Für manche ja schon ausgeträumt.
Manchmal frage ich mich aber, was sind das eigentlich für Redakteure, die diese ostalgischen Rückblicke betreuen. Eben bei arte gab es alte 8mm-Filme aus der DDR zu sehen. Säugling Rainer, geboren am 28.10.1965 (schönes Datum ;-)), wird gebadet. Kommentar: "Stoffwindeln. Ein ganzes Land ist ihnen groß geworden." Richtig. Ein ganzes Land. Nicht nur die eine Hälfte. Im Westen gab es nämlich zu dieser Zeit in der Regel auch nichts anderes.
Überhaupt wird gerne vergessen, daß zehn, zwanzig Jahre nach dem Krieg die Alltagswirklichkeit Ost/West sooo unterschiedlich noch gar nicht war. Im Westen gab es auch nur Kohleöfen und Klos auf dem Flur. Man besaß einen Stuhl und einen Anzug. Und kein Buch.
Vermutlich sind diese Redakteure nicht älter als 30.
Das glaube ich nicht.
Ich habe vor ein paar Monaten eine Ausstellung über Haushaltsgegenstände aus der DDR gesehen. Was soll da in den 50er/60er Jahren schon großartig anders gewesen sein? Emailletöpfe, Nachkriegstischchen, Kohleöfen - das kenne ich noch aus meiner eigenen Kindheit (West). Das Klo auf der Treppe auch. Stoffwindeln habe ich wohl selbst noch getragen. Dederon hieß bei uns Dralon und war ähnlich... öh, haben die Anwälte? Nun, ich fand's nicht so prickelnd.
Die berühmten Kunststoff-/Plasteierbecher sahen ein wenig anders aus... aber nicht viel.
Anderes Beispiel: Meine Mutter ist 1956 mit ihrer Familie in eine Zweizimmerwohnung gezogen. Das waren sieben Köpfe. Hinten schliefen meine Großmutter und die Mädchen, vorne in der Küche auf Sofas die Brüder. Einer hat sich, so weit ich weiß, dann so bald es ging, abgesetzt. Das war eine Zeit in den ausgebombten Städten, in denen in Ost wie West große Wohnungsnot herrschte. Und übrigens auch Hunger.
Die Schere ging erst später auseinander. Da allerdings gab es im Osten dann immer noch diese Dinge, während ab den späten 60ern sich im Westen die Leute alles NEU kaufen konnten (und auch taten). Aber übrigens auch nicht alle. Ich habe neulich einen Blick in die Wohnung meiner Nachbarin werfen können, die Mitte 80 ist.
Ich würde sagen, ein Museum von 1962.
Und: sie hatten auch diese Eierbecher aus Pastik, in der Form von Hühnern? Die vermisse ich.
Es wird oft so getan, als wäre der Osten so putzig gewesen. So bitterarm mit Tempobohnen und Plaste und Elaste. Während der Westen "Im Nu" sehr wohlhabend gewesen sein soll. Das stimmt weder so noch so.
Meine Gewährsleute aus dem Osten haben mich darauf aufmerksam gemacht, daß es im Osten der 80er eben immer noch nach 50er/60er Jahre ausgesehen hat. Da war der Westen tatsächlich schon davongeeilt.
Aber sich über den DDR-Alltag der 50er/60er "lustig" zu machen, so wie es diese Dokus vormachen, halte ich für unnötig. So anders war das "hier" nicht.
Andersherum gilt das natürlich auch. Es denken ja auch viele Ostler, im Westen hätten sich alle immerzu nur Jacobs-Kaffee leisten können. Man fragt sich, von wem die Aldi-Brüder jahrzehntelang gelebt haben mögen. ;-)
Edit: Die Eierbecher! Ganz vergessen. Nein, die Hühner hatten wir nicht, da war uns der Osten selbstverständlich voraus. Wissen Sie was es letztes Jahr gab? Eine Blechkiste, 0,5 qm DDR mit "Reliquien" der DDR-Alltagskultur. U.a. auch so einen Eierbecher. Wurde von einem Verlag vermarktet, der glaube ich, was mit dem Eulenspiegel zu tun hat.
Ich eß jetzt schnell zur Buße ein paar Knusperflocken!
Ok, ich glaube, ich verstehe ihren Punkt jetzt besser. Und er ist wichtig. Und Teil des Wespennestes.
Das nervt mich total.