das linke Auge blind. Bis man stehenbleiben kann und zurückschaut und sieht, was gut war.

Wie ich mir nie Gedanken machen mußte, so wie später, ob mein Name nun ein "exotischer" war oder eher nicht. Ob ich eine Erinnerung war, die man vertreiben muß. Aus dem Kopf und aus dem Herzen. Oder ob du eigentlich jemand anderen meinst. Weil alles war, wie es war, ohne wenn und ohne aber und wir nicht zweifelten. Wie wir nicht immer gemeinsam feierten, aber trotzdem alles von einander wußten, spürten, immer, durch dieses sonderbare Band. Das Datum natürlich und wichtiger noch, was wir hatten, was uns fehlte. Wie wir uns oft fehlten.

Schwimm, kleiner Fisch. Es wird alles ganz wunderbar.


 


Dienstag, 11. März 2008


Das Fell, das wir tragen

Beim ersten Mal dachte ich, hm. Beim zweiten Mal, hm ja. Nun, nach dem dritten Mal bin ich begeistert: Fell (OT: Fur) beschreibt eine Epsiode aus dem Leben der Fotografin Diane Arbus, die am 14. März 85 Jahre alt geworden wäre.

Steven Shainberg, Regisseur des ganz entzückenden Films Secretary, erzählt nicht die Biografie der Arbus, sondern in wunderbar fotografierten Tableaus den entscheidenden (fiktiven) Wendepunkt ihres Lebens. Wie sie die luxuriöse, oberflächliche und hohl glitzernde Welt ihrer pelztragenden High-Society-Eltern verläßt und eine ganz andere findet: Die der "Anderen", der Freaks und Transvestiten, der Artisten und Ausgestoßenen. Manchmal muß man Gehen, um Anzukommen.

Arbus (Nicole Kidman) folgt wie Alice im Wunderland dem weißen Kaninchen und entdeckt Stück für Stück eine neue, bizarre Welt, enträtselt die Geheimnisse des Kellers und das Mysterium des Dachgeschosses. In surreal angehauchten Szenen entwickelt sich die Freundschaft zu Lionel Sweeney (Robert Downey Jr.), einem Mann, der an Hypertrichose, dem sogenannten "Werwolf-Syndrom" leidet. Sein exzessiver Haarwuchs, sein "Fell" ist die Kehrseite der schönen Raubtierpelze, die Arbus' Ehemann in Szene setzt. Je weiter sich Diane in diese traumhafte Welt verliert, desto klarer scheint ihr die neugefundene Realität. Desto wacher wird sie.

Technisch nicht übertrieben versiert, ging Diane Arbus bis zu ihrem frühen Freitod 1971 einen nicht immer unbeirrten, aber traumwandlerisch-wagemutigen Weg dahin, wo Amerika nicht ganz so schön ist. Sie suchte die Ästhetik des Häßlichen, das Abstoßende, das Aufregende - und ihre eigenen Ängste. Die Reaktionen auf ihre Fotos waren ablehnend bis haßerfüllt - sehr zu Arbus' Überraschung, die sich, so vermute ich, nicht immer was dabei dachte. Heute gilt sie als eine der bemerkenswertesten US-Fotografinnen des 20. Jahrhunderts. Ich bin natürlich Fan.

Shainberg spielt geschickt mit Fetischen wie Haar, Masken, Nackheit und Musik, verschönt, wo es der Arbus ums Radikale und Häßliche ging, weidet die sexuellen Aspekte aber nicht aus. Am Ende, am Ende des Films jedenfalls, geht es sowieso um eine ganz andere Liebe. Um einen anderen Atem. Am Ende geht es um Inspiration. Am Ende geht es um das Erwachen.

(Fell. Fur. USA 2006. Regie: Steven Shainberg.)

>>> Trailer
- Kritik zur Arbus-Biografie von Patricia Bosworth (Deutschlandradio)
- Bildersuche

Super 8 | von kid37 um 17:22h | 6 mal Zuspruch | Kondolieren | Link