Freitag, 22. Oktober 2004
"It ain’t over till the fat lady sings."
Die Kaltmamsell ist da einer großen Sache auf der Spur. Ist es denn normal, daß eine Lady nach einigen Jahren fett wird?
Donnerstag, 21. Oktober 2004
Damals, als ich gerade den Dave-Gahan-Tanz- wettbewerb zum zweiten Mal gewonnen hatte, faßte ich einen Entschluß.
Ich würde zunehmen, nur noch gute Musik hören und die Finger von bösen Frauen lassen. Egal in welcher Reihenfolge. Eigentlich wollte ich auch nur noch Kleidung von Dries Van Noten tragen. Aber dann habe ich das Preisgeld gleich in derselben Nacht mit einer schwerst- tätowierten Frau durchgebracht. Immerhin zeigte sie mir in einer stilleren Stunde, daß man mit ihrem Glöckchen-Piercing tatsächlich gute Musik machen konnte.
Seither habe ich aber etwas zugenommen und täglich bessere Musik gehört. Spiel, Trunk und Klimperaugen lasse ich standhaft links liegen. Und sei es einmal nicht so, nun, so rät der Philosoph, wovon man nicht sprechen kann, darüber muß man eben schweigen.
Manche halten mich deshalb gleich für einen Moralisten. Das ist natürlich Quatsch. Es stimmt, daß ich ein paar Mal eingeladen wurde, die Sonntagspredigt zu halten. Aber Fragen des sittlichen Benehmens und einer gewissen Etikette sind nun nicht unbedingt an rigide Moralvorstellungen gebunden. Chacun à son gôut, heißt es nicht umsonst. Und wer Milch predigt, aber Wein trinkt, den verlacht am Ende die Kuh.
Eines aber wollte ich nicht mehr sein: Blitzableiter. Bekannt für meine eigene große und quasi unerschütterliche emotionale Ausgeglichenheit ziehe ich nämlich die mit leichter bis mittelschwerer Energie aufgespannten Zickzack-Menschen an wie ein Kinderdrachen Blitze am Gewitterhimmel.
Die sagen dann, aber Herr Kid, Sie waren doch früher mal Messerwerfer im balinesischen Staatszirkus. Bitte, einmal nur die Nummer noch!
Naa, antworte ich. Das ist lange her. Und heute zu gefährlich. Die Messer bleiben hübsch im Schrank. Denn man muß wissen, wann seine Zeit abgelaufen ist. Nur sonntags noch, gleich nach dem Gottesdienst, lasse ich ab und an einmal die Scheibe kreisen. Dann stelle ich mir ein Glas Milch bereit mit nur einem winzigen Schuß von rotem Wein. Und manchmal, wirklich manchmal nur, mischt sich darin ein kleiner Tropfen Blut.
Mittwoch, 20. Oktober 2004
Während sich bei mir in den Referrern immer nur allerlei Dreck oder Unsinn sammelt (neulich noch: "Wie lerne ich meinem Kind das Flöten?" [sic!]), haben andere die wirklich großen Suchanfragen.
Gottesbeweise bitte an meine Mailadresse oder hier ins Blog, danke.
Ich sammel so was.
Mittwoch, 20. Oktober 2004
I wish I was special
But I'm a creep, I'm a weirdo.
(Radiohead, "Creep".)
Mail von einem fernen Planeten.
Du siehst nicht besonders aus.
Du kannst nichts besonderes.
Du bist nicht besonders im Bett.
Aber Du bist intensiv, das habe ich gemocht.
Gut. Ich halte mir jetzt ein Bolzenschußgerät an den Kopf.
Und dann geht es auf die Intensiv-Station. Haha.
Dort ist offensichtlich mein Zuhaus.
(Notiz an mich selbst: Im nächsten Leben unbedingt als Ork wiedergeboren werden.)
Gonna use my arms
Gonna use my legs
Gonna use my style
Gonna use my sidestep
Gonna use my fingers
Gonna use my, my, my imagination
’cause I gonna make you see
There’s nobody else here
No one like me
I’m special, so special
I gotta have some of your attention, give it to me
(The Pretenders, "Brass In Pocket".)
Montag, 18. Oktober 2004
Geschenke unter Freunden sind eine schöne Sache. Persönliche Geschenke sind noch toller. Je intimer und persönlicher ein solches Geschenk ist, umso bedeutsamer wird es sein.
Eine Geste, die Sehnsucht, Begehren, Anerkennung und vielleicht auch ein wenig augenzwinkernde, verschwörerische Verbundenheit demonstriert.
Vor allem verschwörerisch. Nicht jeder versteht das. Kate Winslet schon.
Mir würde das auch gefallen.
Freitag, 15. Oktober 2004
...and now for something completely different.
Geistert ja gerade durch die Blogs. Ich mach's aber nur, weil sonst niemand Nr. 115 angekreuzt hat. Vielleicht auch für die Mit-Stenographen interessant, die können ja eine Akte anlegen.
(Liste in den Kommentaren)
Via Kaltmamsell.
Als Ersatzspieler wollte ich nicht enden.
Da habe ich die Sportart gewechselt.
Donnerstag, 14. Oktober 2004
Da gibt es dann eine Party, auf der viele Leute eingeladen sind. Leute wie du und ich, Prominente und Semi-Prominente. Fast könnte man von einem öffentlichen Ereignis reden.
Da sich die meisten schon länger kennen, reden sich viele mit ihren Spitznamen an. Alle fühlen sich wohl, man plaudert über dieses und jenes, Sex, Liebe und Verkehrsprobleme.
Wie meistens ist jedoch einer unter den Gästen, den man zur Kategorie der Wichtigtuer zählen muß. Weil er zu den Themen nichts beisteuern kann, wählt er sich ein eigenes. Ihn stören die Spitznamen. Wer soll das sein, "Minze" oder "Baby" oder "Ratte"? Am liebsten würde er den Umstehenden die Personalpapiere aus der Tasche zerren, aber da hat er den einen schon erkannt. Er zieht eine Zeitung aus der Tasche - und richtig: Der da auf dem Foto abgebildet ist, heißt doch gar nicht "Ey, du Schauspieler", sondern Peter Panter und ist Leiter der örtlichen Selbsthilfegruppe der Anonymen Außenseiter.
Mit vor Triumph verzerrtem Gesicht und hochrotem Kopf springt er auf. "Ihr Minzes! Ihr Babys, Rattes und Rumpelstilzchen! Was soll das? Weiß doch jeder, daß Ey, du Schauspieler in Wahrheit Peter Panter heißt. Pöser Pube, der!" Beifallheischend schaut er sich um, doch die Menge guckt irritiert. (War was im Geburtstagssekt?)
"Na hier", ruft unser Mann und hält jedem das Foto aus der Zeitung unter die Nase, auf dem auch eine Frau abgebildet ist, die ebenfalls auf der Party anwesend ist. Die Menge wird unruhig. "Arschloch", zischelt einer. "Schlechte Kinderstube", ein anderer. Die Leute weichen leicht angewidert zurück.
"Ja, aber ist doch alles dokumentiert. Kann doch jeder nachlesen, daß das Peter Panter ist." Der Mann versteht die Welt nicht mehr. Spitznamen. So ein Quatsch! Was wahr ist, muß doch auch wahr bleiben. Will ihm denn keiner beipflichten? "Ja", bescheidet ihm einer. "Aber nicht alles muß gleich an die Öffentlichkeit. Hier wird auch keiner rausposaunen, ob du bekennender Thunfischesser bist oder nicht, wenn du es nicht selber tust. Selbst wenn das vielleicht kein wirkliches Geheimnis ist. Es interessiert im Moment einfach nicht."
"Außerdem", meint ein anderer, "bist du hier nur Gast. Es gehört sich eigentlich, daß man die anderen Gäste respektiert. Wenn die Gastgeberin nichts gegen Spitznamen hat, geht es dich nichts an. Das ist ja eine Frage des guten Benehmens."
Die Gastgeberin, weltläufig, charmant, läßt den aufgeregten Kämpfer der Selbstgerechtigkeit geschickt abblitzen. Jemand rettet geistesgegenwärtig die Situation und erklärt das Büffet für eröffnet. Mit großem "Ah" und "Oh" strömt die Menge davon.
Der wackere Ritter der großen Wahrheit ist geknickt. Er schleicht sich in die nächste Kneipe und erzählt dort von seiner Geschichte. "Wenn das wenigstens Schriftsteller wären, die Pseudonyme verwenden. Ja dann!"
Na ja, sagt einer. Mich kennt man hier auch nur als "Wolle".
Doch noch eine Niederlage verkraftet der geschlagene Held nicht. "Das", heuchelt er, "das ist ok. Das ist ja nur eine Kurzform." Er braucht jetzt Verständnis.
Er schmeißt eine Lokalrunde, den von nun an muß er sich Zuneigung erkaufen. Er spürt das. Es ist kalt auf dem Berg, auf dem der Rufer der selbsternannten Wahrheit sitzt.
Da gibt es nichts zu lachen. Das ist weit verbreitet.
Zum Glück habe ich einen dicken Riegel an der Tür.
I wake up everyday, the wrong side of the bed
I won't lay down on the floor like I'm the whore in your head
Call me a failure, pretender, sex offender, infector
Say I killed all my friends, and I deserve to be dead
Kiss, baby, kiss - Bang, baby bang - Suck, baby, suck...
This isn't music, and we're not a band
We're five middle fingers on a motherfucking hand.
(Marilyn Manson, "Vodevil")
Manchmal, wenn ich mir ganz gepflegt einen mit meinem alkoholfreien Pastis angehängt oder stundenlang vergeblich über CSS-Definitionen gebrütet habe, werde ich zum wilden Mann. "Einen wilden Mann kann man nicht halten", sang Bernadette La Hengst einmal. Da hat sie recht. Ein wilder Mann, der muß mal raus. Am besten an die frische Luft, wie das früher hieß. Man kann aber nicht immer nur Revolution machen. Manchmal ist auch Pause.
Heute ist ja schon Revolution, wenn man im Stehen pinkelt. Deshalb ergötze ich mich gerne an diesen Bildern. Schaue ich mir stundenlang an. Kippe alkoholfreien Pastis oder kalten Kamillentee herunter und warte auf den großen Moment: "The only ones left standing/Are the ones not demanding".
Dann liest man völlig isoliert, herausgerissen und zuordnungsfrei vom Tod der Mutter und wundert sich. Oder denkt sich, na gut, "No concept of pain/No right to complain". In diesen merklich frostig gewordenen Nächten spüren wir alle mal den kalten Griff metallener Kliniktische. Man muß nicht alles verstehen.
Halt' mich einfach fest. Ich mach' nur kurz mal Pause.
Irgendwas war da neulich noch mit Ringelstrümpfen.
Aber mir schwirrt der Kopf.
Off with your head! schreit die böse Königin.
Nein. Erst noch die Verlockungen kosten. Drink me! Eat me! ruft es um mich herum.
(Via Hermenschauer)