Samstag, 14. März 2015


Merz/Bow, #49

Ob das hier noch was wird? Ob ich meine Tastatur wiederfinde, wenn schon nicht die Sprache? Gern würde ich betteln, "Bitte, gib mir etwas Zeit", wie es manche im Leben sprechen, während sie dabei längst die Schuhe schnüren. Aber das erinnert an schlichte Schlagertexte, und meiner Erfahrung nach werden schlichte Schlagertexte gar nicht immer verstanden, so komplex sind die. Da werden Liebeslieder zu Pfeilen umetikettiert, daß man sich noch im Grabe drehen möchte.

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Ich habe wohlwollend gelesen. Rocko Schamonis Fünf Löcher im Himmel. Eine eher melodramatische Geschichte mit überflüssigem Epilog, nein, sogar zwei überflüssigen Epilogen, die das effektvoll stimulierte Ende stilistisch runterziehen. Die Sprache stimmt nicht immer genau. Wenn in Tagebüchern aus den 60ern viel zu modern forumuliert wird. Wenn Nachrichten aus dem Kleinstadtkäseblatt aber so gar nichts von mindestjournalistischer Schreibe haben. Da ist es mir zu ungenau, zu schlampig vielleicht. Die Geschichte hält aber gut bei Laune, und mehr will sie ja nicht.

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Ich habe wohlwollend eine Doku geschaut. Marwencol dreht sich um eine fiktive Stadt im fiktiven Belgien zur Zeit des Zweiten Weltkriegs, die der US-Künstler Mark Hogancamp mit Barbiepuppen bevölkert. Ihre groschenromanhaften Kriegsabenteuer fotografiert er als fortlaufende Geschichten und sieht sich selbst als Teil dieser akribisch und detailreich ausgestatteten Seifenoper. Hogancamp war nach einer üblen Schlägerei ins Koma gefallen und hat Hirnschäden erlitten. Seither lebt er in seinem "Tal der Puppen" und integriert auch die Puppen-Doubles seiner Nachbarn und Freunde in die Fotogeschichten. Ein bißchen unheimlich, auf jeden Fall anrührend und faszinierend.

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Im Grunde eine Art Bloggeruniversum, wenn man den Faden mal weiterspinnt. Avatare in ihrer zurechtstilisierten Welt.

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Ich saß mit einer Bekannten beim Essen im besten Restaurant von Marwencol und ging mit ihr meine Exit-Pläne B bis K durch. Aber egal, worüber ich referierte - Imkerei, Interpret von Kunstliederabenden, Malerfürst -, sie kam immer wieder auf "Rockstar" zurück. Ich sei so in dem Alter. Vielleicht ist da was dran, schließlich leben wir in einer alternden Gesellschaft. Ich würde natürlich, meinte ich, gleich oben einsteigen und ausschließlich Hallenkonzerte geben. Diese Clubtourneen im VW Bulli gehen ja doch ganz schön auf die Pumpe.

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Ich habe aber auch noch geheime Pläne. Und Hirnchirurgie finde ich auch interessant.

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Weil ich hier den Überblick verliere, mußte ich einige Bücher und Klamotten zum Basar bringen. Und noch ein paar mehr Bücher und Klamotten. Raumordnung & Struktur, zwei hilfreiche Krücken, wenn man so durchs Leben humpelt. Als Rockstar bräuchte ich natürlich gleich wieder neue Klamotten, Hingucker vielleicht zwischen Ziggy Stardust und Elton John.

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Das bringt mich auf was. Erinnert ich euch noch an den obskuren Kanal Telemedial? Der Herr ist bemerkenswert neu eingekleidet - irgendwo zwischen Ziggy Stardust und Elton John und erzählt etwas über die besonderen Kräfte und insbesondere die Geduld von Steinen. Und Internetfreunde. Da sagt ihr nichts mehr.

MerzBow | von kid37 um 22:37h | 12 mal Zuspruch | Kondolieren | Link