Mittwoch, 23. Dezember 2015


Abplatzende Lackspuren



Neues aus der Eremitage. So langsam geht es zu Ende, dieses ramponierte Jahr. Allerlei Korbgeflechte habe ich gesammelt, Absagen, manche amüsant, manche nicht so. Differenzen der Meinungsbildung und -vermittlung an vielerlei, nun ja, ich möchte den Begriff "Fronten" benutzen, Wenn man aus seinen Niederlagen lernt, dann habe ich 2015 das ein oder andere Examen bestanden. Vielleicht habe ich auch einfach deutlich an Substanz zurückgewonnen und das nicht nur im sogenanten Wampenbereich.

"Mach die Ente, laß es abperlen", höre ich es aus der Ahnengalerie mahnen. Freunde reden plötzlich irritierend dünkelhaft über meinen Broterwerb, so wie mit spitzen Fingern angefaßt. Nun arbeite ich ja zum Glück nicht in einem Bereich, von dem jemand erwartet, daß ich ihm oder ihr dort Türen für eine Karriere öffnen könnte. Devotes Anbiedern ist also völlig überflüssig und gar nicht erwünscht. Für Freunde der erhabenen Kultur ist das nachvollziehbar alles nichts, wenn ich Tag für Tag meine Präparate von links nach rechts schiebe, ein wenig daran herummale, den Staub mit dem Pinsel entferne und in eine schöne neue Form gebe. Gebrauchsarbeiten sind das. 2016, so die vorweihnachtliche Überraschung, werden die Karten eh neu gemischt und es ist dann Zeit für den Honigschein, eine kleine Imkerei in den unerschlossenen Wäldern von - ja wo eigentlich? "Salzwiesen in Norddeutschland!" ruft ein Kollege, derzeit ebenfalls mit der B-Planung beschäftigt.

"Wenn ich mal in Hengasch bin" wird der Titel meines nächsten Punkrockalbums lauten, das ich mit Jens Rachut aufnehmen will, so die Überlegeung. Der alte Haudegen hat nämlich in einer Folge bei "Mord mit Aussicht" mitgespielt, was ich gerade am heimischen Filmabspielgerät rekapituliuere. Am 28.12. zeigt die ARD den Kinofilm, eine launige Anspielung auf den Klassiker Rashomon, wenn man so will, für Nichtkenner der Serie vielleicht nicht ganz die Offenbarung, aber wirklich sehenswert. Wenn ich dann also mal in Hengasch bin, werde ich eine Scheibe einschlagen (Punkrock!) und mich von Sophie Haas erst verhaften und dann die ganze Nacht befragen lassen. Das Punkrockalbum danach heißt es übrigens "Wenn Muschi kocht" und hat noch viel mehr Hits.

Sophie Haas hegt ja auch einen gewissen Dünkel, gestrandet in der Provinz aus der gewissen Metropole Köln. Wie ihre Lebensträume nach und nach abhanden kamen, hat sie gar nicht realisiert, die gewisse Traurigkeit, die die Erzählung dieser Serie grundiert, rührt aber daher. Die Zeit vergeht darüber, und es bleibt die Frage nach der Zugehörigkeit. Das mag viele von uns beschäftigen, andere haben es nur noch nicht gemerkt.




Klare Schnitte sind manchmal notwendig, selbst im Kleinen. 2015 habe ich mich detailliert mit Mikroverschönerung im Heimbereich beschäftigt. Nach dem hilfreichen Motto, "geht es auch mit mir bergab, sollen wenigstens die Vorhänge gut sitzen". Versteht natürlich keiner, wenn man plötzlich über Tischporzellan nachdenkt oder Orchideenzucht oder die richtige Wahl der Küchenmesser. Schöne Schuhe sind auch immer ein gewisses schönes Thema, machen einen schlanken Fuß und ein ebensolches Portemonnaie. Jedenfalls, Marottensammler aufgepaßt, mußte ich mich aus ebensolchen heimhygienischen Überlegungen von meiner Ausgabe der Kurzgeschichten Miranda Julys trennen, weil ich entdeckte, daß auf der hinteren Umschlagseite ein Zitat aus der Rezension eines Typen abgedruckt war, der mir, wenn auch nur privat, extrem zuwider ist. Dahinter steckt ein Zuviel an - ebenfalls privater - Information, und am Ende hat es mich, in einem gewissen Sinne natürlich nur, traurig gemacht. Also: Weg damit, neu, und sowieso lieber die Originalausgabe, die auch von der Aufmachung perfekt zu Miranda Julys Roman paßt. Wie heißt es so schön in meinem preisgekrönten Debütroman Auslösung der Höhenkontrolle? "Wie bei den Küchenmessern habe ich es gerne einheitlich, diese zusammengeclutterten Studententage sind nun wirklich vorbei."

Sollte jemand noch ein Weihnachtsgeschenk für mich suchen, ich hätte wirklich gerne diese Pilzlampen von Yukio Takano. Ich mag keine Pilze, die mir im Munde zerfallen wie modrige Wörter, aber diese Lampen berühren mein Herz.