Beim Blättern heute in den Ikonen (s. Links) blieb ich im Artikel "Die verdrängte Wirklichkeit" von Wolfgang Sterneck hängen. Er schreibt dort über die Geschichte der Industrial Musik und über die Künstler der zweiten Generation nach Throbbing Gristle, SPK et al.:
"Die gezielte Provokation der Industrial Culture verkam also bei vielen Bands, die der ersten Generation folgten, zu einer Ästhetisierung des Schreckens. Oftmals ging es dabei nur um eine möglichst abstoßende und schockierende Wirkung, sowie in diesem Zusammenhang um eine Steigerung der eigenen Popularität. Für viele HörerInnen bildeten entsprechende Aufnahmen gleichzeitig einen Soundtrack für eigene regressive Bedürfnisse, ohne jedoch zu einer Auseinandersetzung mit diesen anzuregen. [...]" (Ikonen Nr. 0/2002)
Ein etwas pauschaler, aber durchaus nicht falscher Gedanke. Natürlich ist es gewagt, zwangsläufig historische Epigonen mit bloßen Plagiaristen und Parodisten in einen Topf zu werfen. Die Entwicklung der Sample-Technik und die Verfügbarkeit von Computern hat ja gerade in den letzten Jahren dazu geführt, Produktionsmittel und Vertriebswege (Internet) erschwinglich zu machen. Dadurch standen Künstlern aus subkulturellen Randbereichen überhaupt erstmals professionelle Produktionsmethoden zur Verfügung. Andererseits wird nicht alles dadurch besser, dass es einfacher ist.
Den Beginn der Musique brut, wenn man so will, hält übrigens René Schickele in seinem Roman "Symphonie für Jazz" fest:
"Mit der reinen Musik, meint er, ist es zu Ende, auch der Musiker muß ins Leben einsteigen, es mit dem "Strand" in London aufnehmen oder der City um fünf Uhr abends bei Geschäftsschluß, mit dem Sirenenkonzert der Schlepper auf der Themse - oder aber [...] nur in Zeichen schreiben, verstehn Sie: Sigel, mathematische Hieroglyphen, Zeichen also, bloß um Gottes willen keinen Wohllaut! Das Klappern von Geschirr, meint er, das in einer Restaurantküche gespült wird [...] so ein Klappern und Plätschern ist für unsere Ohren musikalischer als die poetische Anstellerei einer ollen Nachtigall, die nie einer von uns gehört hat." (René Schickele. Symphonie für Jazz , 1929.)