Eine Weihnachtsgeschichte

Bevor es heißt, der Herr Kid der bloggt aber auch nur noch nach dem Mondkalender, möchte ich eine kleine Geschichte erzählen. Meine Lieblingsweihnachtsgeschichte ist ja bekanntlich "Wie die Bethelkinder Weihnachten feiern", ein melodramatischer Tearjerker wie ihn nur ein Douglas-Sirk-Film übertreffen könnte. Wenn das arme kleine Mariechen mit dem Wasserkopf dem Kriegskrüppel erklärt: "Ach, sagte Mariechen, und ihre helle Stimme schallte durch den ganzen Raum, "man muß eben geduldig sein" - da bleibt kein Taschentuch trocken.



Jetzt ahmt das Leben die Kunst nur in Maßen nach, dennoch wankte ich also ganz trocken doch wieder zum Arzt, denn was ich lange im Verdacht hatte, war kaum noch wegzudiskutieren. Kurz: Wir sind einigermaßen wieder da, wo wir im September waren. Kein zweiter Schub, wie wir uns gegenseitig versicherten. Das Alte ist einfach nicht ausgeheilt - und in nicht augeheilten alten Dingen, das glaube man mir, kenne ich mich aus. Unter dem knappen Dutzend Ärzten, denen ich zuletzt begegnet bin, zählten ja einige zur Fachrichtung Dr. med Flitzpiepe, aber bei meiner Ärztin nun fühle ich mich gut aufgehoben. Wir haben nicht ganz denselben Humor, sie ist mehr so der sachliche Typ, unterbricht mich aber an den richtigen Stellen und kommt schnell auf den Punkt. Gestern, beim Pläneschmieden, als es darum ging ambulant oder Krankenhaus, überlegte ich nur kurz. Zwar ist auch Altkanzler Schmidt im selben Hospital abgestiegen, in dem ich zuletzt war, aber so richtig wohl habe ich mich da - zumal ohne Netzanbindung! - nicht gefühlt. Eine Herberge ward also gesucht.



Gestern und heute gab es erst einmal Infusionen in der Praxis, aber zu Hause ist es doch am Schönsten, wie Dorothy schließlich zurecht sagt, und so klappte meine Ärztin die roten Schuhe zusammen und erlaubte mir über die Feiertage die Selbstmedikamention. Leider keine Infusionen, dabei dürfte das doch nicht so schwer sein, Braunüle und Tropf anzulegen. Etwas konsterniert zeigte sie sich allerdings, als sie hörte, daß ich dieses Jahr Weihnachten weitgehend unbeaufsichtig verbringen werde, mir folglich keine drei Weisen aus fernen Ländern Myrrhe, Weihrauch (desinfizierend!) und Spezereien bringen werden. Bedenken hin- und herwälzend, wollte sie mich fast doch noch ins Kanzleramt zu Herrn Schmidt schicken, aber ich konnte sie beruhigen, als ich ihr erklärte, daß in meinem Blog quasi so etwas wie ein Totmannschalter angebracht sei, und sollte der Impuls erlöschen, stünde aber sofort ein Riege medizinisch-technisch ausgebildeter Blogleserinnen mit Ringelstrümpfen und Weihnachtsengelflügeln und dampfenden Suppen, Tupfern und Tabletten vor meinem Stall der Tür. Das überzeugte sie, wenn auch nur unter Restzweifeln. "Ich mache so was normalerweise nie", flüsterte sie vertraulich. "Aber ich gebe ihnen mal meine private Handynummer." Oh, sagte ich, errötend. Ich würde das auch nicht ausnutzen, also gewiß nicht anrufen. "Machen Sie ruhig, wenn was ist. Wenn ich nicht rangehe, bin ich in der Küche."

Eine Frau, die kochen kann! Hätte mich nicht der Infusionsschlauch oben gehalten, ich wäre glatt in die Knie gegangen. Jetzt aber bin ich versorgt mit Instruktionszetteln, alle zwei Stunden dies, morgens das und abends zur Sicherheit noch mal was anderes. Und hübsch bewegen, damit ich nicht wie Herr Schmidt eine Thrombose entwickle.

Mein Vater hatte auch noch gleich einen guten Hinweis. Er wäre ja in fernen Zeiten auch einmal dem Stern von Bethlehem hinterhergeirrt und hätte Heiligabend tatsächlich noch eine offene Kneipe gefunden. Die lag gegenüber vom Krankenhaus und dort hätten die Schwestern und Pfleger in ihrer Nachtschichtpause hübsch die Christmette gefeiert, lustig sei das gewesen. Die Tipps der Väter sind oft Gold wert, wie man meist später erst erkennt, sollte ich also medizinischen Beistand brauchen, werde ich einfach die Klinikkneipen abfahren.

The Mercy Seat | 14:37h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
nnier - Freitag, 23. Dezember 2011, 15:27
Ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift "Immerhin!" lege ich morgen schon einem anderen unter den Baum. Ihnen alles Gute!

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prieditis - Freitag, 23. Dezember 2011, 15:40
Mensch, wirklich alles Gute!

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kid37 - Freitag, 23. Dezember 2011, 17:53
"Immer hin"? Super Aufdruck. ich bin ja für "Immer weitermachen".

Danke.

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c17h19no3 - Freitag, 23. Dezember 2011, 17:04
das klngt wirklich alles etwas beunruhigend. dieser herbst (es ist ja immer noch nicht winter) hat es mit vielen von uns echt nicht gut gemeint.

nacl hab ich mal gegen tinnitus bekommen. hilft das bei ihren problemen? oder ist das nur ein anschauungsbeispiel?

Ich halte die daumen gedrückt und wünsche ein so unbeschwertes fest wie möglich.

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kid37 - Freitag, 23. Dezember 2011, 17:54
Danke. Ist eine normale Kochsalzlösung, darin ist das eigentliche Medikament gelöst. Dieser Herbst ist schon erstaunlich. andererseits, was wäre mir alles passiert, hätte es mich im Sommer erwischt? Weiß man nicht.

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c17h19no3 - Freitag, 23. Dezember 2011, 18:32
aha... sowas dachte ich mir.

und glauben sie mir, meinen sommer hätten sie auch nicht gemocht. in diesem sinne: season doesn´t matter. ;)

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kristof - Freitag, 23. Dezember 2011, 20:04
Sie gehören mal ordentlich durchgebootet ...

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ladys smock - Freitag, 23. Dezember 2011, 22:37
er fängt aber gut an: ein Faltboot hat er schon ;-)

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kid37 - Freitag, 23. Dezember 2011, 22:42
Und so schnell lasse ich mich dann doch nicht ausbooten!

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vert - Freitag, 23. Dezember 2011, 22:51
landgang
these boots...

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ladys smock - Freitag, 23. Dezember 2011, 22:46
Herr kid, bitte denken sie auch an die Röchelschaltung!
Geben Sie ruhig meine Nummer ein - Vienna calling.

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hr.fuenfprozentfrau - Freitag, 23. Dezember 2011, 22:51
Weiterhin daumendrückend und das Sie erstmal gut über die Feiertage kommen.

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gaga - Freitag, 23. Dezember 2011, 23:21
Ich bin praktisch so gut wie nie in der Küche.
(Mann... Fernsprechgerät humpelt leider trotzdem ...
ich glaube eine doofe alte Entzündung in der Batterie)

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carodame - Freitag, 23. Dezember 2011, 23:31
Ja also Herr kid, alles wie September? Am Ende vom Dezember, kurz vor aller Weisheit und Güte Anfang, sollte Ihnen ein Heilungsschub beschert sein. Finde ich. Medizinisch aus der Ferne ohne Ringelstrumpf. Ein infundierter Gruß.

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casino - Freitag, 23. Dezember 2011, 23:54
wie schön, mal mit so gutem grund alles gute wünschen zu dürfen, und selbstverständlich werde ich meine ringelstrümpfe suchen gehen, für alle fälle. bleiben sie senkrecht, und nicht spielen mit den spritzen!

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mek - Samstag, 24. Dezember 2011, 10:39
Himmel, wenn es sein muss, ziehe auch ich mir Ringelstrümpfe an. Auch Geflügel, wenn Dir das lieber ist.

Eine Weihnacht bei Sinnen, wünsche ich.

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cabman - Samstag, 24. Dezember 2011, 11:59
Mein Lieber, wirklich alles erdenklich Gute. Meine Nummer haben Sie auch wenn was sein sollte! Das Angebot von neulich bleibt bestehen! Ich wünsch Ihnen was!

PS wieso eigentlich nur Blogleserinnen? Ich fühle mich diskriminiert. Gerade wo ich doch auch Ringelsocken habe. Zum Fest sogar in gewaschener Ausführung.

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novesia - Samstag, 24. Dezember 2011, 13:28
Gibt es nicht irgend so einen schwarz-weißen Klassiker, wo am Schluss die rattenscharfe Ärztin mit Truthahn, Kuchen und Juløl beim Held zuhause aufkreuzt, und dann wird alles gut? Ich bin ganz sicher, komme aber nicht auf den Namen... Jedenfalls, so soll es sein. Alles Beste!

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saxana - Samstag, 24. Dezember 2011, 16:57
Meine Gedanken sind bei Ihnen. Das ernährt Sie leider nicht. Es wird doch irgendwo in Ihrer Gegend noch eine nette "Pflegekraft" aufzutreiben sein. Lesen die Leute in Hamburg nicht Ihr Blog. Frohe Weihnacht trotzdem oder gerade extra. Es wird schon wieder mit all den Drogen, die Sie fachgerecht einnehmen.

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kid37 - Samstag, 24. Dezember 2011, 17:19
Vielen Dank für die guten Wünsche! Und keine Sorge, ein sozusagen international aufgestelltes Besuchs- und Kondolenznetzwerk summt und brummt. Allzu lange werde ich nicht in irgendeiner Ecke liegen. Heute habe ich sogar schon wieder den kleinen Weg bis zum Müllcontainer geschafft. Und was noch besser ist: auch zurück! Ich weiß jetzt auch, warum man in erster Linie zu Infusionen greift: Diese Tabletten, die ich jetzt ersatzweise nehme, schmecken grauenhaft bitter. Wenn die nicht wirken, weiß ich auch nicht weiter.

Heute übrigens acht Jahre Das hermetische Café. Ich weiß schon, warum ich die ungeraden Jahre lieber mag. Frohe Weihnachten euch allen. Ein gesundes.

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lorilo - Samstag, 24. Dezember 2011, 20:09
Ringelstrümpfe (meinethalben sogar halterlos - geht nichts über eine gescheite Durchblutung) im Anschlag und in Hamburg. Sie haben ja Ihr Netzwerk, aber das mit den Ka- und Braunülen hab ich drauf, wenn's muss. Und gerne bereit, das mal wieder zu üben demonstrieren.
Der Trend geht ja zur Mitmache in sogenannten Netzwerken, hab ich mir erzählen lassen; ganz heißer Tipp für nächstes Jahr, wenn Sie wieder leichtfüssig unterwegs sind.

Im Übrigen sagte Bertrand Russell mal sinngemäß: "Man sollte eigentlich im Leben niemals die gleiche Dummheit zweimal machen, denn die Auswahl ist so groß."
Das gilt doch bitte auch für nervige Körpergeschichten - bedenken Sie: Mit einer neuen, schicken Krankheit fesseln Sie die treuen Leser dieses Blogs besser als ein Cliffhanger!

Oder besser noch ohne all das - mit Worten. Das wünsch ich Ihnen. Und frohe Weihnachten - trotz Allem, trotzig.

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kid37 - Montag, 26. Dezember 2011, 03:09
Ich teile mir das natürlich schön ein. Leider ist die Themenvielfalt hier im Hause gerade etwas eingeschränkt. Da mir meine Ärztin aber weiteres Googeln verboten hat, sollte das bald besser werden. Vielleicht sogar alles. Halterlosigkeit ist bei diesen Temperaturen noch hinnehmbar, aber ja nicht auf kalte Steine setzen! Sonst müßte ich Erkältungstees infusieren.

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ladys smock - Samstag, 24. Dezember 2011, 23:42
Dass das Wort "Müllcontainer" mir einmal im Leben Freude und Hoffnung gibt und beruhigend wirkt, hätte ich auch nie erwartet!
Und beim "Weg zurück" geht die Sonne auf. Das hoffe ich innigst.

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kid37 - Montag, 26. Dezember 2011, 03:11
Heute schon wieder wacklig-diesig. Aber was will man machen. Wasserstandsmeldungen. Ich bin selbst am meisten genervt.

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giardino - Sonntag, 25. Dezember 2011, 11:36
8 Jahre hermetisches Café! Was das in nicht-Internet-Jahren bedeutet, kann man schon fast nicht mehr ausrechnen. Meinen Glückwunsch (und Dank)!

Wie man daran sieht, gehören so eine gewisse Unbeirrbarkeit und Zähigkeit ja gottseidank zu Ihren Grundtugenden, deshalb zähle ich darauf, dass Sie auch diesen Mist bald niederringen werden. Von Herzen frohe Weihnachten, Herr Kid!

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kid37 - Montag, 26. Dezember 2011, 03:16
Meine Zähigkeit wurde schon oft unterschätzt. Mein Rücken wird sich noch wundern. Ich mach' das wie Neil Young, der ja auch ganz stoisch so einiges niedergerungen hat.

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fishy_ - Mittwoch, 28. Dezember 2011, 22:12
Was Herr giardino sagt.
Stelle gegen die Krankenhaus-Tristesse mal ein paar Blümchen ans Bett.

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cut - Sonntag, 25. Dezember 2011, 13:00
Verstehe in medizinischen Dingen zwar immer nur die Hälfte, wünsche Ihnen aber zu hundert Prozent alles Gute!

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kid37 - Montag, 26. Dezember 2011, 03:17
Danke. 2012 wird ein prima Jahr. Für alle. Habe heute die Jahreshoroskope gelesen.

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