Mittwoch, 8. März 2006


Märzhäschen

Ich bin dein Hitch & du bist mein Hiker
Ich bin dein Easy, du bist mein Biker
Ich bin Passion & du bist die Blume
Du bist das Brot & ich bin die Krume
(Aus: 1000 Gedichte zum Frauentag.)

"Ich bin grad bei der Arbeit, ich habe einen vollen Mund." Ich weiß nicht, mit wem die Kollegin da telefoniert. Ich frage mich auch, was hier eigentlich so vollmundig gearbeitet wird, aber am Frauentag will man nicht so kritisch sein.

Über den amerikanischen Dunkel-Fotografen John Santerineross könnte ich auch eine lustige Geschichte erzählen, vielleicht eher eine traurige sogar. Egal.
Santerineross hat jedenfalls eine neue, mächtig aufgepeppte Webseite, die ich allerdings ein wenig überladen finde. (Ich mag in aller Regel keine flash-basierten Bildergalerien.)

Dennoch, das Stöbern ist schon deshalb interessant, weil es unter dem Menüpunkt "Studio Tour" meine nächste Wohnung zeigt, nur in größer.


 


Montag, 6. März 2006


Der Teufel ist ein Esel

We do all ill things,
They do 'em worst that love 'em,
And dwell there,
Till the Plague comes.

(Ben Jonson, The Devil Is An Ass. 1616.)

Ben Jonson, zu Lebzeiten auf Englands Bühne(n) der größte Rivale Shakespeares, schickt in seiner Elizabethanischen Komödie
The Devil Is An Ass den übermütigen Teufel auf die Erde, sich ein wenig unter den Menschen zu vergnügen.
Teuflisch naiv, denn das verderbte Menschenpack zeigt dem armen Gehörnten rasch, wo der lasterhafte Hammer hängt: Betrug, Verrat, Untreue und Heuchelei sind der wohlgepflegte Kitt der mißratenen oberirdischen Brut. Die Menschen spielen - Pfui Teufel! - dem Schwefelkerl gar so übel mit, daß er sich flugs an den heimischen Herd zurücksehnt und die Hölle dem Erdendasein vorzieht. "The Devil was wont to carry away the Evil; But now the Evil out-carries the Devil." (V., 6.)

Trau, schau, wem. Die Neigungsgruppe Lockung & Laster schickt ja regelmäßig ihre Einladung, und würde ich mich nicht täglich selbst ans Bettgestell binden, ich legte meine Hände nicht brav über die Decke und schon gar nicht für mich ins Feuer. Tugenden und Laster, Laster und Tugenden - man kann sie und sich kaum noch auseinanderhalten.

Als ich endlich gegen eins das Haus verließ (die Sonne schien schon, aber nicht schön), hatte ich meine frühmorgendlichen Exerzitien am Theraband schon hinter mir. Geschmeidig wollen Körper und Geist erhalten sein. Dann tapfer durch den Schnee, frische Spuren machen. Die unbefleckte Decke betreten (für manches bloß ein Leichentuch) und unzögerlich (kalt lächelnd, bei diesem Wetter) stapfen, markieren, eine Spur ziehen, die sagt, Ich war und Ich war hier. Die kalte, feuchte Luft vertrieb die Leute, frierend hockten Vögel eng zusammen. Man weiß nicht, ist es Friede oder nur die Stille der letzten Stunde.

Eines darf man nicht vergessen: Wer dem Teufel nicht begegnet, hat ihn vielleicht selbst im Handgepäck.


 


Freitag, 3. März 2006


Mach mir eine harte Kopie

Ich stelle nur noch Kopien in dieses Internetz (Tusche, Stempel auf Papier, 2006)














Kein Ton und keine Sirene. Es wurde entdeckt, und wie alles, was man entdeckt, tauchte es plötzlich überall auf. Brot und Not, nicht alles läßt sich in Flaschen füllen. Aber über die Augen von Milla Jovovich sollte mal jemand ein paar empathische Sätze verlieren.

In echt.


 


Mittwoch, 1. März 2006


Ein Mittwoch wie Asche im Mund




Kein Kainsmal, sondern Asche auf der Stirn. Ab heute also 40 Tage keinen Alkohol und keine Schokolade. (Wenigstens manchmal.) Kein Fleisch und nur kräftiges Brot. Nur derbes Kattun und keine seidenen Taschentücher. Nur kirgisische Langzeitdokus im Originalton und kein leichtes Programm. Nur trockene Bloggerlesungen und kein schwitziges Robbie-Williams-Konzert. Die Heizung auf Null und keinen Kamin. Kein Müll auf die Strasse werfen, sondern wieder mit protestantischem Eifer separiert in die jeweiligen Tonnen. Kein Kopfkissen aus Daunen, nur kratzige Rot-Kreuz-Decken.

Viel mehr Schweigen.

An der Medikamentierung sollte bitte dennoch keiner rumschrauben.


 


Dienstag, 28. Februar 2006


Familiäre Heiterherde


Man fragt sich ja in diesen Tagen, diese irrlichternde Exaltiertheit, die muß doch einen Ursprung haben, tief im Herzen vielleicht oder liegt es gar im familiären Wurzelgeflecht? Nun, man könnte sagen, das Feiern liegt Familie Kid im Blut.

Durch Krieg und Vertreibung ins holsteinische und rheinische verschlagen, mischte sich schnell eine heitere Melancholie zurecht, die allzuoft gar wildfremde Menschen in trunkene Freude zu tauchen vermochte. Wie man auf diesem Foto von Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre sieht, waren damals die Feste besonders licht und nicht so nebelverhangen wie heutzutage im hermetischen Café. Meine Mutter, deren Schwestern und meine Großmutter waren es, die jene berühmte ostpreußische Laune in die Bergische Kaffeestube brachten - ausgelassen tanzte man nur wenige Minuten später bereits auf dem wackligen Tisch.


 


Montag, 27. Februar 2006


Vom platonschen Kugelwesen

Wenn et Trömmelsche jeht...
...dann stonn mer all parat!

Mit siebenunddreißigeinhalb beult sich bei Männern bekanntlich der Körper nicht mehr so häufig situationsbedingt aus, sondern neigt bei seinen rundlicheren Ausstülpungen deutlich zu Permanenzcharakter.

Nun zähle ich anerkannntermaßen weniger zu den vollschlanken als zu den voll schlanken Typen, dennoch zeigt meine ehemals stählerne Bauchdecke verstärkt Qualitäten eines konvexen Resonanzraums.

Kein Grund, wie ich finde, bei meinem Anblick den karnevalistischen Schlager vom Trömmelsche anzustimmen. Ich glaube, es ist Zeit für 'ne Rakete.


 


Freitag, 24. Februar 2006


Wuppdika

Lead, follow - or get out of the way.
(Anon)

Wie in einigen anderen Städten der Republik wird in Hamburg ja gestreikt. Mittlerweile sammelt sich der Müll am Straßenrand, Bürgersteige sind übersäht mit weggeworfenem Papier und Resten von irgendwas. Eigentlich, so dachte ich heute, eine nette Erinnerung an den rheinischen Straßenkarneval. So war der Höhepunkt beim Wuppertaler Sonntagsumzug (20 Motivwagen) die Parade der orangefarbenen Kehrmaschinen. Mit kreiselnden Lichtern und schnaufendem Gebrause schruppten sie Kamelle, Konfetti und Reste von irgendwas vom Asphalt, während links und rechts von ihnen glücksstrahlende Kinder mit gefüllten Plastiktüten, wankende Cowboys mit zerdrücktem Stetson und menopausierende Pippi-Langstrumpfs mit erloschenen Gesichtern nach Hause oder noch zu Günnis Eck schlichen.