Sonntag, 17. Februar 2008


Im Sozialsimulator



"So", sagt die Einzelfallbetreuerin der Neigungsgruppe Kummer & Trunk, "bevor es dann demnächst ins Kurwochenende geht mit Heiltee und Licht aus um neun, müssen wir sehen, wie es im Hysterischen Café um die sozialen Kompetenzen bestellt ist." Das Haar streng zurückgenommen, blickt sie aufmerksam auf ihren ICD-Erfassungsbogen, stellt Fragen und trägt mit dem Bleistift irgendwelche Nummern wie F60.3 oder F80 in vorgegebene Felder, während ich auf ihre schwarzen Stiefel schaue und mir gute ehrliche Antworten ausdenke.



"Gut", sage wiederum ich. Mir mache es ja in der Regel Spaß, auf die Schnelle etwas Einfaches zu Kochen (aus meinem Buch: 37 Arten ein Käsebrot warmzumachen). Jetzt nichts mit Chichi oder Schnick und Schnack, dafür fehlt mir tatsächlich der barock gestimmte Sinn. Schlicht wie ein Ringelstrumpf, simples Muster, maximale Wirkung. Wir essen und bieten uns dabei das Du an.

Der Trunk soll eine Grundlage haben, soviel Sorgfalt ist bei den streng strukturierten Seminaren von Kummer & Trunk eine ehrenvolle Pflicht. Statt Hirschgeweihschnaps gibt es diesmal ein Getränk namens Haide-Küßchen, diese Namen sind ja schon ein Thema für sich. Die Neigungsgruppe informiert: Der mit gemäßigten 20 Umdrehungen (biologisch) ranbützende Trank kommt gut auf Zunge und ist zart zur Speiseröhre - schmeckt aber, und hier haben wir wieder unser Problem, wie ein in Doppelkorn aufgelöstes Hustenbonbon. Vielleicht ein Tipp für die zahlreichen mit Erkältungen und Stimmverlust geplagten Blogger. Oder Gäste.

Muß man mögen, also. Ähnlich wie den Schlaf auf zu kurzen Sofas. Im Morgengrauen, zartneblige Stimmung im Dämmerlicht, die Musik ist lange aus, stelle ich fest, so richtig gut ist das Hermetische Café nicht für Übernachtungsgäste geeignet. Zum Glück gab es nicht allzuviel davon - weder von Schlaf noch von Gästen. Muß man alles nachholen. Ruhig atmen. Puls kontrollieren. Die Intensität der Zukunft schenken.

Ein Wochenende fast ohne Internet, das mir in letzter Zeit viel schlechte Träume und schlechte Laune beschert hat. Die fragilen Verbindungen. Die plötzlichen Wandel, das Nicht(mehr)verstehen. Das ferne und doch merkwürdig betont überlaute Getöse. Wie dunkelrote Vorhänge vor einem großen Fenster, die sachte im Wind wehen und nur geisterhafte Blicke freigeben. Auf staubige Kisten, zerborstene Erinnerungen und einen Traum, den wir irgendwann nicht wagten.