Freitag, 17. August 2018
You're wanted this time
There's no one to blame
Just hold on to me
(P. J. Harvey, "A Place Called Home")
Nachdem ich nach einigen Tag nur noch Tourist bin, will ich zumindestens ein paar Eckpunkte abklappern, es soll ja dieses und jenes dort zu sehen sein, was immer das dann jeweils bedeutet. Es sind Häuser zumeist, vor denen viele Menschen in luftigen Kleidern stehen, Mobiltelefone gezückt, und für Instagram Erinnerungsbilder knipsen. Jemand spricht mich auf irgendeiner mit irgendeiner Nummer benannten Avenue auf meine Kamera an und outet mich nach einem Satz meiner Antwort bereits als Deutscher. Nur, weil ich so einen schneidigen Akzent habe! Zo much watch!
"Wir sind hier nicht in Seattle, Kid", denke ich für mich und suche ein paar musikalische Punkte auf. Im CBGB, dem Bethlehem des Punk Rock, ist ja seit einigen Jahren eine Filiale von John Varvatos, der sich mit seiner Mode an finanzkräftigere Rockertypen wendet. In der Filiale lungert denn auch so einer rum, der aussieht, wie der Cousin von Slash, Hemd bis dahin geöffnet, Bändchen hier, Tätto da und einen speckigen Zylinder auf wallende Mähne gepresst. Vielleicht war es auch Slash. Ich unterhalte mich ein wenig mit dem Sicherheitsmann, wir reden über Fußball, er outet sich als Fan der deutschen Fußballnationalmannschaft, und ich sage, die kommen dieses Mal nicht weit. Entschuldigt also. Es lag nicht an diesem oder jenem Spieler. Ich habe geunkt.
Ringsherum Wahrzeichen und kulturgeschichtsträchtige Straßen. Das Chelsea Hotel ist eingerüstet und wenig fotogen, Bowery, Bleecker Street, auch so eine Musikstraße, wo Alicia Keys lebt oder lebte, die mal mit diesem Rapper dieses New York-Lied gemacht hat. East Village, Greenwich, Gramercy, Noho, Soho, Nolita, Tribeca - die Distrikte und Bezirke werden immer kleinteiliger, überall steht irgendwas herum, das man aus einem Film oder von einem Foto oder aus der verschwommenen Erinnerung kennt. Oder eben aus der Nacht, wenn die Lichter blinken, Sirenen heulen, bis nach Mitternacht auch Manhattan in einen unruhigen Schlaf fällt. Bei Evolution kann man tote Tiere kaufen. Man kommt ja selbst auch ganz außer Atem.
Oh, und sinkt auch die Moral, die High Line wartet. Jeder geht über die High Line nach Ironwoodland. Gleich ganz vielen anderen Leuten wandere ich die ab, das geht ganz gut, weil überall Bänke sind, auf denen man mit unschuldigem Blick Pause machen, aufs Mobiltelefon starren und sich rostige Fragen stellen kann. Ich fotografiere eine eiserne Feuertreppe und Fassaden, Texturen von alten Backsteinwänden, die ganz nahe an die ehemalige Bahntrasse heranreichen. Na ja. So was gibt es ja in Wuppertal auch. Und Heimat ist eh da, wo das Herz rumlungert.
>>> Geräusch des Tages: P. J. Harvey A Place Called Home