Sonntag, 26. November 2006


Ein Mann muß entscheiden

Ich für meinen Teil gehe jetzt ins Bett.


 


Samstag, 25. November 2006


Rabenschwarze Fingernägel

Some children died the other day
We fed machines and then we prayed
Puked up and down in morbid faith
You should have seen the ratings that day

(Marilyn Manson, "The Nobodies")

Ich weiß noch genau, wann ich in der Gartenzwergfabrik anfing. Ich hatte meinen Job gekündigt, eine Anstellung übrigens, die einstmals Herwarth Walden ehrenvoll ausgefüllt hatte, ehe er sich - aus ähnlichen Differenzen wie ich - verabschiedete, um etwas zu tun, an dem sein Herz richtig hing.

Ich hatte mein Bewerbungsgespräch bei den Gartenzwergfabrikanten just an dem Tag, an dem ich abends auf ein Konzert von Marilyn Manson wollte. Das wurde in der Fabrik mit einem gewissen ungläubigen Lächeln zur Kenntnis genommen, ahnte man ja noch nicht, daß ein paar Jahre später, greifen wir ein Beispiel heraus, Menschen wie Jutta Ditfurth sich wohlwollend über den amerikanischen Brachial-Chansonier äußern würden.

Warum auch nicht? Ich habe zum Beispiel durch einige Experimentierlust herausgefunden, wie sich durch Zugabe von Vitamin C Absinth in einen gesunden Durstlöscher verwandeln läßt. Da liegt Gold im Dreck! Zudem stellte ich fest, wie sehr selbst Bloggen Spaß macht und den Charakter von - ich könnte das jetzt auch Arbeit nennen - Beschwerlichkeit verliert, wird man nur wie der schwarzbekittelte Meister von einer Gruppe Cheerleader begleitet. (Übrigens: Dieser Link führt Sie auf das Angebot von Youtube.)

Wie kam ich jetzt darauf? Ach so, Herwarth Walden und der Expressionismus. Der war ja mit Else Lasker-Schüler verheiratet, einer nicht völlig unbekannten Wuppertaler Lyrikerin, der - Wuppertal ist von dadaistischem Fluxusfieber durchdrungen - noch in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts, das glaubt jetzt wieder keiner, ein Steuerbescheid zugestellt wurde. Weil nämlich ein Beamter beim Wuppertaler Finanzamt dachte, Lasker-Schüler, Lasker-Schüler, da lese ich doch ständig was von in der Zeitung, ihre eigene Gesellschaft hat die, es gibt Lesungen - wo bleibt eigentlich ihre Einkommenssteuererklärung? Genau. Kann man ja mal nachfragen. Fand man damals ganz lustig, und ist es ja auch.

Das habe ich aus einer Zeitung herausgerissen und stelle es als historische Quelle hier rein.

Jedenfalls bringt mich das zum Blog von Bazon Brock, auch so ein Mensch mit Wuppertaler Wirkung. In meiner Zeit als Bummelstudent schlich ich mich ab und an in seine Vorlesungen, um also erleuchtet verwirrt meinen Weg zu gehen.

Was nutzt uns der Gedanke, dieselben (die Gedanken nämlich) seien frei, wenn der Madensack (id est der Körper) in Ketten liegt? Nüschte nix, das sind nämlich Nobodies, die versuchen, Somebodies zu sein. Wir aber treten lieber nicht auf die Grünflächen. Es reicht, wenn die Gedanken frei sind. "Der Tod ist das einzige Thema, zu dem die Deutschen wirklich etwas Einmaliges, jenen anderen ganz Unverständliches gesagt haben." (B.B.)

Was hat das denn jetzt mit meiner jetzigen Tätigkeit beim Formen kleiner nichtiger Gartendekorationsartikel zu tun? Ach so, ich komm gleich drauf, einen Schluck noch. Bleiche Haut, krude Gedanken. Die Dekorationskunst ist ja nun eine der eher unnützen Künste, anders als z.b. die Hirnchirurgie. Wenn ich mit Medizinern und insbesondere Medizinerinnen verkehre, was ab und an, schaut nicht so überrascht, vorkommt, sagen die, so ein Gartenzwerg, wie putzig, und davon kann man leben? Während ich die Ästhetik eines in Kongo-Rot-gefärbten Zellabstrichs preise und lobe. So ungerecht geht es zu! Dabei wären viele Menschen abends schon ruhiger, könnten sie nur gedankenverloren mit den Fingern über gut verheilte Narben oder die Naht echter Nylons streichen - anstatt ihre Mitmenschen zu drangsalieren und ihren Frust in schmierigen Toiletten in Berlin-Mitte abzubauen. (Heute habe ich nämlich überhaupt erstmals dieses berüchtigte Klo-Video dieses Gründers von diesem Stalker-Verzeichnis in diesem Internetz angesehen.) Laß mich dich unterhalten, mit nicht-normativer Ästhetik hat das jedenfalls nichts zu tun, du Trottel.

Bei den Gartenzwergverarbeitern auch nicht, denn dort wird zusehends, ich lüpfe jetzt mal das Nähkästchen, alles normierter, daß man auf die Grünflächen treten möchte und rufen: Nevermore! Wo bleiben hier die Visionen? Absinth erzeugt wiederum schöne Visionen, aber - so der Hirnchirurg - das tun Aneurysmen auch. So schließt sich der Kreis, es ist eben das Herzblut, das fehlt. Zombifiziert geht man seiner Beschäftigung nach, unalkoholisiert selbstverständlich, nimmt nur noch zur Kenntnis, sortiert die Paletten nach mechanischem Muster.

Kann es das gewesen sein? fragten die, es bleibt beim Thema, Ärzte. Und natürlich heißt die Antwort Nein. Also raus, sein eigenes Grab wühlen, oder besser noch, mal radikal was anderes machen, ehe man als Jedermann sein eigener Duckmäuser! Anti-Dadaist und unpolitischer Surreal-Sackkratzer endet. Etwas besseres als den Tod kann man schließlich überall finden.

Aber dann, denke ich, räum ich doch wie weiland Hermes Phettberg meine Wohnung zamm, trink mir eine alkoholangereicherte Frucade, jammere in mein Blog und träume von dem Tag, als ich sagte, morgen kann ich aber nicht, heute abend ist ja das Konzert von diesem Marilyn Manson.


 


Donnerstag, 23. November 2006


Dunkel und sonderbar wohl auch

"But I don't want to go among mad people," Alice remarked.
"Oh, you can't help that," said the Cat:
"We're all mad here. I'm mad. You're mad."

(Lewis Carroll. Alice in Wonderland. 1865.)


"Toy No. 9" © Viktor KoenAch, was wäre dies eine Welt ohne Spielzeuge! Erwachsen geworden und nicht bereit, jeden Tag eine Lektion zu lernen. Nichts zu Experimentieren, Demontieren, Auseinanderzuschrauben, Anzustaunen, Kaputtzumachen, Neuzuerfinden. Dinge zusammenzudengeln, die noch nie ein Mensch gesehen hat. Kreaturen zu gestalten, deren Wesen reine Idee ist und deren Fähigkeit nur darin liegt, die Eltern tüchtig zu erschrecken.

Wie wunderbar also, daß es Künstler wie Viktor Koen gibt. Der macht schräge Sachen, verrückt, bunt aber düster, brutal putzig, immer auch kitschig, sicher, aber im herzerwärmend blutgefrierenden Sinn. Macht bestimmt riesigen morbiden Spaß und deshalb sollte man sich das ruhig ansehen. Ich kann leider am Freitag nicht - unter anderem, weil ich mit meinem zickigen Rechner spielen ernste Dinge bereden muß. Ihn auseinanderschrauben, neuzusammensetzen, anstaunen, kaputtmachen neuerfinden und ihm Fähigkeiten beibringen, die ich eigentlich voraussetze.

Aber sobald alles (oder wenigstens mein CD-Brenner wieder will), werde ich mir wenigstens ein anderes Wunderland anschauen. Das andere wird dann alles nachgeholt.

("Dark Peculiar Toys", 24.11.2006 bis 13.1.2007 in der Strychnin-Galerie. Berlin, Boxhagener Str. 36)


 


Dienstag, 21. November 2006


Amok Koma

Der jugendliche Amokläufer soll ein "exzessiver" Nutzer von "Killerspielen" gewesen sein. Deshalb, so fordern es Politiker, müssen diese verboten werden.

Das Nachahmungspotential sei zu hoch. Dies gilt glücklicherweise für Leser des Spiegel und Betrachter des aktuellen und überall plakatierten Titelbildes nicht. Soldatenkluft, Knarre und die Forderung, "Die Deutschen müssen das Töten lernen", machten mir sonst noch angst.


 


Montag, 20. November 2006


Mal zusammenstehen

Als am Wochenende der Server weg war, haben einige nicht nur geweint und andere getrunken. Vielen ist sicher auch aufgefallen, was wir hier eigentlich haben: ein in aller Regel gut funktionierendes Blogsystem mit toller Nutzergemeinschaft, für das wir alle nichts zahlen, weil es Dirk Olbertz so will - und finanziert.

Wir leben hier also wie die Maden im Speck, schreiben, malen, entrüsten uns, weinen und kuscheln - und das alles für lau. Auch deshalb ist die Aktion, ab und an eine Spende für den laufenden Betrieb zu leisten und das eine oder andere Stück Hardware zu finanzieren, eine prima Sache.

Dirk Olbertz stellt aber nicht nur die technische Plattform zur Verfügung. Einige werden es mitbekommen haben: Vor einiger Zeit bereits gab es einen Rechtsstreit, bei dem unter anderem auch verlangt wurde, Nutzerdaten herauszugeben, um an Blogger und Kommentatoren heranzukommen. Dirk hat sich geweigert, es gab Abmahnungen und einen Prozeß, den Dirk gewonnen hat. Alles super also? Leider nein.

Lest hier selbst. Dirk hat recht bekommen - und eine saftige Rechnung dazu.

Jetzt kann man lamentieren und die Hände vor den Kopf schlagen, seinem Abgeordneten schreiben oder sonst was tun. Ich finde, man könnte auch einfach zusammenlegen und eine kleine Summe beitragen und damit schnelle Hilfe leisten. Einfach mal was zurückgeben.

Bei knapp 9.000 Blogs auf Blogger.de sollte es doch kein Problem sein, wenn jeder etwas gibt, so wie er oder sie halt kann. Wenn nur hundert Blogger je fünf Euro spendeten, wäre ein Anfang gemacht. Ich möchte bei der Gelegenheit daran erinnern, daß solche Rechtsstreitigkeiten nicht nur Geld, sondern auch Zeit und Nerven kosten.

Wie heißt es so schön? Es wäre für jeden bloß eine Kleinigkeit, für Dirk und letztlich uns alle aber eine riesige Hilfe.

Kontodaten gibt es hier.

(Kommentare sind aus. Ich will hier keine Diskussion. Wer sich nicht angesprochen fühlt, auch gut. Ansonsten: Überlegt einfach, was euch das Bloggen hier wert ist, füllt eine Überweisung aus und verbreitet die Nachricht. Danke.)

Tentakel | von kid37 um 21:16h | | Link

 


Samstag, 18. November 2006


Distinktionsgewinn

Heute, der Anflug einer Überlegung, mitten im Gewimmel des großstädtischen Konsumsozialgewirrs (ist nicht identisch mit Sozialkonsumgewirr, das ist hier!):

Was mir fehlt, ist ein T-Shirt mit

Ich habe nie einen Klingelton heruntergeladen


 


Mittwoch, 15. November 2006


You don't send me flowers anymore

So, jetzt hier, weiter, weiter. Zackzack. Wir können uns nicht immer mit diesem Zeugs aufhalten. Die Zeit wird knapp.

Zu den entzückendsten Möglichkeiten jugendgestützter Internetkommunikation gehören bekanntlich die kleinen Botschaften, die man sich mittels kreativ generierter Suchanfragen in die Referrerliste senden kann.

Man benötigt dazu einen eitlen, also irgendeinen, Blogger als Adressaten, eine Suchmaschine und eine mehr oder weniger geschickt formulierte Suchanfrage, die einen Treffer im adressierten Blog erzeugt - und per Klick einen Eintrag in die Referrerliste, die der gemeine Blogger bekanntlich minütlich im Auge behält.

So könnte ich jetzt bei Google eingeben:

Liebe+Lu+ich+habe+noch+keine+Zeit+für+einen+Fotogruß+
gefunden+denn+wenn+ich+abends+nach+Hause+komme+
ist+es+draußen+für+meine+Idee+schon+zu+dunkel


dann klicken, wenn die Miagolare erscheint - und schwupps hätte es die Lu in ihren Referrern, und ich müßte ihr keine Mail schicken. Toll, nicht wahr?

Zu meinen liebsten derartigen Botschaften, neben anderen Nettigkeiten, gehört der unvergeßliche Satz: "Herr Kid tut schäbig, denn sonst kann er nichts".
Ein geflügeltes Wort mittlerweile, treffender kann man es in der Kürze und Beschränkungen der technischen Möglichkeiten kaum formulieren.

Heute nun, auch super:

Search request: kid37 hat einen drin

Jetzt ist es ja so, daß ich nicht mehr so häufig betrunken blogge, was in erster Linie der Tatsache geschuldet ist, daß ich morgens aushäusig allerlei verbiegenden Tätigkeiten nachgehen muß, damit abends überhaupt Alkohol auf dem Tisch zu stehen kommt. Was auch nicht weit führt, ist der mir vor einiger Zeit von einem berühmten Kollegen erteilte Rat, doch erstmal selbst "einen reinzumachen", ehe ich mitrede weiter, s.o., schäbig tue. Da schlösse sich also ein gewisser thematischer Kreis, nur leider landen meine Bälle nach wie vor im Aus, und die 15 Minuten im Internet sind auch schon vorbei.

Keiner drin also, bleibt die dritte Erklärung. Im Norddeutschen würde man ja etwas bildlicher gesprochen sagen "Kid37 hat einen Sparren", das steht sogar schon so bei Rühmkorf (selbstredend sans Kid37), dem großen alten Mann des Zeitgedichts. Vielleicht ließ sich das bislang nicht über Datenkraken generieren, aber nun, da ich das Wort geschrieben habe, ist das Wort Fleisch geworden und siehe - es wird sein in den Suchmaschinen immerdar:

Sparren, Sparren, Sparren.