Mittwoch, 9. März 2005
Liebe Mit-Hypochonder,
gerade stelle ich fest, daß die Scheibe norwegischer Zuchtlachs (wer sowas ißt, hat es nicht anders verdient, ich weiß), die ich gerade gegessen habe, vor ein paar Tagen schon entsorgt gehört hätte. Solange ich also noch im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte bin die Finger auf die Tastatur bekomme, möchte ich noch schnell zwei, drei Dinge sagen.
Es war nett mit Euch, Ihr konntet mir alle nicht das Wasser reichen habt mich oft erfreut, und wie Erich Mielke schon sagte: "Ich liebe euch doch alle."
Eine Bitte: Wer mich noch schnell per Mail beschimpfen will, wie es heute gleich zwei, drei Menschen versuchten (Mondphase? Ich habe leider nicht so ein Plug-in in meinem Blog), denke sich doch bitte mal etwas anderes als "Arschloch" aus. Das habe ich in den letzten zwanzig, dreißig Jahren schon so oft gehört. Ich kenne sogar Menschen, die kann man nachts um drei wecken und zu einem solchen Statement bringen. Ein bißchen origineller darf es in einer solchen Hop-oder- Top-Situation ruhig sein.
Das war es aber auch schon. Sollte ich gleich also komplett wirres Zeug faseln verstörter als sonst wirken oder mich gar nicht mehr melden - nun, die Antwort kennt nur das Mindesthaltbarkeitsdatum.
(Ob wohl eine Flasche Wodka zur inneren Desinfektion das Mittel der Wahl ist?
Ist ein Assistenzarzt im Publikum?)
Demnächst wohl auch in einem vernünftigen Lichtspielhaus in eurer Stadt. Die Wiederaufführung von Lars von Triers fulminantem Debüt The Element of Crime. Ein Inspektor, selbst ein psychisches Wrack, ermittelt in einem desolaten, heruntergekommenen Europa im Fall eines Serienmörders. Morbide, schräg, hermetisch. Ein Film für Somnambule, Neopathetiker und romantisch Liebende.
(The Element of Crime. DK 1984. Regie. Lars von Trier.)
Als ich erfuhr, daß Lunally Croft auf drangvoller Suche nach dem "blauen Stab" ist, fiel mir ein, wie es damals war. Sagen wir, im 12. Jahrhundert. Männer suchten nach der blauen Blume, meist reichte ihnen auch ein blaues Tuch, das von den Burgzinnen herunterwehte, ehe sie sich davon- tristanisierten oder -parzivalten. (Der Sinn für getragene Unter- wäsche ist vielen Troubadouren ja bis heute erhalten geblieben.)
Wie aber mußten sich die Frauen verdingen? Die Hildegards und Edelgundes hinter Klostermauern?
Nun, die starrten inbrünstig zum romanischen Fenster hinaus und dachten beteten sich eins. Glaubens- freudig und kontemplativ gossen sie tagsüber mächtige Altarkerzen, nur unterbrochen von den Stundengebeten, die sie an die Gelübde der Beständigkeit („Stabilitas“) und des Gehorsams („Oboedientia“) erinnern sollten. Tätigkeit und Denken fielen in eins und spiegelten sich in der Architektur.
Frau Croft zieht es hinaus in die Welt auf der Suche nach Abenteuern und dem blauen Stab. Statt einfach mehr aus dem Fenster zu sehen. Sobald man aber im klösterlichen Leben und im Glauben Fortschritte macht, weitet sich das Herz, und man geht den Weg der Gebote Gottes in unsagbarer Freude der Liebe. (Aus den Regeln des hl. Benedikt)
Das leuchtet doch ein.