Dienstag, 3. April 2007


Ein blaues Band vor den Augen

It's a very, very mad world.
(Tears for Fears, "Mad World". 1982.)

Anna Blume, von hinten wie von vorn.Heute morgen im Bus saß dort eine überirdisch schöne Frau und las ein Buch. Eine Frau, wie man sie sich wünscht dereinst am Ende der Tage, wie sie einen führt, barfuß und nur mit einem weißen Hemd bekleidet, bis zur Schwefeltür.

Vor zwanzig Jahren In einem François-Truffaut-Film wäre ich einfach sitzengeblieben, hätte zugesehen, wie sie ihr Buch liest und wäre weitergefahren bis zur letzten Haltestelle.

Ich wäre mit ihr ausgestiegen, hätte ihr anerboten, ihre Tasche zu tragen, in die ich vorher mein kleines Leben gesteckt hätte. Hätte mich in Gene Kelly verwandelt, hätte Geiger orchestriert, wäre um Laternenpfähle getanzt, ihre Tasche zart im Arm, während sie nichts getan hätte. Nur gelächelt.

Sie hätte noch zarter "Danke" gehaucht, mir einen tiefen Blick geschenkt aus unendlich blauen Augen und wäre die Stiege zur ihrer Dachwohnung hochgeschwebt - allein. Ich wäre verliebt auf dem Trottoir verblieben, während sie oben in ihr Blog geschrieben hätte:

Heute einem alten Mann im Bus begegnet, der mich die ganze Zeit angestarrt hat. Ich habe so getan als würde ich mich auf mein Buch konzentrieren, aber mich hat das total genervt. Am Ende stieg der sogar noch gemeinsam mit mir aus und wollte partout meine Tasche tragen. Super peinlich. Aber nichts gegen das Gesumme und Getanze, das er dann danach anfing. Ich hätte im Boden versinken können! Zum Glück wurde ich ihn vor der Haustür los. Aber ich glaube, der wartet noch immer auf dem Gehsteig, der alte Stelzbock.

Aber nichts von alledem ist passiert. Ich habe nur kurz geschaut und gestaunt über die Schönheit der Natur, den Frühling, die Vielfalt und das Leben. Und bin dann zum bleiernen Tor der Fabrik hinein - allein - habe mir den grauen Arbeitskittel umgebunden, die Stempeluhr gedrückt und den ganzen Tag nichts als mein Werk getan.