Sonntag, 14. Mai 2006


Sich Ausdruck verschaffen

Time goes by so fast
You've got to have a dream
To just hold on.

(Pia Zadora, "When The Rain Begins To Fall")

In manchen Städten gilt es bekanntlich nur als gelungenes Wochenende, wenn man sich anschließend von der Neigungsgruppe Selbst&Gegenseitig ordentlich auf die Schulter klopfen kann (lies nach in meinem Erstlingsroman Manwatthamwerjelacht). Im stilleren Hamburg legt man sich notorisch lieber selbst an die Kette und wandert die Flohmärkte ab. Erst Höllenbrook, die extravagante Ramschrutsche. Hundehalsband nur ein Euro, womöglich lege ich mir ja mal einen wirklich treuen Gefährten zu, Beständigkeit ist schließlich hard to find. Ein dreibeiniger, einäugiger Kampfhund vielleicht. Einen, den keiner mehr will, wir verstehen uns blind, und sonst nehme ich es zum fotografieren. Deko. Ich kaufe immer nur Deko, das ist man klar.

Für 50 Cents, und damit unwiderstehlich, diese Kinderdruckerei. Ich könnte ja mal was publizieren, das soll Spaß machen und vielleicht Aufmerksamkeit bringen (Talking about me and my Aufmerksamkeitsdefizit). Wenn ich mal was mitzuteilen habe, unter Druck von tief unten. Leider, und damit kommen wir zum verlorenen Auge und den drei Beinen, fehlen schon ein paar Buchstaben. Ick firmesse Dükk als Liebes- und Kostennote ans Kopfkissen gepinnt, keine Ahnung, ob man damit Freunde gewinnt. Zum Muttertag gehen vielleicht auch andere Optionen.

Macht auch nichts, denn Sonntag gab es ja noch Hamburgs vielleicht schönsten Flohmarkt am Immenhof. Zwar nicht in Begleitung von Heidi Brühl, aber mindestens so attraktiv. Kurz überlegt, Texas Chainsaw Massacre in der Tobe-Hooper-Variante für einen Euro auf DVD, aber dann ließ ich mir lieber eindringlich von "The Hostel" erzählen, das reicht auf nüchternem Magen auch. Darauf lieber schnell etwas Kuchen selbstgebacken von den Lieben Händen der Gemeinde St. Gertrud am wonnigen Kuhmühlenteich (mein verstecktes Haus dort mußte ich zeigen, das kaufe ich eines Tages für meine sieben Kinder).

Dortselbst konnte man lauschen dem wunderbarsten Flohmarktgitarrenspieler der Hansestadt. Ein reiferer Herr mit schütteren Haaren saumseligen Schnitts klampft sich tapfer und mit verlorener Stimme durch die Klassiker der 60er, vage erkennt man die Beatles. Schrummschrummschrumm, immer auf einem Ton. "Hey Jude", nanananaa, und "Octopus's Garden" (Ah, der zärtliche Sex der Tintenfische!). Während er "Ruby Tuesday" von der Gegenpartei einstreut, erkläre ich gewichtig und weil ich mich gerne reden höre, das sei der verschollene fünfte Beatle. Der war damals schon in Hamburg dabei. Und dann, irgendwann 1961, als sie zurückfuhren nach London, hätten sie ihn beiseite genommen und mit treuherzigem Augenrollen "Werner" gesagt. "Werner" sagten JohnPaulGeorgeundPeteBestRingo, "wer hollen dick nak, sobald Kontrakt fertig." Werner - und jetzt wird es ein bißchen traurig, holt schon mal die Taschentücher raus - wartet noch heute. Treu und tonlos und immer ein wenig gegen den Rhythmus der schrammelnden Gitarre singt er die alten Songs, "Love me do", nur böse Zungen würden sagen leiernd, und wir spendeten im Schatten von St. Gertrud (dortselbst schon der Sl. Herr Mequito gesungen hat nämlich) auch ein bißchen Geld und Aufmerksamkeit (Geben und Nehmen!).

Anschließend fuhr ich in einem etwas betagterem Automobil, da muß ich sagen, wäre ich nicht auf Buckelvolvos abonniert, ich hätte eine Schwäche in meinem Herzen seismographieren können. Aber im nüchternen Hamburg blogt man darüber ja nich.