Und dann blieb es stumm
Läßt man sie ein paar Tage allein, nehmen es einem die Sachen und Geräte übel. Die Chassis kühlen aus, fangen sich gerade im Sommer die Feuchtigkeit aus der Luft, dann kehrt man aus dem Urlaub zurück, schaltet ein und hat den Verweigerungssalat. Ist der Kondensator erst richtig entladen, murrt er gerne mal rum und mag es gar nicht, wird er sogleich unter Dauerstrom genommen. Reparaturwerkstätten wissen dies und sprechen im besten Handwerkerdeutsch von der Post-Absentale-Besitzer-Phase nach der Hauptsaison, wenn malade Fernsehgerätschaften und andere Hochstrommaschinerie in die technische Klinik eingeliefert werden. Begleitet vom klassischen Spruch "Und das, wo man nach dem Urlaub eh schon pleite ist". Aber dafür braungebrannt - so wie ihre verschmurgelten Kondensatoren, denkt der Reparateur stille und begrüßt den Beginn der eigenen Hauptsaison.
Aber das nur mal nebenbei erwähnt. Mein Concertino 55 von Telefunken sagte nach 50 Jahren einfach "Tschüß" und schwieg nach meiner Heimkehr still. Jeden Morgen NDR Info (gerne verstanden als: "Endlich ein Ufo"), jeden Abend Deutschlandfunk! Und nun! Sicher nur 'ne Sicherung, betete ich das Mantra der vom plötzlichen Gerätetod Überraschten, denn Gestern ging es doch noch! (die klassische B-Seite desselben Liedes). Für eine kleine Radiobastelei bin ich gut gewappnet, also erstmal die Rückwand abgeschraubt (Netzstecker ziehen!), alles entstaubt (die Spuren eines halben Jahrhunderts!) und die Sicherung ersetzt. Nachdem die Spannung nicht nur mental, sondern auch elektrisch zurückkehrte, ein fieses Geräusch: rhythmisches Knarren, oho, die Gleichrichtung! Weißer Rauch stieg auf und verkündete keinen neuen Papst, sondern den Tod eines Netzteils. Ja, Firma Telefunken. Da machen papiergewickelte Elektrolytkondensatoren nach 50 Jahren schlapp? Kein Wunder, kein Wunder, daß ihr nichts mehr baut. Da nützt auch die alte Röhrengarantiekarte, die ich im Inneren des Gehäuses fand, nicht viel.
Das kommt davon, wenn man Döblin zitiert. Nun heißt es wieder, den Radiobastler spielen und die Manuskripte beiseite geschoben. Zauberlehrling, du mußt warten!
Mensch, mein Beileid. An solch ein Gerät sind meine herzlichsten Kindheitserinnerungen gekoppelt. Holen Sie sich bloß keine neuen Narben.
Haben Sie Dank. Es gibt Tage, da bricht alles auseinander. Alles will gehegt, gepflegt und mit Aufmerksamkeit übergoßen werden. Als hätte ich sonst nichts zu tun. Vielleicht steige ich
hier ein und mache aus zwei eins. Das ist keine Hexerei.
(Vorausgesetzt, 53 und 55 sind nicht so weit verschieden.)
oje... aber da kann ich u.u. weiterhelfen. www.btb-elektronik.de. da arbeite ich. mein chef weiß bestimmt eine gute und günstige lösung für dieses problem.
Oh, vielen Dank. Und nachtaktiv sind sie auch ;-) Ich werde mal das unerschöpfliche Orakel des Ersatzteilspeichers meines Vaters befragen und gleichzeitig ein Magisches Auge auf diese eBay-Geschichte halten. Ihr Angebot bewahre ich aber im Gedächtnis, merci!
ebay ist eine möglichkeit, aber vorsicht vor nepp. ist gerade in dieser branche nicht selten...
btb ist recht berühmt in der röhrenbranche. und mein chef berät auch, wenn man nichts kaufen will.
Den Link gebe ich nächste Woche weiter an einen Kollegen, der betreibt ein kleines Studio und ist immer auf der Suche nach alten Röhren. Möglicherweise kennt der diese Quelle auch bereits.
kriegt man ja doch irgendwie bei - zumal wenn man jemanden kennt, der jemanden kennt. Adäquaten Ersatz für die papiergewickelten Elkos zu kriegen, gestaltet sich da schon schwieriger. Ich habe für einen uralten Gibson-Gitarrenverstärker mal sowas gesucht (und aufgegeben). Wenn ich den Zettel mit den Daten dieses Teil nochmal finde, erlaube ich mir, mich vertrauensvoll an Sie zu wenden, Mrs. Morphine.
Die Röhren sind in diesem Fall bestimmt intakt. Das ganze Szenario ist zu klassisch: ausgelutschte Elkos, die nur noch funktionierten, weil das Gerät regelmäßig in Betrieb war. Mir fehlt leider auch die Ahnung, ob man die alten einfach gegen neuere gleicher Kapazität austauschen kann, vom Gleichrichter nicht zu reden. Väterchen Kid soll das mal ferndiagnostizieren.
(Solche Themen hier wieder... vielleicht hätte ich die Geschichte so erzählen sollen: Es war einmal eine kleine ringelbestrumpfte Elfe, die hauste in einem alten Radiogerät...)
Das ist ab heute ein Tech-Nerd-Blog mit betriebswirtschaftlicher Kosten-Nutzen-Rechnung.
Ich bin - im Gegensatz zu Ihnen - mit meinen (ur)alten Elektrogeräten eigentlich ganz zufrieden. Die gehen mir nämlich nicht kaputt, die funktionieren, ganz gleich ob ich sie alleine lasse oder fleißig bediene. Wenn ich mal was Neues brauche, werde ich wieder zum Gebrauchtwarenhändler gehen.
Jaja, reiben Sie es ein. Mich vermissen die eben. Mir eilt der Ruf voraus, ich könne überhaupt nur Geräte bedienen, die älter seien als fünfzig Jahre. Der Concertino wird wieder flottgemacht, ich habe ja schon so manchen Kahn gehoben. Und schließlich kann man nur mit einem solchen Radio den Deutschlandfunk angemessen hören.