Zucker für das Auge
Michael Hussar malt morbid-erotische Bilder von gefährlichen Mädchen und Köchen, die wie Dalí aussehen. Eine barock-surreale Welt, in der ich mich gleich zuhause fühle.
Freunde der pronografischen Kunst werden in diesem Röntgenraum weiter schauen können als jemals zuvor. Wim Delvoye setzt Eros und Thanatos in ziemlich aufregende Bilder, die - wie soll man es anders sagen? - unter die Haut gehen. X-Ray-Sex löst uns endlich von der Gefangenheit unserer Haut und den bloßen Äußerlichkeiten der Oberfläche. "Tiefer, tiefer" bekommt eine neue Bedeutung, transgressive Akte, radikal-pronografische Körpereröffnung eben- falls. Doch bislang gilt, don't try this at home!
(Ich hingegen habe mir soeben über eine Zeitungsanzeige so eine Röntgenbrille mit roten Spiralen vorne drauf bestellt. Damit kann man alle nackt sehen, wenn ich den Text richtig verstanden habe!)
Ganz schön viele Füllungen, die Dame. Also, ich meine jetzt in den Zähnen.
Wer sagt, dass das eine Dame ist?
Hier verbirgt sich möglicherweise ein Hinweis. Sicher kann man natürlich nie sein. Der Mann hat dafür eine schöne Implantatschraube, die man auf den Kußbildern sieht. Zahnimplantate verhelfen zu wilden Knutschereien, das Thema hatten wir hier ja schon mal.
sie deprimieren mich.
aber lang dauert's nimmer - hab gelesen daß man schon erfolgreich ratten ein drittes(?) gebiß wachsen ließ, irgendwelche walimplantante oder so zeugs.
Interessant ist es ja. Und betrachtenswert. Aber auch ganz schön vertrahlt!
Verstrahlte Walimplantate, das ist hübsch. Ich möchte das aber nicht weiter vertiefen. Frau Sonne, wieso sind Sie deprimiert? Ich versuche mich doch nur in neuer Innerlichkeit.
Vielleicht besser per Mail. Nachher durchleuchten Sie mich noch.
Erinnert mich an mein Studium. Meine prä-pubertären männlichen Kommilitonen haben Ähnliches (wie gesagt: Ähnliches) mit einem toten Schaf gemacht. Irgendwo müsste ich ein Exemplar noch rumfliegen haben...
Das Schaf war "igitt!", aber Herrn Delvoyes Variante finde ich recht sinnlich.
An Sinnlichkeit denke ich da ja eher weniger. Assoziation hierseits sind ja eher die Vanitas-Darstellungen des Barock, der Tod und die Kälte hinter der glatten Haut.
Nein, ich bleibe dabei. Ich finde die Aufnahmen nahezu sexy. Hinter der glatten Haut sehe ich pochende Hitze, nicht Kälte. Finden Sie die Bilder nicht glutvoll?
Diese entblätterten Knochen lassen der Phantasie doch ebenso viel Spielraum wie verhüllende Kleidung.
Ach nein, heute nicht. Heute nehme ich meine morbiden 24 Stunden. Der Herr Kid hat mir einen lyrischen Ohrwurm gesetzt, den ich heute abend einmal nachschauen muss, und auch nicht mehr so genau weiß. Das ist eigentlich gar kein schönes Gedicht vom Mehring, und beeindruckt haben mich nur zwei Zeilen:
"Wir sind nur Todgeweihte, die
von Tag zu Tag von ihrem Leichnam Abschied nehmen"
Und natürlich die Sonette von Hoffmanswaldau.
hm..wenn ich meine Brille erst mal auszieh,
sehen eh alle gleich aus .
Verschwommen und farbenfroh.
Schwarz gekleide Menschen ignoriere ich sowieso.
Weil ja SChwarz eine Nicht-Farbe ist.
Das Leben kann so einfach sein.
Brille aus , und abschalten
:)
Frau Sok, Sie würden mich ignorieren? Dabei kreisen heute eh schon schwarze Vögel gleich Todesboten um mein Haupt und versuchen, dort ihr Nest zu bauen.
Nein, dann sehe ich lieber den zwei strahlenden Tödlein bei sinnlichen Spielen zu. Eros und Tod, Frau Brittbee und Frau Modeste scheinen diese beiden Pole abzubilden. Ich finde ja beides sehr faszinierend.
(Oder beide? ;-))
Ich finde die Abstraktion dieser Bilder sehr faszinierend. Vielleicht suche ich auch die Esszenz, das besondere , das man in solchen Situationen zu spüren meint. Aber man entdeckt nur Haut, Knochen und Metall. Mein rostiges Herz sähe sicher auch gut aus auf solchen Bildern.
Ihr rostiges Herz, Herr Kid, würde auf Röntgenbildern vor allem strahlend weiß dargestellt. Es würde endlich ein Glanz davon ausgehen, der ihm gebürt...
Ja.
Das haben Sie sehr schön gesagt.
Und Sie, Herr Kid, unterstehen sich, jetzt die berühmten Worte der Lady Macbeth zu zitieren, von wegen "Die Hände sind blutig, das Herz ist so weiß".
Man kann sich auch mit reinem Herzen die Hände sehr schmutzig machen, das stimmt. Vor allem, wenn man einer Lady MacB. vertraut. Die war ja von Ehrgeiz zerfressen - und ich von dieser
radioaktiven Wolke. Ich fürchte, dieses Röntgenbild sähe etwas merkwürdig aus. Und wenn dann mein Kopf noch rollt... oha.
Um bei Shakespeare zu bleiben, Frau Arboretum: Nicht daß Ihre Baumschule die wandelnden Bäumen von
Birnam Wood sind und meinen Fall befördern! ;-)
Zeichen, Zeichen überall! (Höre ich nicht bereits drei alte Hexen über einem blubbernden schmierigen Kochtopf brummeln?)
Keine Angst - hier kocht bloß das Nudelwasser über. Und was die schmutzigen Hände angeht, so tötet doch jeder, was er liebt, wie die Dichter sagen. Die Kunst ist es wohl, die Leichen liegenzulassen und reinen Herzens weiterzuziehen.
... doch nicht jeder stirbt danach, lautet nicht zufällig die nächste Zeile der Ballad of Reading Goal, aber wenn ich mich recht erinnere, ist Mr Wilde beim Patron dieses Cafés sowieso eher unbeliebt.
Seien Sie unbesorgt, Herr Kid, meine zu Studienzwecken angepflanzten Bäume haben derzeit keine Absicht, sich nach Dunsinane zu begeben.
Ich würde Sie übrigens trotzdem jederzeit zur Party einladen, so ich denn eine geben würde. Wenn man dann zu vorgerückter Stunde in der Küche herumhängt, gäbe es dann wolkige Gespräche, was will man mehr?
Was soll ich sagen. Wunderschön.
Aber ich bin im tiefsten Inneren wohl tatsächlich etwas nekromantisch veranlagt, zumindest was die Ästhetik anbelangt. Obwohl in diesen Fotos natürlich das Leben pulsiert.
Nekrophilie hat so seine Reize. Dead girls don't say no heißt die Prollvariante. Bei Poe hingegen lesen wir die ästhetisch verklärte Verehrung der jungen, schönen Leiche, weil dort Erotik und Tod zusammenfallen. Und so eine dahingeraffte Ophelia möchte doch jeder gerne stundenlang betrachten und mit ihr im Wasser treiben.
(Es soll auch nicht heißen, in diesem Blog gäbe es nur tote Tiere und untote Gefühle zu betrachten. Ich mach jetzt mal auf Frühlingserwachen, Gothic-style.)
Lasst Tausende rote Grablichter blühen, diesem flamboyanten Frühlingsmotto für dieses Jahr schließe ich mich gerne an. Hach, wenn ich in Hamburg residierte, dann könnten wir zu nachmittäglichen Picknicks auf den Ohlsdorfer Friedhof fahren...
"Die Liebe zum Menschen oder zu dem, was von ihm übrig bleibt"
Well,
it is better
that
SOMEONE
love them
and we
so seldom look on love
that it seems heinous
Ode on Necrophilia, Frank O'Hara.
Auch einer aus Baltimore.
Das geht ja noch
Da bekommt es doch glatt einen ganz anderen Sinn, wenn Herr Tom Cruise seiner Katie einen privaten Ultraschallaparat gekauft hat...
Nach dem, was man so hört, ist da wohl nicht viel zu sehen. Ich kann diese Brille mit der rotweißen Spirale drauf nur empfehlen.