Manchmal in sehr kalten Nächten, wache ich auf. Es ist drei Uhr oder vier Uhr. Und ich weiß, daß ich nicht mehr einschlafen werde. Ich höre dann ein wenig Radio oder lese etwas aus dem Zeitungsstapel, den ich schon lange abarbeiten wollte. Aber in Wahrheit beginnen meine Gedanken um andere Dinge zu kreisen. Wenn dann die alte Mühle richtig angeworfen ist, weiß ich, daß es keinen Zweck hat.
Also stehe ich auf. Öffne das Fenster und starre hinaus in die Nacht. Lausche dem reflexhaftem Gequake somnambuler Enten unten im Knick. An den weißen Rauchfahnen der hohen Schlote am südlichen Horizont kann ich die Windrichtung ablesen. Wenn der Wind von Süden, vom Hafen herkommt, kann ich den Kaffee riechen.
Die Schlote aber gehören wohl zur Müllverbrennungsanlage.
Und während Aretha Franklin in meinem Radio "I say a little Prayer" singt, öffne auch ich meinen Müllkübel. Denn da mahlt der Haß und reckt in solchen Nächten sein pathetisch verzerrtes Gesicht. Und weil all die netten Masken aus Höflichkeit und sozialer Anpassung gut schlafen um diese Zeit, drängt sich der häßliche kleine Zwerg aus dem Kübel heraus. Reckt seine warzige Nase höhnisch in die kalte Luft, während ihm böse Gedanken in langen, zähen Säurefäden aus den Mundwinkeln tropfen. "How do you Sleep?" zitiert er einen alten Titel von John Lennon. Und Aretha müht sich mit all ihren beachtlichen Kräften an ihrem kleinen, schlichten Lied "The moment I wake up/Before I put on my makeup/I say a little prayer for you".
Aber der kleine Haßzwerg ist mittlerweile auch schon recht groß geworden und reckt wie ein aufgeblasener Frosch seinen eitlen Bauch. Ich habe mir derweil eine Tasse Tee gemacht. Ich ahne, daß ich die Tasse besser nicht in meiner Hand zerdrücke. Ich weiß ja nun, wie das enden kann. Und die Tasse ist ja sowieso nicht gemeint. "Together, together, that's how it must be/To live without you/Would only be heartbreak for me." Frau Franklin hat's gut. Die kann von etwas singen, an das ich so nicht mehr glauben kann.
Ich müßte erst diesen mißgestalteten, faulig riechenden Gnom packen, der mich niederzuringen versucht. Müßte ihm seinen faltigen Hals umdrehen und ihn aus dem Fenster hinunter in den Kanal stoßen. Zu den Enten meinetwegen. Dann haben sie wenigstens einen Grund, mitten in der Nacht so ein Geräusch zu machen. Soll er ersaufen und von den Ratten zernagt werden. Freiwillig will er's nicht vollbringen. Meine Ophelia mag er nicht sein. Haßmemme.
Alles muß man selber tun.
My darling believe me,
For me there is no one
But you.
Ich stell mir das jetzt mal bildlich vor.... :o)