Freitag, 23. September 2005


Auf den Spuren von Frau Gaga Asta Nielsen und Ringelnatz

Nachdem meine Urlaubsplanung dieses Jahr aus dem ein und auch anderen Grund ein wenig schwierig wurde, fiel die Wahl eher spontan auf Ich hab keinen Plan und O Gott, wo fahre ich hin?. Den Ausschlag gab tatsächlich Frau Gaga, die mich auf die Idee brachte, mein Glück im Osten zu versuchen. Deren Bilder von Hiddensee setzten mich dann sofort in Bewegung. Leider verpasste ich sie um eine Fährenbreite, sonst hätten wir womöglich gemeinsam das Hexenhaus in Vitte zum Epizentrum ritualistischer Blogger-Schwingungen gemacht oder einfach nur gemeinsam eine Flasche Wein geleert.

Hiddensee also. Ich besaß einmal ein Kinderbuch, Hittin der Pirat, hieß es, glaube ich. Das spielte in den Sommerferien irgendwann in den 30er oder 40er Jahren, schätze ich. Weil die Eltern ihre Ruhe haben wollten, kam der Vater auf eine pfiffige Idee. Für seine beiden Kinder versteckte er abends am Strand eine Flaschenpost mit der "echten" Schatzkarte von Hittin dem Seeräuber, die der Vater natürlich selbst gezeichnet hatte. Am nächsten Morgen war die Aufregung groß, als die Kinder die Flasche fanden. Bald zogen sie mit Karte, Kompaß und Schaufel los, und die Eltern wähnten friedliche Ferien anbrechen. Doch wie es das Schicksal in Büchern will: Die falsche Karte führt die Kinder auf die Spur echter Schmuggler und schnell ist die Ruhe vorbei. Ich bin mir nicht sicher, ob das Buch noch auf einem elterlichen Speicher liegt, es wäre eine Suche wert.

Eine seemannsgarnige Geschichte also, die ich im Hinterkopf hatte, als ich im in Kloster an Land ging. (Seit langem plane ich ja, im "Haus der Stille" Urlaub zu machen, um dort in der strengen Regelmäßigkeit des Klosterlebens ein wenig meditative Ruhe zu finden.) Der Ort Kloster auf der autofreien Insel ist da schon ein Anfang. Gottfried Benn war dort, der Hauptmann natürlich, Asta Nielsen, Ringelnatz, die ganze Bande.

Wohl instruiert von Blogger-Tipps, fühlte ich mich gleich zuhause, kaum, daß ich einen Fuß auf das schmale Eiland gesetzt hatte. Muß man dann sofort alles ansehen, aufsaugen, sich mit einreiben. Am nördlichsten Ende der Steilküste liegt der "Tote Kerl" mein Lieblingsplatz. Der Name sagt schon, warum. Hier werden nämlich die Männer mit dem grimmigen Blick, die Schufte und die zum Teufel gewünschten zur See bestattet. In der Nähe, am Enddorn, hatte Frau Gaga einen Ritualplatz zurückgelassen. Aus Ästen, Steinen und Federn gebastelte, magische Kultobjekte wiesen den Weg.

Man sieht hier so einige solcher Plätze unten am Strand im Schutze der Steilküste. Da sitzen dann junge Leute und trinken Alkohol. Vielleicht rauchen sie auch eine Zigarette oder machen im Rhythmus der Brandung ein Liebe.
Ich aber war nun alleine dort. Darum konnte ich mir von niemandem eine Zigarette schnorren. Das stimmte ein wenig traurig, aber ich aß schnell eine Banane und betrachtete Sonnenuntergänge, äsende Rehe und schnürende Füchse. Ein wenig merkwürdig ist es schon, wenn einem aus 30 Metern Entfernung ein Fuchs anstarrt. Aber genügend Leute behaupten, wenn es um Tollwut ginge, müsse das Tier eher Angst vor mir haben.


Da gibt es auch ein Lied von Nena drüber. Nur mal so jetzt

Überhaupt: Steilküste! Da kann man dann wie in einem Indie-Rockvideo aus den 80er-Jahren mit pathetischem Blick, viel Donnerhall (Luftgitarre nicht vergessen!) und weit ausholender Armbewegung das Meer anschreien. Aber anders als in den 80ern schreit das Meer nicht mehr zurück, sondern macht, was es am Besten kann: es rollt unbeeindruckt vor und zurück, vor und zurück. Die Steilküste runter führt eine ziemlich lange, marode Holztreppe. "Machen Sie das ruhig, Herr Kid", hatte mir Frau Gaga eingeflüstert. Da fehlten zwar hier und da vier bis acht Stufen, aber das mache ja nichts. Am Ende der Treppe, als ich die eindringlichen Verbotsschilder las, beschlich mich ein leises Gefühl einer finsteren Bloggerverschwörung. Ich kann nur sagen: Try harder next time. Pah.

Am Strand spielten drei interessante Rothaarige splitternackt Volleyball. Einen Schiedsrichter brauchten sie wohl nicht, jedenfalls lehnten sie mein höfliches Anerbieten rundweg ab. Vielleicht hätte ich erwähnen sollen, daß ich gut baggern kann, öh, bloggen blocken, also Ballgefühl habe. Ich aß also schnell noch eine Banane und zog hinaus in die Heide, die gibt es dort nämlich auch. Jedes Jahr werden dort übrigens Blogger Besucher von Kreuzottern gebissen, weil die unbedingt barfuß dort herumlaufen müssen, statt beispielsweise ins einzige Internetcafé der Insel zu gehen. (ISDN-Anbindung, man lernt eben auch Demut an solch abgeschiedenen Orten).

Überraschend entspannt war die Bevölkerung dort. Inselbewohner eben, die wissen, daß es viele Dinge im Leben gibt, auf die man eh keinen Einfluß hat. Gezeiten, Wetter, Server-Performance. Also gibt man sich entspannt. Schlüssel steckt, gehen Sie rein, heißt es oder Bezahlen Sie das Rad einfach morgen oder irgendwann.

Während ich täglich die hundert Meter bis zur Boje und zurück geschwommen bin mit den Füßen im Wasser stand, die rüstigen, ebenfalls splitternackten Rentner betrachtete, die dort beherzt ihr Bad nahmen, beschloß ich, diesen Ort mal etwas fetter auf der Reisekarte zu markieren.

Beim nächsten Mal dann aber mit eigenem Volleyball-Team.

Ein gutes Dutzend Fotos im Kommentar