Dienstag, 26. September 2006


Sammler und Jäger

Weise ist, wer seine Existenz eintönig gestaltet,
denn dann besitzt jeder kleine Zwischenfall
das Privileg eines Wunders.

(Fernando Pessoa. Buch der Unruhe. )



Man kann nicht immer das gleiche essen, behaupten manche, denen es vielleicht an Vorstellungskraft gebricht. Denn ich, ich stelle mir einfach vor, mein Käsebrot sei einfach ein... anderes Käsebrot. Schon bin ich aufgeregt, erfreue mich an der wohldosierten Abwechslung. So aber begab es sich, daß große Not einkehrte nach sieben Tagen in der Fremde. Und Männer und Frauen taten, was ihnen ein inneres Gespür befahl. Sie, die da geht in Weizenblond, zog hinaus, neue Strände zu entdecken und sich bei mildem Galão Geschichten umso härterer Männer anzuhören. Von solchen, die gleich mir genetisch darauf programmiert sind, bei 37 Grad Lufttemperatur über endlose, staubige Ausfallstraßen in bislang unbeschriebene Vororte vorzudringen.

Dort, am Rande bereits kartographierter Zivilisation, lungern vornehmlich junge Leute mit eher elastischem Verhältnis zum Thema Substanzmißbrauch auf den Stufen heruntergekommener Häuser und schauen einen aus trüben Augen an. Dort aber liegt auch der den meisten nur durch Legenden und Überlieferungen bekannte Supermercado germanischer Prägung, dessen Papier gewordener Lockruf günstiger Preise und seltener Waren weithin bis in die verbeulten Briefkästen der verwinkelten Alfama zu vernehmen ist. (So versuche man einmal, Kerzen für das romantische Abendmahl außerhalb der Kathedrale zu erwerben! Von Schokolade will ich gar nicht erst reden.)

Der germanische Einkaufskrieger aber wagt sich ins wüste Ungewisse, vorbei an skelettierten Tierkadavern, die an das Schicksal derer gemahnen, die es nicht geschafft haben. Vielleicht, weil sie zu wenig Wasser dabei hatten oder weder die Ausdauer der Bergischen noch die spärlichen Weghinweise, die der freundliche Einheimische vom Touristenbüro auf meine Karte gemalt hatte.

"Little by little" sang ich tapfer vor mich hin, jeden Schritt mechanisch setzend, um in der Hitze unnötige Anstrengung zu vermeiden. Überhaupt heißt die Devise in Lissabon: Sei wie eine emsige Bergziege! Marschiere unermüdlich voran, halte einen Salzleckstein parat und klage nicht über Stufen und Steigungen.

In flirrender Hitze dörrten Sonne und Staub meinen Mund. Über dem weichen Teer der Straße erschienen mir zudem bald Fata Morganas, gelb-blaue Schilder mit dem Signet meiner Einkaufsoase gaukelten mir vor, längst schon am Ziel zu sein. Und tatsächlich, kaum schritt ich durch das finstere Tal der Vorstadt, erblickte ich den gleißenden Parkplatz des teutonischen Händlers. Hier ist Fotografieren übrigens nicht gern gesehen, möglicherweise fürchtete man, der altmodische Herr Kid wolle gleich einen Betriebsrat gründen, eine Institution, die schon im Mutterland dieses Konzerns nicht zu den primären Zielen der Mitarbeiterförderung gehört.



Eingekehrt ins tiefe Tal der Supermangos lud ich schnell mein Wägelchen voll mit Spezereien zu Discounterpreisen, griff mir gar aus grimmer Lust an purer Provokation Mozzarella aus dem Kühlregal. Schluß mit Törtchen und Sardinen! Und endlich wieder Schokolade!

Ein heroischer Tag, zurück zog die Karawane, Schritt für Schritt nach dem andern Schritt über glühende Straßen die Hügel in die Altstadt hoch.