Montag, 16. August 2004
Der dritte Teil der "Ginger"-Reihe schildert das Prequel der Geschichte. Anfang des 19. Jahrhunderts treffen die verirrten Fitzgerald-Schwestern Ginger (Katharine Isabell) und Brigitte (groß: Emily Perkins) auf die entlegene Handelsstation Fort Bailey irgendwo in den Wäldern Kanadas. Auf dem Fort lastet ein Fluch: Die Schwestern ("Together forever") werden erstmals mit blutrünstigen Werwölfen konfrontiert. Eine indianische Seherin macht ihnen eine Prophezeiung, das Fort birgt ein schreckliches Geheimnis... und am Ende sind alle tot. So oder ähnlich geht der bislang schwächste Teil der kleinen, feinen Horrorreihe.
"The Beginning" ist konventioneller Monsterschocker: einsame Wälder, zwielichtige Burschen und ein leider allzu deutlich zu sehendes Rudel (!) Werwölfe. Bedauerlich. War die Stärke von "Ginger" bislang, den Fokus auf die weibliche Perspektive zu legen, ist der dritte Teil im Grunde ein Männerfilm. Die Fitzgerald-Schwestern sind hier weniger schnoddrige Heldinnen, sondern meist nur klassische "Damsels in distress", die in Nachtgewand und Kerzenschein mutterseelenallein finstere Kellerverliese erkunden oder einsam durch verschneite Wälder stapfen. Derart passiv haben sie auch nicht mehr den sexuellen Subtext der anderen beiden Teile in der Hand: Hier werden die beiden ständig bedrängt, mit Vergewaltigung bedroht, niedergeschlagen und beinahe als Hexen verbrannt. (Deshalb eben auch ein ganzes Rudel von Werwölfen - Metapher für das raue Rudel Burschen innerhalb das Forts. Nun ja.)
Ihr Triumph: Sie werden als einzige überleben - aber zu welchem Preis.
Ärgerlich nur, daß damit auch der Aspekt der Schuld in ein neues Licht gerückt wird. Wurden die Schwestern in den ersten beiden Teilen sozusagen schuldlos von der "bösen Natur" überwältigt, zeigt das Prequel, daß die beiden es in der Hand gehabt hätten, den Fluch zu brechen - aber bewußt versagten. Das Böse ist weiblich, als hätte man dies nicht schon seit Jahrhunderten gewußt. Denkt man zu lange darüber nach, wird damit eigentlich der ganze originelle Ansatz der "Ginger"-Filme diskreditiert.
Sei's drum. Als konventioneller Horrorfilm funktioniert das Ganze recht gut. Passabel sagt man wohl. Die Gothic-Aspekte schlagen hier noch mal den Haken in eine andere Teilnische dieser Subkultur:
War Teil 1 noch "Vorstadt-Gothic" und Teil 2 eher "Industrial", so holt Teil 3 schnell noch die Mittelaltermarkt-Szene ins Boot. Indianische Mystik, Traumfänger, Trinkhörner, Vogelschädelhalsketten, Kapuzengewänder, Ritualmesser - dieser ganze, nun ja, langweilige Tinnef wird als visueller Leckerbissen-Schwurbel über die insgesamt dünne und von Beginn an vorhersehbare, komplett lineare Handlung gelegt.
Nett, sagt man da. Und das ist ja bekanntlich ein Todesurteil. (Außer man will sich nicht in die Karten schauen lassen, aus Selbstschutz zum Beispiel. Aber das hat jetzt nichts mit dem Film zu tun.)
Und Emily Perkins ist in ein paar Jahren ein Star. Oder tot.
Ginger Snaps Back: The Beginning (Kan. 2004). Regie: Grant Harvey
Ausgang. Nachtwandelnd durch Gewerbegebiete, monotones, industrielles Grundrauschen. Versprechen im fahlen Licht einer Verkehrsunterführung. Eine Straßenlaterne zum Trunk einladen. Sieche Tiere. Wäre der ganze Körper doch aus Rost. Metallischer Zerfall. Berstende Schweißnähte, grünspanbewucherte Zähne aus schartigem Messing. Sich mit den zu dreckigen Sporen geformten Fingernägeln ein nächtliches Tier reißen. Rostiges Wasser aus brackigen Pfützen trinken. Wir schleichen rund um die Krankenbaracke und schlagen uns mit der blechernen Suppenkelle auf die rasierten Schädel. Die Tonsur für die Elektroden. Nicht mal das Stroboskoplicht direkt vor unserem Auge weckt uns aus mechanischem Halbschlaf. Eine aufgestörte Fliege jagt in verzweifelter Flucht in meinen Mund. Ein Kadaver der Landstraße. Glaubst du es diesmal? "She says all the things that make you sick/But do you believe her when she says she loves you?" (The Raveonettes, "Do You Believe Her?")
Unsere rostigen Körper schleifen über die Straßen, schreddern aneinander. Zerfetztes Metall. Man meint, es sei die Krankheit, doch im Institut haben sie nichts für mich. Wir werden nichts mehr glauben müssen.