Als die Nacht nicht wich

Für fünf Mark Freiheit,
und für dreißig Mark Bier
- wegen ihm oder ihr.

(Blumfeld, "Zeittotschläger")

Als sich die Musik nicht noch lauter drehen ließ, und Schmerz und Sehnsucht ins Herz nicht tiefer schneiden konnten, berührten meine Fingerspitzen die kalte Oberfläche des Spiegels, im selben Moment, als die würgenden Geräusche aus einer der Kabinen hinter mir drangen.

Auf die Vorderseite meines verschwitzten T-Shirts hatte sich ein Gesicht abgedrückt, ein Negativ, ein Antlitz, das ich an diesem Abend nah beim Herzen trug. Draußen sangen die ganz jungen Blumfeld, "Ich weiß, daß Liebe wahrwerden kann", hier drinnen kondensierte eine feuchte, schlechte Luft.

Aus einer Notrationtube Pathos drückte ich mir den letzten Rest unter den Gaumen, wartete auf den Flash, den heißen, schneidenden Blitz, der am Herzkranz vorbei zum Magen hinunterrutschte, um sich dort kaltgrau zu verklumpen.

"Ach, Gott im Himmel", rief ich lauter, um das röchelnde Stöhnen über der Kloschüssel hinter mir zu übertönen und schlug mit der Hand auf den Spiegel. Immer in die Fresse rein, sang diese andere Band, und ich wagte nicht zu widersprechen.

Als ich vier Absätze mit "A" wie Adultery begonnen hatte, waren es auf einmal fünf. Ich wusch mir die Hände und dachte daran, wie wichtig es sei, sich nicht an alle Dinge zu erinneren. Nur an das, was man berichten kann.

Zu Hause dann noch einmal die Kopfhörer, die Lautstärke, die Augen geschlossen, den Bass durch den Kopf sägen lassen: "...Zeittotschläger, laufen um ihr Leben..." Wenn ich es doch nur mit Worten deutlich machen könnte. Wenn ich doch deine Hand halten könnte. Wenn ich doch nur könnte.

The Mercy Seat | 02:27h, von kid37 | Kondolieren | Link

 
ansch - Samstag, 13. Januar 2007, 06:26
Es wird die Zeit kommen, da genügen Sie sich selbst - sind froh, nüchtern darauf zu blicken, wer Sie sind, wie Sie sind und wie Sie handeln. Bis dahin heißt es sicherlich: leiden, lernen, lieben, leiden, lachen, lallen, loslassen...


Mein Gott, komm ich mir weise vor, weil ich lese, was ich selbst schon gedacht zu meinen habe. Bitte nicht kotzen.

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saxanasnotizen.blogspot.com - Samstag, 13. Januar 2007, 20:19
Der Verlust reißt Wunden, die nie mehr ganz verheilen (Chiron).

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c17h19no3 - Samstag, 13. Januar 2007, 20:38
gestern stand ich im t-shirt mit der aufschrift "unkuschelbar" neben der tanzfläche, wo eine handbreit vor mir ein typ rockte, der trug einen pullover, auf dem "untherapierbar" stand. ich fragte mich kurz, was wohl weniger tragisch sei, bis ich dann gleich merkte, dass die meine aufschrift so ja gar nicht stimmt und mit einem funken heiterkeit fiel mir ein, dass es dem typ ja ähnlich gehen könnte mit der seinen.
zuhause in meiner küche klebt ein alter flyer. "dark ambient" steht drauf, und darunter: "words have no meaning". aber eines haben sie mit den emotionen doch gemein, die worte: sie sind zu einem nicht unerheblichen teil ausgeburt des selbstgewählten stigmas.

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dezentral - Sonntag, 14. Januar 2007, 21:49
"Worauf wartest du?" fragt die Stimme in meinem Kopf und ich zucke mit den Achseln und ganz tief in mir drin weiß ich, dass ich auf den Mut warte, der alles hinnimmmt und schafft, auch die Erfahrung, dass alles Warten nichts weiter als eine Illusion war, und das, weshalb ich wartete, gar nicht existiert.

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kid37 - Montag, 15. Januar 2007, 17:33
"Selbstgewähltes Stigma" - das kann wie ein Tattoo sein. Einmal aufgetragen, geht es kaum noch weg. Man muß die Hand aber ausstrecken. Immer wieder.

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c17h19no3 - Montag, 15. Januar 2007, 18:01
das problem kommt v.a. dann in seiner fülle zum tragen, wenn das tattoo nicht mehr als solches und ein selbst aufgetragenes wahrgenommen wird, sondern als ein fremdverschuldetes, oder am ende eine krankheit, die automatisch und unabwendbar letal verläuft. wieviele menschen sind wohl so schon gestorben und stehen tot in der blüte ihres lebens?
und die hand auszustrecken ist nicht kunst, schwierig ist die erkenntnis, wann die gabe/die andere hand hineingelegt wird, bzw. das schätzen von deren wert. und natürlich die innere größe, sich klein zu machen und sie nicht auszuschlagen, auch wenn sie beschämt oder die üblichen nebenwirkungen von glückseligkeit nach sich zieht.

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kid37 - Montag, 15. Januar 2007, 18:25
++*Glück#++ knraz+++ im Roboter++##programm#++ knarz ##+%& nicht+++ vorgesehen###++´% sprotz#** knarz###+++ Wiederhole*+++ knarz**nicht** ###sprozz#+vorgesehen++# arrrchhclk##**%&!!

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c17h19no3 - Montag, 15. Januar 2007, 18:39
ich hab noch einen flyer von einem 80er-industrial-auf-schallplatte-abend am küchenschrank, auf dem steht: "return of hellbunnys". die können vielleicht die ent-cyborgisierungs-diskette einlegen. die sorge, dass es sich um einen hardware-schaden handelt, ist meistens ziemlich unbegründet. ;)

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