Freitag, 16. Januar 2004
Ich leide ja unter dem philosophischen ADS-Syndrom. Logische Stringenz und strukturelle Konsequenz beim Denken erschöpfen mich leider schon nach ca. 500 Metern.
Für solche Fälle gibt es die "Lindenstraße", die ich nicht mag, und die "Waltons", die ich als Kind sehr genossen habe. (Küchen-Psychologen bitte aufmerken!) Wenn Olivia Walton (Michael Learned) alle Probleme am Küchentisch löste, dann war sie mehr als nur ein Vorbild für spätere Rollen von Witta Pohl u.a.
In einem Interview äußert sich Schauspielerin Michael Learned nun anlässlich der Wiederaufführung der "Waltons" im deutschen Fernsehen über amerikanische Werte, Sex, Moral und Gewalt und ähnlich gewichtige Themen:
"Großstadt-Menschen mögen zwar mehr sophisticated sein, als die Menschen auf dem Land. Oft aber lautet der Preis dafür Zynismus und manch einer muss sich diese Sophistication sogar mit Abstumpfung erkaufen, weil das Leben in den großen Städten einfach hektischer, anonymer und daher für viele wohl auch unerbittlicher ist."
Zum Glück wird hier nicht über Politik gesprochen. So müssen wir hier keine Diskurse führen über reaktionäre, nachgerade regressive Moral, verkitschten Familienwerten und Idealisierung der 30er Jahre in "Walton's Land", das es so nie gab. Natürlich haben wir alle einen Fotoband von Dorothea Lange neben uns liegen, wenn die "Waltons" laufen.
(ab jetzt auf Kabel 1, Mo-Fr, 13.15 Uhr, 219 Folgen)
Hier ist doch auch "Walton's Land". Die Erregung über den ersten Rundfunkempfänger in "Walton's Mountain" - gleicht sie nicht der, die wir spüren, wenn endlich der dsl-Anschluß im Keller liegt? Wenn John-Boy in Ikes Haushaltswarenladen telefonieren gehen muß - gleicht es nicht unserem Besuch im Internet-Café, wenn es doch nicht so klappt mit dem dsl-Anschluß? Und wenn abends die Walton-Familie vor dem Kamin zusammensitzt, nun, dann treffen wir uns in Blog-Runden... erzählen und hören davon, daß der ein oder andere - wie der älteste Sohn der Waltons - gerne Schriftsteller werden würde. Und am Ende ist alles wieder gut, und wir sagen gemeinsam: "Gute Nacht, John-Boy."
"It all began, when they took me from my home and took me to death row"
(Nick Cave, "The Mercy Seat")
Wenn ich abends nach Hause in meinen geilen Stadtteil komme, geißel ich mich gerne für - sagen wir mal - eine halbe Stunde. Es peitscht mir all die Schande, die ich den ganzen Tag produziert habe, vom Körper, beruhigt meine katholische Seele, und für die Durchblutung ist es auch noch von Vorteil.
Dermaßen gestählt, kann ich mir die Tagespost vornehmen. Und siehe da, heute war endlich das angekommen: Soll noch mal jemand behaupten, es gäbe zu wenig Erotik in diesem Blog. Dieses exquisite kleine Werk aus der formidablen Edition Nautilus ist sozusagen "bibergeil", wie das darin enthaltene, bitterböse Gedicht gleichen Namens von Edgar Firn suggeriert. Auch Groszs "Zotendichter" fand seinen Weg in diese geradezu aufpeitschende (s.o.) Anthologie.
Ich habe heute zudem zwei CDs gekauft (jawohl GEKAUFT, ihr gierigen kleinen mp3-Vampire!), es wäre aber nahezu pointenlos zu erzählen, von welchem Künstler. In Erwartung einer kleinen house-warming Party ist auch genügend Trunk und Schokolade gebunkert. Klingt nach einem gemütlichen Abend.
Klingt, als gäbe es morgen wieder eine Menge zu geißeln.