Freitag, 23. Dezember 2011


Eine Weihnachtsgeschichte

Bevor es heißt, der Herr Kid der bloggt aber auch nur noch nach dem Mondkalender, möchte ich eine kleine Geschichte erzählen. Meine Lieblingsweihnachtsgeschichte ist ja bekanntlich "Wie die Bethelkinder Weihnachten feiern", ein melodramatischer Tearjerker wie ihn nur ein Douglas-Sirk-Film übertreffen könnte. Wenn das arme kleine Mariechen mit dem Wasserkopf dem Kriegskrüppel erklärt: "Ach, sagte Mariechen, und ihre helle Stimme schallte durch den ganzen Raum, "man muß eben geduldig sein" - da bleibt kein Taschentuch trocken.



Jetzt ahmt das Leben die Kunst nur in Maßen nach, dennoch wankte ich also ganz trocken doch wieder zum Arzt, denn was ich lange im Verdacht hatte, war kaum noch wegzudiskutieren. Kurz: Wir sind einigermaßen wieder da, wo wir im September waren. Kein zweiter Schub, wie wir uns gegenseitig versicherten. Das Alte ist einfach nicht ausgeheilt - und in nicht augeheilten alten Dingen, das glaube man mir, kenne ich mich aus. Unter dem knappen Dutzend Ärzten, denen ich zuletzt begegnet bin, zählten ja einige zur Fachrichtung Dr. med Flitzpiepe, aber bei meiner Ärztin nun fühle ich mich gut aufgehoben. Wir haben nicht ganz denselben Humor, sie ist mehr so der sachliche Typ, unterbricht mich aber an den richtigen Stellen und kommt schnell auf den Punkt. Gestern, beim Pläneschmieden, als es darum ging ambulant oder Krankenhaus, überlegte ich nur kurz. Zwar ist auch Altkanzler Schmidt im selben Hospital abgestiegen, in dem ich zuletzt war, aber so richtig wohl habe ich mich da - zumal ohne Netzanbindung! - nicht gefühlt. Eine Herberge ward also gesucht.



Gestern und heute gab es erst einmal Infusionen in der Praxis, aber zu Hause ist es doch am Schönsten, wie Dorothy schließlich zurecht sagt, und so klappte meine Ärztin die roten Schuhe zusammen und erlaubte mir über die Feiertage die Selbstmedikamention. Leider keine Infusionen, dabei dürfte das doch nicht so schwer sein, Braunüle und Tropf anzulegen. Etwas konsterniert zeigte sie sich allerdings, als sie hörte, daß ich dieses Jahr Weihnachten weitgehend unbeaufsichtig verbringen werde, mir folglich keine drei Weisen aus fernen Ländern Myrrhe, Weihrauch (desinfizierend!) und Spezereien bringen werden. Bedenken hin- und herwälzend, wollte sie mich fast doch noch ins Kanzleramt zu Herrn Schmidt schicken, aber ich konnte sie beruhigen, als ich ihr erklärte, daß in meinem Blog quasi so etwas wie ein Totmannschalter angebracht sei, und sollte der Impuls erlöschen, stünde aber sofort ein Riege medizinisch-technisch ausgebildeter Blogleserinnen mit Ringelstrümpfen und Weihnachtsengelflügeln und dampfenden Suppen, Tupfern und Tabletten vor meinem Stall der Tür. Das überzeugte sie, wenn auch nur unter Restzweifeln. "Ich mache so was normalerweise nie", flüsterte sie vertraulich. "Aber ich gebe ihnen mal meine private Handynummer." Oh, sagte ich, errötend. Ich würde das auch nicht ausnutzen, also gewiß nicht anrufen. "Machen Sie ruhig, wenn was ist. Wenn ich nicht rangehe, bin ich in der Küche."

Eine Frau, die kochen kann! Hätte mich nicht der Infusionsschlauch oben gehalten, ich wäre glatt in die Knie gegangen. Jetzt aber bin ich versorgt mit Instruktionszetteln, alle zwei Stunden dies, morgens das und abends zur Sicherheit noch mal was anderes. Und hübsch bewegen, damit ich nicht wie Herr Schmidt eine Thrombose entwickle.

Mein Vater hatte auch noch gleich einen guten Hinweis. Er wäre ja in fernen Zeiten auch einmal dem Stern von Bethlehem hinterhergeirrt und hätte Heiligabend tatsächlich noch eine offene Kneipe gefunden. Die lag gegenüber vom Krankenhaus und dort hätten die Schwestern und Pfleger in ihrer Nachtschichtpause hübsch die Christmette gefeiert, lustig sei das gewesen. Die Tipps der Väter sind oft Gold wert, wie man meist später erst erkennt, sollte ich also medizinischen Beistand brauchen, werde ich einfach die Klinikkneipen abfahren.