
Samstag, 3. September 2005
konnte er nun von hier fortlaufen, dort hingehen.
Für Miß Glyzinia jedoch, die weinte, weil kleine Jungen groß
werden müssen, würde es nur dieses Wandern durch hinsterbende
Räume geben, bis sie an einem einsamen Tag den Verborgenen fand,
den Lächler mit dem Messer.
(Truman Capote. Andere Stimmen, andere Räume. 1948.)
In den letzten Tagen des Sommers, wenn die feuchten Nebel früher über das Wasser hereinrollen, wischt der Wind durch die matte Trägheit.
Er weht ihn auf, den Staub, die bunten Papiere, in denen die Süßigkeiten verpackt waren, greift sich das ein oder andere verfrüht gefallene Blatt oder fährt unter die Planen, zerrt an den Booten und den grinsenden Tieren des Karussells auf der Wiese. Aber nur nachts.
Die hartgesotteneren Männer stehen jetzt mit einem doppelten Caro am Fenster, denn die letzte Party fällt aus. Die letzte Party feiern eh immer nur die anderen, denkt man. Und daran gibt es nichts zu rütteln. Drüben im Tierheim heult ein Hund. Ein alter grauer, wahrscheinlich. Der letzte Streuner, nun gut verwahrt. Es ist jetzt kühl. Es ist angenehm. Ich besitze ein Zimmer, ich habe ein Bett. Vieles fällt, vieles fällt ab. Nur die Schulter schmerzt. Mein Schildarm. Aber den wird die letzte Sonne noch wärmen.

Freitag, 2. September 2005
Man kann über Hamburg sagen, was man will, aber eine gewisse weltoffene Toleranz ist durchaus spürbar. Wer - insbesondere im geschützten Grünanlagenverkehr - einen Slip anlegen möchte, kann dies selbstverständlich tun.
Im Stadtbild - und diese durchsichtigen weißen Hosen offenbaren da mehr, als man manchmal wahrhaben möchte - ist die Visible Panty Line ein oft ästhetisches Ärgernis. Modepolizisten aller Neigungsarten fordern daher häufig den kompletten Verzicht.
Nicht so Hamburg: Legt an, wenn ihr meint - eure Schiffe und auch eure Slips!

Donnerstag, 1. September 2005
Manchmal kommt die Wahrheit auf Easy-Listening-Sohlen:
So wahr, so charmant - der Soundtrack für einen schönen, depressiven Abend in der hauseigenen Lounge, während Gedanken und Augen rund um einen Gimlet oder Gin Tonic oder ein kleines Gläschen Absinth kreisen:
Everybody's F*cking But Me

Dienstag, 30. August 2005
Or should I go now?
(The Clash)
Manchmal, so abends am Fenster, denke ich, fahrt ihr doch alle weg - ich bin ja schon da. Aber dann ist das natürlich Blödsinn, man muß ja auch mal raus, andere Luft, Haut entblößen,
Wind und Wasser spüren. Frankreich oder Ostsee, Frankreich oder Ostsee geht das Spiel seit einigen Tagen. Selbstverständlich hieße zu normalen Zeiten die Antwort immer "Atlantik!"
Gischt, Wind und Wettergerbung. Aber nun, vielleicht eine kleine Tour de L'Est oder doch alles anders. Paris oder Prague, Rheinland oder Hauptstadtmoloch - oder einfach Telefon ausstöpseln, Internet erschießen und mit einem Fichtennadelnaufguß auf den Speicher klettern. Schwitzen, brüten, staubsaugen. Oder am Hafen ein Bier trinken. Alles belegt, tönt es aus dem Rohr der Nautilus. Dann schmeißen Sie die Leute raus, denke ich - aber nur leise und für mich und schweige still und überlege mir für morgen Plan Z.

Sonntag, 28. August 2005
Hello, hello, my name is
Warren Suicide
(Warren Suicide, "Warren Suicide")
Das ist mir nun auch zum ersten Mal passiert: Sitze ich in der U-Bahn und werde von einer hochattraktiven jungen Frau angesprochen. (
Ich denk' noch, was will die, ist meine Musik jetzt schon den Punketten zu laut?)
Als ich meine Ohrhörer herausgefriemelt habe
(Sie hören gerade: Radiohead, "Knives Out"), vernehme ich, "Bist du nicht kid37, der Blogger?" und gerate kurz ins Grübeln.
Wer, wo, was? Ja, tatsächlich, ich glaube, das stimmt. Es stellt sich heraus, es handelt sich um Hamburgs bekannteste Damentoilettenfotografin, die zudem ein hochgenaues Auge für Gesichter und irgendwann mal mein Foto gesehen hat.
Da war ich überrascht, denn ich hatte zwar mein T-Shirt mit Das hermetische Café an und diese Schale aus Aluminium (gegen die Strahlen) mit den aus Styropor gesägten, an Drahtspiralen aufgehängten Zahlen "3" und "7" auf dem Kopf - fühlte mich aber dennoch irgendwie mit dem Hintergrund verschmolzen unsichtbar.
Mal was Positives, denke ich, und shanghaie die Dame gleich für den Flohmarkt, zu dem ich untgerwegs bin. Allerdings muß ich rasch die Idee aufgeben, eventuell jemanden zum Tragen gefunden zu haben, denn Lady Grey hat bald schneller zugeschlagen, als ich "Meinen Sie wirklich?" sagen kann.
Für mich blieb nur der Pferdefuß, wie so oft im Leben. Ich widerstand allerdings (man kann sich nicht jedes tote Tier ins Haus holen) und begnügte mich mit Edward Goreys Katergorey und dem vergnüglichen kleinen Heimschnitzerfilm May. Auf dem Rückweg, jetzt aber zum Dritten!, traf ich erneut auf die kleine ringelbestrumpfte Japanerin, die immer in meiner U-Bahnstation Selbstporträts macht.
Fast hätte ich gefragt, "Lust auf'n Film?" und ihr die tödliche Schneiderin vor die kajalumränderten Augen gehalten (alle Japanerinnen lieben blutige Horrorfilme!). Aber dann fiel mir ein, daß ich heute irgendwie im Dienst war. Und erkennbar. Nicht inkognito. Nicht auszudenken, die ruft laut um Hilfe oder kann Kung-fu - und dann bekomme ich obendrein noch Flohmarktverbot.
Was wollte ich eigentlich sagen? Ach so, Herr Mequito, Herr Axel K. und weitere von der Neigungsgruppe "Suff und St. Pauli", schönen Gruß von der Gegengeraden, beim nächsten Bier sei man dabei!
Zu Hause dann noch ein paar konspirative Bloggerfäden gezogen - Frau Gaga, Sie hatten recht: Die netten Überraschungen (nicht immer nur Wasser durch die Decke) reißen nicht ab!
File under: Ein schöner Tag

Samstag, 27. August 2005
... da lebt eine, die ist so bekloppt wie ich sammelt auch allen möglichen Plunder vom Flohmarkt: Fotos, Kunst von Amateuren, alte Magazine, Notizbücher.
Das Blog Swapatorium gibt darüber Auskunft. Seit einem Jahr geht das schon so, keiner sagt mir Bescheid. Aber, Grüß Gott in die Schweiz, Miss W. lungert natürlich auch dort rum.
Und das macht mir das Herz so weit: Fly Me To The Moon.
Die Dame unterhält auch ein Zweitblog zum Thema Collagen. Kann man auch mal reinschauen. Ich gehe jetzt wieder rostige Nägel auf der Straße suchen.

Freitag, 26. August 2005
Heute, und es wird einige überraschen, aber ich muß es mal sagen: Rüüüüüüülllps.
(Danke, schon besser. Und vielen Dank auch für die Stöckchen, die nach mir geworfen wurden. Aber ich bin derzeit so dermaßen leckt-mich-doch-alle-mal, da mache ich lieber ein bißchen was offline. Ist eigentlich noch Vollmond?)
