Heute. Um das Gefühl zu simulieren, irgendwie dazugehörig zu sein, begab ich mich unter Menschen, also Gewühl, Innenstadtfront, Kompaktschallplatten- verkaufsladen, die viele Arbeit muß ja auch lohnen. Die Hausverwaltung, die stoische, schrieb einen Brief und möchte mir etwas Geld zurücküberweisen. Betriebskostenabrechnung. Ha, es wendet sich das Blatt. Jupiter, lange vermißter Kollege, möchte bald wieder ein Bier oder zwei mit mir trinken. (Heimlich eine rauchen.) Habe ich also zwei, drei, vier Tonträger gekauft, lässig natürlich, mit Karte (alles andere ist verdächtig für die Staatsbefolgungs- behörden), zackzack. Vielleicht hätte ich gleich Lotto spielen sollen. Mit einem Jackpot von 26 Millionen nämlich, so stelle ich mir vor, könnte man viel Interessantes tun. Ein großes Haus haben, mit einem Zimmer zum Beispiel nur für Kleidermotten. Die Wände würde ich ganz mit Kaschmir ausschlagen.
So aber, man will nicht übertreiben, blieb es bei ein paar CDs. Für das kommende Frühjahr (das Eis muß ja auch mal wieder schmelzen) schon mal Fabienne Delsol, "Between You And Me", so ein bißchen La la la und Yé Yé Yé, möchte ich sehr empfehlen, mir geht sowas ja näher als all die Drogentanten, die derzeit so gehypt werden, übrigens auch in dem Kompaktschallplattenverkaufsladen, der diese Ausnüchterungsballaden für Feuilletonbeflissene über die Hausanlage wummern ließ. Jene, die auch gerne mal eine Schwertätowierte daheim haben, zwischen J.J. Cale und dem armrudernden Mann aus Sheffield. Ich meine, ich mag die schon, die kann ja auch nichts nicht so viel dafür.
Leichtfüßig dagegen die Ditties von Delsol. Wartet's ab, die ersten lauen Frühlingstage, Versprechen in der Luft, ihr erinnert euch, werden mich bestätigen. Kommentare wird es geben, Herr Kid, und Danke nochmal für den Tip, mein Freund und ich, wir sind ganz hin und weg und hören den ganzen Tag und die halbe Nacht Fabienne Delsol.
Dann habe ich etwas Lustiges unternommen. War ein Sonderangebot, aber das soll kein Grund sein. Ich habe mir erstmals Led Zeppelin gekauft! "Mothership", ganz genau. Streng genommen besitze ich irgendwo noch ein Page/Plant-Album, das ziemlich gut ist. Ich erinnere den Titel gerade nicht, aber die Fotos sind von Anton Corbijn. Jedenfalls hörte ich ein bißchen in das in jeder Hinsicht gewichtige Werk (mit einem richtigen Booklet, he!) und dachte, heilige Scheiße, was hat man, also ich, aber nicht allein, früher gegen dieses langhaarige Gitarrengewixe angekämpft! Und das mit Recht!
Andererseits bin ich nun ja entspannt und interessant ist es zudem, wenn man feststellt, wie doch die lieben Kindertage und später dann die ersten "Klassenfeten" von dieser Art Musik geprägt war (abwechselnd Klammerblues und "Whole Lotta Rosie"). Unter dem Kopfhörergerät wird schnell klar, daß man solche Musik nur mit Heroin zerschlissener Jeansjacke, in deren Brusttasche eine Haarbürste steckt, so eine mit Nadeln aus Metall, richtig genießen, was sag ich, verstehen kann. Und langen Haaren natürlich.
Mein Stiefcousin U. nämlich, der auch immer diese Musik hörte, der trug diese schwarzen langen Haare und Schnodderbremse Schnauzbart zu Jeansanzug und Stiefeln. Der war ein großer, dunkler Junge, ein "junger Mann", wie meine Mutter immer betonte, mit einem ganz glatten Gesicht. Oft haben wir uns leider nicht gesehen. Schon Anfang der 70er Jahre fuhr er sich mit seinem Motorrad tot. Als er abhob, auf irgendeiner unbenannten Landstraße im Ostwestfälischen, war ihm diese Cockpitabdeckung aus Plexiglas im Weg. Auch nicht so schön. Man wollte dem Vater die Leiche nicht mehr zeigen.
Ich habe den ja gar nicht richtig gekannt, den U. Ich war sehr klein, aber er freute sich, wenn er mir Led Zeppelin und so was vorspielte und ich dazu mitsang, mit fünf oder sechs, in irgendsoeinem Kauderwelsch, den ich mir ausgedacht hatte. Da hat er gelacht der U. Wohl, weil ich das sehr ernst nahm. Ich war schon immer etwas ernst und vielleicht zu sehr so. Der U. hingegen, der hörte Rockmusik und fuhr Motorrad und hatte eine sehr schöne Freundin.
Ein wenig sah sie aus wie Fabienne Delsol. Hallo U., "Babe I'm Gonna Leave You". Nur für dich.
Die dazugehörigen Frisuren sind ein anderes Kapitel.
(Alles zu seiner Zeit)
Vor Wochen hörte ich die Dame im Autoradio. Ich glaube, als Kulturtip irgend eines Bildungsbürgersenders. Ich dachte: Stift, Zettel, Name notieren! Aber wie das immer so ist… . Heute laß ich dann hier einen Namen, der mir seltsam bekannt vor kam… .
Vielen Dank auch!