Freitag, 13. August 2010
ist wie der Weg durch eine Dornenhecke;
die Dornen sind die Erinnerungen,
die sich mir ins Herz bohren.
(August Strindberg. Inferno. 1897)
Die Rundreisen durch die alte Heimat zwischen Ruhr, Rhein und Wupper: Bochum ist immer noch die Stadt der asymmetrischen Haarschnitte. Dortmund ein pulsierendes U. Konsonantenträume: Man fährt durch Wupp und Witt und Wett und Hatt. Die Freundlichkeit der Leute. Der Busfahrer, der die psychisch auffällige Frau beruhigt, die atemlos eine wirre Geschichte erzählt, den Mitfahrern, wie eine von ihnen ins Handy kommentiert, bereits bekannt. Wie der Fahrer die Frau also sanft beruhigt, ihr einen guten Heimweg wünscht und versichert, daß bestimmt alles in Ordnung käme. Oder die Zugbegleiterin, die sich mit mir zuzwinkert und still amüsiert über das lautstarke "Yo brother, was geht ab?"-iPhone-Gerede auf dem Nachbarsitz, während sie stoisch ihr Gerät bedient. "Das Leben ist wie eine Bühne", meint sie und wünscht mir eine gute Reise.
Freitag, 30. Juli 2010
Gemütlichkeit und leise Melancholie, die Tiere wissen, wie man mit Stress umgeht
So also werden Jagdflieger aufgetankt
Die gefährliche Tüpfelhyäne lauert in der Dämmerung
Das letzte Einhorn wird Publikumsstar
Herr Kid läßt sich das mit den Bienen noch einmal genau erklären
Um den Mitternachtsradau in verqualmten Schuppen zu verarbeiten, lohnt sich ein Besuch in domestizierter Natur, aber nichts Spektakuläres bitte, keine verrückten Hummer oder Kampftentakelwesen. Bei frischer Luft nämlich platzt der Körper energisch wie ein grüner Hulk durch die ihn ummauernde Nikotinkruste vom Vortag. Es gibt allerhand zu sehen, während man sich von Kindern in Bollerwagen über den Haufen fahren lassen kann (bekanntlich aber überstehe ich wie ein grüner Hulk sogar aufprallende Autos ohne größere Nachfrage): graue Tiere, dicke Tiere, gestreifte Tiere, geschuppte Tiere, gerupfte Tiere, hoppelnde Tiere und harrende Tiere, Kopfübertiere und tauchende Tiere, abwesende Tiere und hospitalistische Tiere, freilaufende Tiere und elektrozaungesicherte Tiere, Hirsche-Tiere und unwirsche Tiere, bettelnde Tiere und akrobatische Tiere, Tiere, die gar nicht dazugehören und sogar ein totes Tier.
Wenn man aufpaßt wie ein Luchs, kann man sogar deren Nachwuchs beobachten, wie sie Premium-Content produzieren, Störche stelzen gewichtig am Ufersaum entlang, im Fledermaushaus riecht es wie im Hafenklang um vier Uhr morgens, irgendwo kreischt ein Kind, das an großen gelben Warnschildern vorbei an den Elektrozaun packte und nun nur noch vom Kreischen der Mütter und Großmütter übertönt wird, während sich die Tiere bedeutungsschwer an die Stirne tippen. Ein Bär macht Männchen, soviel hat er gelernt, ich mache ein Foto, soviel habe ich gelernt. Ein Mann erklärt mir, was ich hätte richtig machen müssen, und eine Schneeule versucht mich zu hypnotisieren, wendet dann aber lieber den Kopf um 180 Grad, als ich anfange zurückzustarren. Wölfe liegen desinteressiert und ein wenig faul wie mir scheint in der Sonne, man möchte sich gleich ein wenig dazukuscheln, wüßte man nicht, man stünde mit Flöhen wieder auf. Oder gar nicht.
Samstag, 17. Juli 2010
Vor ein paar Tagen saß ich also mit mit Anker und Segel, Brot und Wein und Käse auf einem befreundeten Balkon und erzählte so nebenher von Tomi Ungerers Aufenthalt auf einer kleinen Farm in Neuschottland und den tollen Reiseermunterungen, die ich von einem weiteren befreundeten Haushalt zugesandt bekam. Heute wiederum sehe ich bei Fastboy, daß er mit Frau und Hund (und Brot und Käse) eben da in Nova Scotia seinen Urlaub verbringt. Hier ein paar Fotos, die meine eigene kleine Urlaubsplanung gleich wieder über den Haufen werfen. Alles nur, damit man das Denken und Planen nicht verlernt.
>>> Dem Tomi Ungerer seine Kanadischen Jahre: Ausstellung
Sonntag, 11. Juli 2010
Lange war das Wetter wechselhaft und unsicher wie die Lage am Hindukusch oder in den Herzen, nun aber kann man es langsam wagen, an Dinge im Draußen zu denken. Nachdem das Themometer in der ausgebauten alten Zisterne meines Leuchturms a.k.a meine Wohnung irgendetwas um die 45 Grad anzeigte, dachte ich daran, mit ein wenig häuslichem Inventar unter dem Arm ins Grüne zu gehen.
Nach einer Woche wie unter einer Hitzeglocke, viel zu vielen Stunden in der stickigen Werkhalle, nagt sich schwitzige Erschöpfung durchs Mark. Irgendwie liege ich platt wie ein Käfer auf dem Rücken, schaue lange dem schwindenden Abend hinterher in den Himmel und beobachte die Fledermäuse zwischen den Bäumen umherschwirren (warum eigentlich gibt es in Hamburg so viele Fledermäuse? Oder sind die alle nur um oder - schlimmer gar - in meinen Kopf?). Irgendwo in der Nähe sitzen junge Menschen, schrubben lagerfeuertypisch etwas unbeholfen stumpf auf der Gitarre Gassenhauer aus vier Jahrzehnten Pop-Geschichte herunter. Irgendwann kommt immer Heart Of Gold.
Sonntag, 4. Juli 2010
Vom Vortag klingt mir das Kriegsgetöse aus dem grünüberwucherten Ruinenviertel und Scheppern von Geschirr noch im Ohr, und allgemein scheinen derzeit einige nicht halt zu machen, ehe nicht alles in Scherben liegt. Das muß der Sommer sein, denke ich, die einzige Zeit, in der Rotwein zu kühlen und mit einem Eiswürfel näher liiert zu sein ein echter Gewinn ist. Da ist alles ein wenig bunter und lauter, eine Fiesta fürs Leben. In kurzen Hosen (Wenn mich jemand sieht, bin ich tot, denkend) und dem mutmachenden Lied "My Rifle, My Pony And Me" auf den Lippen, wage ich mich aufs Rad, dem einzigen wackligen Halt, der einem Mann ohne Verein so bleibt. Selbst der Fahrtwind aber ist widerlich warm, die Pause am Elbufer keine Wohltat. Junge Männer mit amerikanischem Akzent machen splitternackt Faxen auf dem Anleger, einer pißt ins Wasser, dann springen alle hinein. Auf einer Picknickdecke in Hörweite diskutieren zwei junge Frauen über ihnen von ihren Freunden zugekommene genitale Befriedigung, sie drücken es ein wenig anders, aber nicht viel charmanter aus und lachen mit einer unangenehm schlandigen Stimme, so als seien sie auf einem Fanfest und feuerten sich gegenseitig an. Der Mensch, ich muß es sagen, ist mir an diesem Tag ein wenig fremd. "Das Haus ihrer Abneigung war bescheiden mit Zärtlichkeit möbliert", lese ich bei Capote, hier draußen im freien Wildwest jedoch ist der einzige Anblick von Ausstattung der von eher kurzläufigen Flinten.
Wie platt ist mein Frosch, denke ich später im Naturschutzgebiet. Kaum vorzeigbar der Geselle, der siegestrunken wohl hüpfte, die Beine so bleich und dürr wie Caipirinha-Strohhalme, ehe ihn ein Auto erwischte und Thorax und Kopf in ebenjenen somm'rigen Zustand versetzte, von dem es heißt, man fühle sich vor Hitze im Schädel wie Matsche. Nichts von all euren Versprechen wird den Herbst noch erleben.
>>> Geräusch des Tages: Martha & The Vandellas, Heatwave
Dienstag, 29. Juni 2010
Man muß jetzt die Engländer freundlich unterstützen, sich selbst aber auch, und nun sieht es so aus, als hätte ich mein nächstes Reiseziel gefunden: Das ehemals hochherrschaftliche Calke Abbey hat zwar keine Burleske-Tänzerinnen als Hauspersonal, aber ansonsten alles, was ein Mensch braucht: Frieden, Ruhe, tote Tiere.
Oh. Mein. Gott.
Hier gibt es noch mehr Bilder.
Oh. Mein. Gott.
Calke is a 3D map of mild psychosis, from the collections of Henry Harpur (1789), the baronet with "an unhealthy taste for solitude" who married a lady’s maid, to the christening present bought by Richard Harpur Crewe (1880) for his nephew, a silver-mounted ostrich egg with decorative boars' tusks. [Q]
Der rührige National Trust hat lobenswerterweise hier die Hände stillgehalten. Konservieren statt sanieren, heißt die Losung im Falle dieses verlorenen Heimes, weshalb schwäbische Hausfrauen hier auch keinen Zutritt haben. In die Ferne reisen, um wie zu Hause zu sein, ein Konzept, das sonst nur Wohnmobilisten verfolgen, ein Paket Kaffee muß man vielleicht noch mitbringen, ansonsten ist alles bezugsfertig parat, im Keller ließe sich sicher schnell eine Behelfsdunkelkammer einrichten. Oder ein Sektionsraum. Hitchcock Blonde sagt: "Go to Calke in five inch heels and no knickers, and celebrate ancestral insanity with apocalyptic abandon." [Q] Man kann dort sicher still im Garten sitzen with no knickers, einen selbstgeschossenen Fasan ausstopfen, ein Tagebuch befüllen oder ein Erinnerungsgefäß. Dazu leise Musik, und das einzige, was geschieht ist, daß es irgendwann Abend wird. Vielleicht schreibe ich dir eine SMS mit "Wish you were here", wandere dann um das Grundstück und spanne die Tellereisen auf.
Alternative? Keine Hier. Oder halt das Schiff.
Mittwoch, 16. Juni 2010
Letzte Woche wurde in Hamburg darüber diskutiert, wie die regelmäßigen und von mir bewunderten Fahrradexkursionen des Herrn Kelly zu beurteilen sind. Mit seiner Gefährtin ist er dann mal eben vier, fünf Stunden unterwegs, besichtigt Gehöfte und Museen, führt Gespräche, liest währenddessen ein, zwei Bücher, macht viele Fotos und hat am Ende 65 km auf dem Tacho und einen ausführlichen Blogbeitrag zusammen. Doch, kann man schaffen, hieß es. Ich wies darauf hin, bislang gerade mal auf 42 Km gekommen und anschließend halb tot die Treppen zu meinem Leuchtturm hinaufgewankt zu sein. Aber gut, mein fliegender Holländer ist aus massivem Eisen und dazu habe ich immer Gegenwind, also ein echtes Radfahrerproblem. Nun gibt es aber nur zwei Dinge, die mir ein begeistertes Flackern in die Augen zaubern können. Über das eine kann ich vor 22.00 Uhr in diesem Internetz nichts schreiben, und das andere sind: Probleme. Man gebe mir etwas Geheimnisvolles, Herausforderndes, ein zickendes Linux-System etwa oder andere Dinge, von denen ich keine Ahnung habe, und sieht mich über Stunden abgetaucht, bis ich am Ende, erschöpft, aber glücklich mit dem Sicherheitscode für die deutschen Goldreserven wieder auftauche. Linux geht dann möglicherweise (aber nicht zwingend!) immer noch nicht, aber ich fühle mich trotzdem wie ein reicher Mann.
Als kleines Trainingslager vor dem Auftaktspiel der deutschen Mannschaft galt es dieser Tage, die magische Grenze zu knacken. Das Ziel war ein mythischer Ort, die Bunthäuser Spitze nämlich, wo sich Norder- und Süderelbe trennen, ein Umstand, der hier in der Gegend leider nur unzulänglich gewürdigt wird. Das Wetter umhüllte den Tag sonnig bis grau, auf den langgezogenen Industriestraßen (dabei immer diesen elenden Kalauer im Ohr, "Heute/fahr'n wir durch die Peute/Ja, wir..." zur Melodie eines bekannten Schlagers von Tony Marshall) natürlich wieder nur Gegenwind, dazu mischten sich Geruchswolken ungeklärter Schadstoffgrenzen, die mich auch gleich so benebelten, daß ich ab und an in die Irre fuhr - Hauptsache aber, der Kilometerzähler addierte fein mit.
Irgendwann fährt man aber gemütlich am Deich lang, dazu der Geruch von frischgemähtem Gras in der Nase, ein Versprechen auf Sommer also, links und rechts ducken sich an kleinen Anliegerwegen hübsche alte Bauernhäuser, kauern dort unter reetgedeckten Dächern, blinzeln mit einzelnen Fenstern zum Deichweg herüber, der weiterführt - an Kaffee und Kuchen vorbei - bis die Spitze erreicht ist. Der Ort selber ist eher unspektakulär: Der Leuchtturm hat die Höhe einer ordentlichen Bibliotheksleiter, von dort aus sieht man das Wasser, wie es linksheröm und rechtsheröm vorbeiströmt. Wo anderswo ein Deutsches Eck gebaut oder sich eine leichtbekleidete Blondine das Haar kämmen würde, um Schiffer und Radler zu verwirren, hält der protestantische Norden nur schlichte Binsen bereit (es mag sich auch um Schilf handeln), dahinter dann Wasser. Mehr aber nicht.
"Ich weiß nicht, was soll es bedeuten", wispert der Heine in mir, aber weiter geht's, Ausflugsgruppen grüßend Richtung Stillhorn und der A1, die Autobahn, die Wilhelmsburg fast unüberwindbar entzweischneidet. Fast unsicher ob der richtigen Richtung geworden, radelt auf einmal ein Mädchen auf einem schicken Elektra an mir vorbei. Wo so ein Rad hinfährt, kann es falsch gar nicht sein, denke ich mir, und fahre entspannt hinterher (Mit "Im Wagen vor mir" einen weiteren doofen Schlager im Ohr), habe sie aber bald verloren, bloß, weil ich mal kurz auf die Karte gucken wollte. Story of my life. Irgendwo nach Neuland führt der Weg, ein sprechender Name womöglich, entdeckt habe ich dort aber nur Wasserski auf einem Baggersee. Auch so ein Sport.
Im Moment, als die Anzeige umsprang, erschallten Engelstrompeten, die sich, es wird niemanden wundern, als südafrikanische Kulturplastiktröten herausstellten.
Der Rückweg dann mehr ein Kampf gegen die Uhr. Efeuumrankte Backsteinhäuschen, mißtrauische Stiere auf einer Weide, der Singsang der Vögel als letzter Gruß, eine Mehlschwalbe eilt mir voran, wie dem Ancient Mariner ein Albatroß, winkt mich weiter nach Wilhelmsburg über die alte Harburger Elbbrücke, ein erstaunlicherweise erhaltenes, über hundert Jahre altes Bauwerk. Die Luft füllt sich wieder mit den Ausdünstungen von Baustoffen, Gewürzen, Recyclinghöfen, die bemerkenswerte Mischung des Hafengebiets, über die - anders als über die Berliner Luft - noch kein Schlager verfaßt wurde. Die 50 Km nehme ich achselzuckend zur Kenntnis, denn längst tritt es sich wie von selbst. Bei 58 indes hätte ich zu Hause sein können und sehr, sehr gerne auch wollen, aber ein letzter... kleiner... Umweg... mußte noch sein. Die 60 springt um, olé, olé, olé olééé´, ich könnte jetzt locker noch... Aber nach fast fünf Stunden kann man es gut sein lassen. Ich halte fest: Es ist tatsächlich machbar, auch mit dem Holländer, der sich nicht als verflucht erwies - das Kap der 60 ist umrundet. Eine nette Tour, auf der ich mit erstaunlich vielen Menschen sprach, mit welchen, die nach dem Weg fragten, mit anderen, die irgendwo an ihren Booten schmirgelten und zuletzt auf der Elbbrücke mit zwei jungen Damen in schwarzrotgoldener Fanmontur, die vorbeirasende Autofahrer animierten und auf das große Spiel einstimmten. Doch ich muß weiter, ich lege nur alle sieben Jahre an.
Freitag, 4. Juni 2010
das Bahnschiff durch die Lüfte über das Wasser...
(Else Lasker-Schüler, "Die Wupper". 1909.)
Wie lockt man jemanden, der nach dem neuesten Rating in der Stadt Nr 1 lebt? Schwierig. Aber wo andere vielleicht "I'm from the wrong side of town" [Q] jammern würden, lockt man besser ihn (oder sie) in eine Stadt, die in einem anderen Städteranking ebenfalls auf Platz 1 liegt. Spitzenstädte dieser Welt, vereinigt euch! So geht's.
Ironischerweise aber schaltete Wuppertal an diesem Tag die Sonne ein, die Schwebebahn fuhr auch wieder, große Runde also wie sonst nur mit einer Barkasse durch den Hafen oder wie durch ein liegendes Riesenrad im Prater. Österreicher scheucht man natürlich auch gern die steilen Straßen hoch, das lieben sie von daheim. Die Bahn rumpelt an den Rückseiten der alten Fabriken vorbei, zurückeroberte Shed-Architektur ist zu sehen und erstaunliche Biotope auf Dächern und Terrassen. Dann die Farben, womöglich ausgeschenkt von den Lackfabriken am Rande der Stadt. Zwischen sterbendem Grau sind bemerkenswert viele Fassaden in allen Pastellregenbogenfarben frisch getönt.
Wuppertal hat auch Galionsfiguren, daher die vielen Seemänner dort.
Satt & Nacht, den Spanier gibt es zum Glück noch (im Vergleich zu so vielen hanseatischen Enttäuschungen war das Restaurant in der Erinnerung ja bereits zum Mythos gewachsen), der Besitzer freut sich über den Besuch, lobt Fußball und St. Pauli und so glaube ich, daß die verhutzelte, sperrige, ins Tal geklebte Stadt sich ganz wacker geschlagen hat. Ich bin ja immer ein wenig gerührt, wenn jemand Interesse zeigt, so schrecklich viele Vorzeigeecken gibt es ja nun nicht, verglichen jedenfalls mit den Metropolen dieser Welt. Dafür kann ich zu diesen Ecken das ein oder andere erzählen, weiß, woher hier und dort der Staub stammt, aber das muß man natürlich auch hören wollen.
Donnerstag, 13. Mai 2010
Als selbsterklärter Steuererklärungsflüchtiger packe ich lieber drei Habseligkeiten und mein stählernes Pferd, entfleuche dem Nivellierungsdruck nach unten und betrachte Wasser, Wiesen, Wolkenzüge. Neil Youngs "Old Man" im Ohr ("I'm a lot like you"), summe ich entspannungsverbissen vor mich hin, zähle den alten Tag rückwärts und betrachte die sichtbaren Zipfel des kommenden (Achtung, Eisbergtheorie: neun Zehntel liegen im Verborgenen!).
Der Kopf als Ideenschmiede, das Herz als Heizkraftwerk, der Pulsschlag ein pochender Vertikutierer - das sich einmal mehr als Herbst tarnende Frühjahr war schon aufschwungversprechender. Nun liegt alles winterlang unter einem Bürgschaftsvorbehalt, hängt an der Nadel (...and the Damage done) der Emotionszentralbank, wer noch Ernte will, investiert in ein Herz aus Gold, soll nicht das Ersparte (komm, einen Titel hab' ich noch:) wie ein Hurrikan verweht werden.
Das Motto also: prima & raus. Landschaftsbetrachtung, Licht & Luft. Ein Lied singen.
Montag, 3. Mai 2010
Auf der Suche nach ländlicher Entspannung und internetfreien Zonen am Wochenende der neuen Blütenkönigin ausgewichen und über gewundene Straßen sozusagen Ausreiten gewesen im Naturschutzgebiet. Mein Velo namens "Urbanflucht" trägt mich hinaus, surrt seltsam vergnügt durch die staubigen Gewerbegebiete bis dorthin, wo man nur der rosa brick road folgen muß bis zum mythenverklärten Maischloß, in dem ich später einmal als Blütenkönig der Herzen die Geschicke mir ergebener Wichtel lenken werde. Bis dahin aber wartet noch viel ehrliche Arbeit auf meine öligen Hände. Es mag an meinem scharfen Antritt liegen, daß die Leuchte meines Frontscheinwerfers offenbar durchbrannte, wie sonst nur manches Görl im Tanztrubel maiverfeierter Schwoofschuppen. Blind flieht man so durch die Nacht, die nur der flackernde Feuerschein erhellt und die kleine Taschenlampe, die ich zwischen den Zähnen halte, abgeschubberte Haut auf den Knien, dem Herzen, die Hände frisch verstempelt. Bier im Haus, Ausfahrt sozusagen zum letzten Glück.